Pflegende Angehörige stärken. Christa Büker
und Unterstützungsbedürfnisse. Sie sind z. B. in hohem Maße auf eine gelingende Kommunikation mit dem ambulanten Pflegedienst angewiesen.
Seit der Corona-Pandemie sehen sich pflegende Angehörige mit zusätzlichen Herausforderungen und Belastungen konfrontiert. Dazu gehören die Verringerung der sozialen Kontakte mit Isolation und Einsamkeitsgefühlen, der (zeitweise) Wegfall von Unterstützungsleistungen, wie beispielsweise Tagespflege, und damit ein erhöhter Betreuungs- und Pflegeaufwand. Hinzu kommt die Sorge vor einer COVID-19-Infektion sowohl der pflegebedürftigen als auch der eigenen Person (Eggert et al. 2020; Geyer et al. 2020). Eine unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (2020) entstandene Leitlinie enthält wichtige Hinweise für ambulante Pflegedienste zur Unterstützung pflegender Angehöriger unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie. Sie steht zum Download auf der Homepage der DGP oder der Homepage der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften) bereit.
Tipp
Für die Erfassung der subjektiven Belastung pflegender Angehöriger stehen verschiedene Assessment-Instrumente zur Verfügung. Ein häufig genutztes Instrument ist die Häusliche-Pflege-Skala HPS (
1.3 Häusliche Pflege als Bereicherung
Häufig herrscht eine einseitig defizitorientierte Sichtweise auf die Situation von pflegenden Angehörigen. Dabei gibt es – neben den zweifellos vorhandenen Belastungen – auch positive Aspekte häuslicher Pflege. Die Sorge umeinander ist eine besondere soziale Fähigkeit von uns Menschen und bringt auch die Möglichkeit mit sich, Beziehungen zu vertiefen. Als Benefit kann auch das Gefühl, gebraucht zu werden und die Freude darüber, mit der pflegebedürftigen Person zusammen sein zu können, gesehen werden (Gräßel & Behrndt 2016). Häusliche Pflege bietet ferner die Chance zur persönlichen Weiterentwicklung und Bereicherung des eigenen Lebens, denn pflegende Angehörige entwickeln im Laufe der Zeit vielfältige Kompetenzen. Viele Familien übernehmen komplexe und verantwortungsvolle Versorgungsaufgaben. Ihre Expertise, Autonomie und Selbstbestimmung zu fördern, sie ernst zu nehmen und wertzuschätzen sollte daher für alle professionellen Akteure selbstverständlich sein.
Inwieweit pflegenden Angehörigen eine positive Bewältigung gelingt, hängt entscheidend von den Ressourcen und Fähigkeiten einer Person ab (Mischke 2012, S. 170):
Bedeutsame Ressourcen aus der Perspektive pflegender Angehöriger
• Eigenes Wohbefinden
• Pflegerechte Wohnsituation
• Soziale Netzwerke/Beziehungen im weiteren Bekanntenkreis
• Optimistische, positive Lebenseinstellung
• Das Gefühl, mit der Situation umgehen zu können
• Zeit haben für sich selbst
• Das Gefühl, eine gute Beziehung zur pflegebedürftigen Person zu haben
• Familienstabilität, Erleben eines familiären Zusammenhalts
• Das Gefühl, eine gute Pflegearbeit zu leisten
• Kenntnisse über Ursachen und Folgen der Erkrankung der pflegebedürftigen Person
• Die Unterstützung durch engagierte Pflegedienste
• Die Möglichkeit von Nähe und Distanz/Abstand zum Pflegebedürftigen
• Kontakte zu anderen pflegenden Angehörigen
• Finanzielle Mittel/Möglichkeiten
Professionell Pflegende, wie beispielweise ambulante Pflegedienste, können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, diese Ressourcen zu fördern, beispielsweise durch Information, Schulung und Beratung sowie das Aufzeigen von Entlastungsmöglichkeiten.
Ohne die Belastungen der häuslichen Pflege negieren zu wollen, bleibt festzuhalten, dass es als durchaus bereichernd erlebt werden kann, sich um eine andere Person zu kümmern. Das Wissen darum, eine gute Pflege zu leisten und damit den Verbleib des pflegebedürftigen Familienmitglieds in der Häuslichkeit sicherzustellen, kann pflegende Angehörige berechtigterweise mit Stolz und Zufriedenheit erfüllen.
1.4 Notwendigkeit der Unterstützung pflegender Angehöriger
Insgesamt kann von einer hohen Bereitschaft der Familien ausgegangen werden, sich um ihre pflegebedürftigen Mitglieder zu kümmern. Sowohl die Angehörigen als auch die Betroffenen selbst bevorzugen den Verbleib in der häuslichen Umgebung (Gräßel & Behrndt 2016). Allerdings kann die Versorgung eines pflegebedürftigen Menschen auf Dauer nur durch ein tragfähiges und belastbares Familiensystem geleistet werden. Die Unterstützung pflegender Angehöriger ist notwendig, um:
• die eigene Gesundheit und die Lebensqualität der Angehörigen zu erhalten,
• familiale Pflegebereitschaft zu erhalten und zu fördern,
• Autonomie und Selbstbestimmung von Familien zu stärken,
• Eigenverantwortung der Familie im Umgang mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu fördern und
• eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung der Pflegebedürftigen sicherzustellen und ihre Lebensqualität zu erhalten.
Eine Überlastung der Angehörigen kann negativen Einfluss auf die Art des Umgangs mit der pflegebedürftigen Person haben. Insbesondere bei der Pflege von Menschen mit Demenz besteht ein erhöhtes Risiko für »abusive behavior«, d. h. problematische Verhaltensweisen wie beispielsweise Vernachlässigung, verbale Aggressivität oder körperliche Gewalt (