Pflegende Angehörige stärken. Christa Büker
Dazu gehört jedoch zuallererst ein verstärktes Bewusstsein für die Bedeutung einer familienorientierten Pflege – sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich (Friedemann & Köhlen 2017). Familienorientierte Pflege bedeutet:
• pflegende Angehörige wertzuschätzen,
• sie als Partner im Pflegegeschehen zu begreifen,
• ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu erfassen und sie mit in den Pflegeprozess zu integrieren und
• sie als Experten ihrer Lebenssituation zu akzeptieren und zu respektieren.
Familienorientierte Pflege bedeutet auch, Familien bei der Bewältigung von Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu unterstützen und – im Sinne von Primärprävention – zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit pflegender Angehöriger beizutragen.
Zusammenfassung
Trotz aller gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen wird immer noch der weit überwiegende Teil pflegebedürftiger Personen zu Hause durch die Familie betreut. Die Versorgung eines Pflegebedürftigen stellt häufig eine große Herausforderung für die Angehörigen dar, insbesondere wenn die Last der Pflege auf einer einzigen Person ruht und diese sich ebenfalls im höheren Lebensalter befindet. Und dennoch: Viele Familien sind bereit, sich um ihre hilfe- und pflegebedürftigen Mitglieder zu kümmern. Sie wollen dies nicht nur zu Hause, sondern auch, wenn der Pflegebedürftige sich im Krankenhaus befindet oder in ein Altenheim übergesiedelt ist. Sie darin zu unterstützen, ist jetzt und zukünftig eine der vordringlichsten Aufgaben der professionellen Pflege in nahezu allen pflegerischen Settings.
2 Rechtliche Grundlagen der Angehörigenunterstützung
Maßnahmen der Angehörigenunterstützung, in Form von Information, Schulung oder Beratung, finden sich in verschiedenen Gesetzen, Regelwerken und Empfehlungen als Aufgabe der Pflege verankert: im Pflegeberufegesetz, im Pflegeversicherungs- und Krankenversicherungsgesetz oder in den Nationalen Expertenstandards in der Pflege. Anliegen dieses Kapitels ist es, einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen und rechtlichen Regelungen zu geben. Wer sich weniger für diese – zugegebenermaßen etwas »trockene« – Materie interessiert, möge dieses Kapitel zunächst überschlagen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen.
2.1 Pflegeberufegesetz
Eine Verankerung edukativer Aktivitäten als Aufgabe der Pflege gelang erstmalig im Jahr 2004 mit der damaligen Neuordnung der Ausbildungsgesetze in der Alten- und Krankenpflege. Auch im Jahr 2020 novellierten Pflegeberufegesetz (PflBG) wird die Beratung, Anleitung und Schulung von zu pflegenden Menschen und ihrem sozialen Netzwerk als eigenverantwortliche Tätigkeit betont.
»(3) Die Ausbildung soll insbesondere dazu befähigen,
1. die folgenden Aufgaben selbstständig auszuführen:
[…]
f) Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen bei der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit sowie bei der Erhaltung und Stärkung der eigenständigen Lebensführung und Alltagskompetenz unter Einbeziehung ihrer sozialen Bezugspersonen,
[…]« (PflBG § 5 Abs. 3, Satz 1 f.; Hervorhebung durch die Verfasserin).
Nähere Erläuterungen hierzu finden sich in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV). Hier wird an verschiedenen Stellen darauf verwiesen, dass in der Ausbildung bzw. im Studium die Kompetenz erworben werden soll, Information, Schulung und Beratung bei Menschen aller Altersgruppen verantwortlich zu organisieren, zu gestalten, zu steuern und zu evaluieren. Auch die Anleitung von Bezugspersonen, die Stärkung der Kompetenz von Angehörigen im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen sowie die Unterstützung und Förderung der Familiengesundheit sollen als Kompetenzen erworben werden.
2.2 Pflegeversicherungsgesetz – SGB XI
Mit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) im Jahr 1995 wurde die Beratung und Schulung von Angehörigen gleich mehrfach verankert. Eine allgemeine Aufklärungspflicht der Pflegekassen über ihre Leistungen sowie die Hilfen anderer Träger werden im § 7 (Aufklärung, Beratung), Absatz 2 festgelegt:
§ 7 SGB XI: Aufklärung, Beratung
» […] Die Pflegekassen haben die Versicherten und ihre Angehörigen und Lebenspartner in den mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen, insbesondere über die Leistungen der Pflegekassen sowie über die Leistungen und Hilfen anderer Träger, in für sie verständlicher Weise zu informieren […]« (§ 7, Abs. 2 SGB XI; Hervorhebung durch die Verfasserin).
Hier wird die Beratung allerdings nicht durch Pflegefachpersonen, sondern überwiegend durch Sozialversicherungsfachangestellte der Pflegekassen geleistet.
Mit dem 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetz gewinnt die Beratung und Schulung von Angehörigen ein weiteres Mal an Bedeutung. Denn mit dem damals geschaffenen § 7a (Pflegeberatung) ergibt sich seither ein Rechtsanspruch auf eine individuelle Pflegeberatung für jede pflegebedürftige Person durch die Pflegekasse. Pflegebedürftige sollen umfassende Unterstützung bei der Auswahl und Inanspruchnahme notwendiger Hilfe- und Pflegeleistungen erhalten. Auf Wunsch soll ein individueller Versorgungsplan erstellt werden. Die Pflegeberatung erfolgt auch gegenüber Angehörigen.
§ 7a SGB XI: Pflegeberatung
»(1) Personen, die Leistungen nach diesem Buch erhalten, haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine Pflegeberaterin bei der Auswahl und Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen sowie sonstigen Hilfsangeboten, die auf die Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf ausgerichtet sind (Pflegeberatung) […]. Aufgabe der Pflegeberatung ist es insbesondere,
1. den Hilfebedarf