Befreie dich durch Selbstliebe. Teal Swan

Befreie dich durch Selbstliebe - Teal Swan


Скачать книгу
bis auf eines: Bei ihrem Umzug nach Utah hatten sie nicht die von Religion geprägte Atmosphäre in diesem Bundesstaat bedacht.

      Ein Leben unter Menschen mit strengen religiösen Riten

      Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bzw. die Mormonen hatten Utah zu einem Bundesstaat mit einer höchst homogenen religiösen Struktur gemacht. Das ist keine Sonntagsreligion, sondern eine Kultur, die jede Sekunde eines jeden Tages im Leben ihrer Mitglieder durchdringt. Solange man die Doktrin akzeptiert und keine Fragen stellt, ist es eine Kultur des Familienlebens und der Gemeinschaft.

      Doch schon bald fiel es der Gemeinschaft auf, dass meine Familie und ich nicht zu den Gottesdiensten kamen. Und es dauerte nicht lange, da wurden Gerüchte über meine übersinnlichen Fähigkeiten überall in der Stadt per Mundpropaganda verbreitet. Ich war die Tochter von liberalen Hippies, und so benahm ich mich nicht wie ein typisches Mädchen, das bei den Mormonen aufwuchs. Um es kurz zu machen: Ich wurde in der Gemeinschaft überhaupt nicht gut aufgenommen.

      Sehr aggressive Bekehrungsversuche führten bei meiner Familie zu nichts, und so hielten sich die meisten Bewohner der Stadt bewusst von uns fern. Die meisten Kinder durften nicht mit mir spielen, und ich durfte nicht zu ihnen nach Hause kommen. Oft wurde ich nach der Schule auf dem Parkplatz aus der Menge herausgegriffen und mir wurde gesagt, was die gottlosen Entscheidungen meiner Eltern für mich bedeuteten. Das Leben meiner Familie, so hieß es, war unrein und wir konnten nicht auf Erlösung hoffen.

      Wenn das alles gewesen wäre, wäre es mir wohl immer noch sehr viel besser ergangen, als es der Fall war, aber leider gab es noch einen weiteren Haken. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage betrachtet sich als die »einzige wahre Kirche«; die Mormonen glauben, das wahre Wort Gottes und die Priesterschaft könne nur über ihren Gründer, Joseph Smith, weitergegeben werden und alle anderen Religionen seien Religionen falscher Propheten. Spontanheilungen und Kontakt mit Dingen »jenseits des Schleiers« waren den Mormonen bekannt und wurden praktiziert. Jegliche übersinnlichen Fähigkeiten wurden als potenzielle Gabe von Priestern betrachtet, die von Gott an Joseph Smith und von Joseph Smith an die Getauften und Gläubigen weitergegeben wurde.

      Und das ist der Haken: Das Amt eines Priesters konnte nur von Gott an Joseph Smith und von ihm an einen Mann weitergegeben werden. Als sich im Sommer 1988 das Gerücht von einem kleinen Mädchen verbreitete, das eben diese Fähigkeiten zur Schau stellte, wurde das nicht als Gabe Gottes betrachtet, sondern als ein Geschenk des Teufels.

      Die meisten Mormonen halten sich an die Philosophie »des Hinhaltens der anderen Wange«, wenn es um Außenstehende geht. Doch wie fast alle Religionen gibt es auch bei den Heiligen der Letzten Tage Splittergruppen, beispielsweise die Fundamentalisten, die für eine ganze Reihe von in den Medien breitgetretenen Skandalen sorgten, insbesondere wegen ihrer polygamen Überzeugungen und dem fließenden Übergang zur Pädophilie.

      Dann gibt es da noch eine nur selten genannte Splittergruppe namens The Blood Covenant (»Blutbund«). Ihrem Glauben nach besteht ihre von Gott gegebene Mission darin, die Erde vom Bösen zu befreien. Sie glauben an die Urlehre der Mormonen über Blutsühne und daran, dass für Sünden mit dem Blut eines Menschen bezahlt werden muss. Wegen dieser beiden Glaubensüberzeugungen hat die Gruppe vor Ort ansässige satanische Gruppen infiltriert, um sie zu untergraben und Gegenrituale abzuhalten. Außerdem nehmen Gruppenmitglieder an sadistischen und masochistischen Ritualen teil, denn sie glauben, durch Leiden fänden sie zum Licht Christi und durch Aderlass würde man von seinen Sünden gereinigt.

      Die dunkle Reise meiner Seele nahm ihren Anfang

      1989 wurde ich zu einem Mädchen nach Hause eingeladen, welches mit mir in den Kindergarten ging. Ihr Vater war Mitglied eines satanischen Zirkels, und dort erregte ich die Aufmerksamkeit von Doc, der damals um die 50 oder 60 Jahre alt war. Er war Mitglied des Blood Covenant, was meine Mutter nicht wusste, und er hatte eine satanische Sekte in der Gegend infiltriert.

      Jahre später wurde mir klar, dass Doc ein Soziopath mit multiplen Persönlichkeiten war; aber die einzige Persönlichkeit, die die meisten Mitglieder der Gemeinschaft, auch meine Eltern, sahen, war ein superintelligenter, charismatischer und erfolgreicher »Wohltäter«. Doch wegen seiner multiplen Persönlichkeiten führte Doc ein Doppelleben. Einerseits war er ein liebenswerter, kluger Gesundheitsexperte, der sich obsessiv mit dem Studium des menschlichen Geistes beschäftigte. Andererseits war er ein sadistischer Psychopath, der in seiner Freizeit an kultischen Ritualen teilnahm.

      Ich weiß nicht, ob er und meine Eltern sich schon vorher kannten; auf jeden Fall entwickelte Doc eine obsessive Vorstellung, er müsste mich besitzen. Als ich eines Tages alleine mit meinem pinkfarbenen Huffy-Fahrrad herumfuhr, folgte er mir mit seinem Lastwagen, zog mich vom Rad herunter und vergewaltigte mich das erste Mal – in einem Gemeindehaus (Kirchenhaus) der Mormonen. Dann setzte er mich wieder aufs Fahrrad, aber ich blutete, hatte solche Schmerzen und war so geschockt, dass ich nicht fahren konnte.

      Ich zog das Rad an den Straßenrand und lief in ein Feld, wo ich weiß Gott wie lange saß und das Gefühl hatte, meine Wirklichkeit wäre gerade zusammengebrochen. Ich dachte, das, was da gerade mit mir geschehen war, wäre eine Strafe, weil ich mit meinem Fahrrad um den Parkplatz des Gemeindehauses herumgefahren war. Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, meine Eltern würden wie der Weihnachtsmann aus dem Nirgendwo herbeigesaust kommen und mich aus jeder Gefahr retten. Doch an jenem Tag erkannte ich, dass mich meine Mutter und mein Vater nicht vor allem schützen konnten und ich in einer sehr gefährlichen und brutalen Welt ganz alleine war. An diesem Tag endete meine Kindheit, und ich wurde auf eine verzerrte Art erwachsen; damals war ich gerade einmal sechs Jahre alt.

      Von da an schaffte es Doc immer wieder, mich zu erwischen. Noch bevor ich sieben wurde, drängte er mich bei einer Reitstunde in die Ecke und stellte meine Welt erneut auf den Kopf. Er drückte mich an die Stallwand, drosselte mich und sagte mir, er wäre mein wirklicher Vater, ich sei ein Dämon, der die Stelle des wirklichen Kindes meiner Eltern eingenommen hätte, und dann warnte er mich: Sollte irgendjemand das herausfinden, würde man mich ihnen wegnehmen, und nur er könne mich vor diesem Schicksal bewahren.

      Doc sagte weiterhin, wenn ich irgendjemandem erzählen sollte, wer ich wirklich war oder was er gesagt hatte, würde meine gesamte Familie getötet. Schon damals war ich ein stilles, starkes Kind mit viel Verantwortungsgefühl und meinte, das alles wäre meine Schuld, ich hätte an jenem Tag etwas Falsches getan und hätte das alles verdient. Meinen Eltern sagte ich kein Wort davon, denn es gab für mich keinen Grund, Docs Worten keinen Glauben zu schenken. Die Vorstellung, er würde an meiner Familie Vergeltung üben, wenn ich jemandem von ihm erzählte, wie er gesagt hatte, erschreckte mich zutiefst.

      Mentor oder Opportunist?

      Später in dieser Woche kam die stellvertretende Schulleiterin in mein Klassenzimmer und sagte mir, die Schule habe von meinen Eltern die Nachricht erhalten, ich würde nach dem Anwesenheitsappell abgeholt. Sie fragte mich, ob jemand mit mir zum Parkplatz gehen sollte, wo ich abgeholt würde. Ich verneinte, und nach dem Appell nahm ich meinen Rucksack, verließ die Schule und ging zum Parkplatz. Doch dort warteten nicht meine Eltern in ihrem Auto auf mich, sondern Doc in seinem Lastwagen.

      Damit begann meine dreizehnjährige Leidenszeit rituellen, mentalen, emotionalen, physischen und sexuellen Missbrauchs. Heute sehe ich, wie sorgfältig Doc das alles inszeniert hatte. Er hatte sich systematisch Zugang zu mir verschafft und mich ohne Wissen meiner Eltern brutal angegriffen; jetzt musste er sich nur noch die bereits vorhandene emotionale Kluft zwischen meinen Eltern und mir zunutze machen. Pädophile Soziopathen sind Opportunisten, die es auf ausgegrenzte Kinder abgesehen haben.

      Die fatale emotionale Dynamik zwischen meiner Familie und mir ermöglichte es Doc also, seinen Fuß in die Tür zu setzen und sich in mein Leben zu drängen. Er pflegte eine freundschaftliche Beziehung mit meiner Mutter, die er bereits durch die Gemeinde kennengelernt hatte; deshalb war das ganz einfach, und damit hatte er unbeschränkt Zugang zu mir. Er überzeugte meine Eltern, er wüsste alles über meine Art von außersinnlichen Fähigkeiten und wäre der perfekte Mentor für mich.

      Docs kranker Plan ging auf; schon sehr bald war ich von ihm und seiner Anerkennung abhängig. Das ist auch als das sogenannte Stockholm-Syndrom bekannt. Ich glaubte tatsächlich,


Скачать книгу