Pflegende Angehörige stärken. Christa Büker
alt="image"/> Patientenschulungen
Eine Einbeziehung von Angehörigen findet sich auch bei einigen Patientenschulungsprogrammen. Sie werden schwerpunktmäßig für die Behandlung chronischer Erkrankungen wie beispielsweise Asthma, Diabetes, Neurodermitis, Polyarthritis und Rheuma angeboten, aber auch in der kardiologischen Rehabilitation und in der Therapie chronischer Schmerzen. Die rechtliche Grundlage bildet dabei der § 43 Absatz 1 SGB V (Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation).
§ 43 SGB V: Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
»(1) Die Krankenkasse kann […] wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen; Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist […]«
(§ 43 SGB V Abs. 1; Hervorhebung durch die Verfasserin).
Ziel der Programme ist es, den Patient*innen Wissen zu vermitteln und ein neues Bewältigungsverhalten zu ermöglichen. Dies soll sie zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung befähigen und zur Kosteneinsparung im Gesundheitswesen beitragen.
Patientenschulungen nach § 43 SGB V sind grundsätzlich als Gruppenangebote mit zehn bis maximal fünfzehn Personen gestaltet. Die Sitzungen (je nach Indikation sechs bis zehn Einheiten) finden ambulant und wohnortnah mit einer zeitlichen Dauer von jeweils 90 Minuten statt. Angehörige werden je nach Erkrankung oder Lebensalter des*der Patienten*in einbezogen, vorausgesetzt diese leben mit dem Erkrankten in einem gemeinsamen Haushalt. So wird beispielsweise die Durchführung von Patientenschulungen für Kinder und Jugendliche mit Adipositas ohne die Einbindung der Eltern als nicht zielführend bewertet (Böhler et al. 2004).
Inhaltlich müssen die Programme den folgenden Anforderungen gerecht werden (GKV-Spitzenverband 2020a, S. 8 f.):
• »Aufklärung: Vermittlung spezifischen Krankheits- und Behandlungswissens sowie eines angemessenen Krankheitsmodells.
• Aufbau einer positiven Einstellung zur Erkrankung und ihrer Bewältigung: Fundierte Krankheits- und Behandlungseinsicht, Erhöhung der Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit der Krankheit.
• Sensibilisierung der Körperwahrnehmung: Frühzeitiges Erkennen von Warnsignalen, Vorboten, Überlastungsanzeichen und Verschlimmerungen des Krankheitszustandes.
• Vermittlung von Selbstmanagement-Kompetenzen: Fertigkeiten bezüglich der medikamentösen Therapie, Einhaltung von Diätplänen, Kennenlernen von Entspannungsübungen usw.
• Maßnahmen zur Prophylaxe: Aufbau einer gesundheitsförderlichen Lebensweise, Vermeidung von spezifischen Auslösern und Verhalten in Krisensituationen (Notfallprophylaxe).
• Erwerb sozialer Kompetenzen und Mobilisierung sozialer Unterstützung: Kommunikationsfähigkeit über die Erkrankung und ihrer Auswirkungen, Formulierung eigener behandlungsbezogener Befürchtungen und Bedürfnisse gegenüber dem Arzt/der Ärztin und soweit erforderlich Einbeziehung des sozialen Umfeldes«.
Patientenschulungen nach § 43 SGB V werden in aller Regel durch ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Ärzt*innen, Psycholog*innen, Physiotherapeut*innen etc. angeboten. Nicht immer, aber zunehmend werden auch Pflegefachpersonen an diesen Programmen beteiligt, wie beispielsweise im Rahmen von Diabetes-Schulungen.
Seit vielen Jahren ist inzwischen die sozialmedizinische Nachsorge als Kassenleistung verankert. Diese richtet sich auf eine verbesserte stationäre und poststationäre Versorgung von Kindern mit chronischer Erkrankung. Ihre Finanzierung beruht ebenfalls auf dem § 43 SGB V, hier auf dem Absatz 2 des Paragraphen.
§ 43 SGB V: Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
»Die Krankenkasse erbringt aus medizinischen Gründen in unmittelbarem Anschluss an eine Krankenhausbehandlung […] oder stationäre Rehabilitation erforderliche sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen für chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder, die das 14. Lebensjahr, in besonders schwerwiegenden Fällen das 18. Lebensjahr, noch nicht vollendet haben, wenn die Nachsorge wegen der Art, Schwere und Dauer der Erkrankung notwendig ist, um den stationären Aufenthalt zu verkürzen oder die anschließende ambulante ärztliche Behandlung zu sichern. Die Nachsorgemaßnahmen umfassen die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist.«
(§ 43 Abs. 2 SGB V; Hervorhebung durch die Verfasserin)
Die Neuformulierung des § 43 SGB V geht wesentlich auf das Engagement der Initiative »Bunter Kreis« in Augsburg zurück, die bereits seit Anfang der 1990er Jahre Familien mit schwerkranken oder frühgeborenen Kindern zur Seite steht (Portz & Erhardt 2003). Ausgebildete Nachsorge-Mitarbeiter*innen begleiten das Kind und seine Familie von der stationären Behandlung bis in die häusliche Umgebung, wobei ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit in der Hilfe zuhause liegt. Bei den Mitarbeiter*innen handelt sich um ein interdisziplinär zusammengesetztes Team, bestehend aus Kinderkrankenpflegepersonen mit Grundkenntnissen im Case Management, Sozialarbeiter*innen/Sozialpädagog*innen oder Diplompsycholog*innen sowie einem*einer Facharzt*Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin.
Zu den sozialmedizinischen Nachsorgemaßnahmen gehören die Analyse des Versorgungsbedarfs, die Koordinierung der verordneten Leistungen sowie die Anleitung und Motivierung zur Inanspruchnahme der verordneten Leistungen. Letzteres beinhaltet im Einzelnen:
• weiterführende Aufklärung und Beratung zur Förderung des Krankheitsverständnisses und der Krankheitsbewältigung einschließlich der Besprechung des Nutzens von z. B. regelmäßigen Kontrollen, Behandlungen und Therapien bezogen auf den individuellen Krankheitsverlauf,
• Motivierung und Unterstützung bei der Bewältigung alltagsbezogener Anforderungen und krankheitsbezogener Versorgungsaufgaben,
• Erläuterung der Aufgaben einbezogener Leistungserbringer, wie Ärzt*innen, interdisziplinäre Frühförderstellen, sozialpädiatrische Zentren, Selbsthilfegruppen, häusliche Krankenpflegedienste