Parkour. Philipp Holzmüller
sondern reisen auch zu großen Szenetreffen in andere Regionen der Welt!
Session
Traditionell verabreden sich die Traceure lokal zu freien, selbstständigen Trainingsmeetings (auch: Session). Diese sind geprägt durch ihren informellen Charakter und eine offene Struktur – ohne Trainer. Man tauscht sich aus und trainiert „auf Augenhöhe“. Jeder lernt vom anderen. Dabei werden Uhrzeit und Treffpunkt oftmals spontan ausgemacht. Stellenweise gibt es aber auch regelmäßige Angebote, die wöchentlich oder monatlich zu festen Terminen stattfinden.
© Georgij Sosunov
Abb. 8: Eine Session ist ein Treffen unter Gleichgesinnten.
Ähnlich wie beim Skateboarden bleiben die Traceure dabei meist an bestimmten Spots (dt.: Trainingsstelle). Dort trainieren sie dann zu Beginn erst einzelne Bewegungen, spielen etwas oder tüfteln an Herausforderungen, um sich an die Umgebung zu gewöhnen. Später werden dann vielleicht Runs (dt.: Läufe) zusammengesetzt oder an Kombinationen gewerkelt.
Das medial regelmäßig verbreitete Bild von Parkour-Läufern, die einfach geradeaus durch die Stadt sprinten, stimmt so also nicht. Ohne das Testen von Materialfestigkeit, Landeflächen oder kreuzenden Straßen wäre das auch viel zu gefährlich!
JAM
Über seinen persönlichen oder lokalen Kreis hinaus trifft man sich in der Szene dann klassisch auf sogenannten JAMs (wörtlich übersetzt: Marmelade). Ursprünglich aus der Musik stammend, bedeutet das ein Zusammenkommen von unterschiedlichsten Personen und die Vermischung ihrer Stile und Gedanken. Inhaltlich steht im Parkour dabei klassischerweise ein freies, kaum strukturiertes Training im Vordergrund.
Die Gäste finden zusammen und lassen sich vom Geschehen des Tages leiten. Kommunikation, Austausch und Gemeinschaft gelten dabei als die zentralen Komponenten.
© Moritz Hofmeister
Abb. 9: Zwei Traceure beim gemeinsamen Austausch auf der „RuhrJAM“
Event
Moderne, professionalisierte und akribisch organisierte Veranstaltungen kann man dagegen auch als Parkour-Events unterscheiden. Dabei gibt es oft geregelte Übernachtungsmöglichkeiten, geleitete Workshops und Spottouren oder, heutzutage, auch Wettkämpfe.
Innerhalb der Trainierenden wird aber alles einfach JAM genannt – das ist effizienter.
© Moritz Hofmeister
Abb. 10: Die „RuhrJAM“ in Mülheim a. d. R. ist eines der größten Parkour-Events in Deutschland.
Wettbewerbe
Wettbewerbe – in der Szene Competitions genannt – sind inzwischen zu einem Teil des modernen Parkour-Sports geworden. Doch das war nicht immer so.
Da sie dem ursprünglichen Wert der Konkurrenzfreiheit widersprechen und ihren Fokus meist auf Darstellung und Athletizismus, anstatt auf Inklusivität und Teilhabe legen, werden sie vor allem unter wertorientierten Traceuren eher kritisch betrachtet. Diese sehen durch den Fokus auf das Spektakel das eigentliche Image von Parkour gefährdet, welches Bewegungsfreude für jedermann propagiert, und sehen folglich auch die authentische Vermittlung in Gefahr, wenn Stereotype und Fehlinformationen ihre Arbeit erschweren.
Auf der anderen Seite bieten Wettbewerbe vielen Athleten jedoch die Möglichkeit und Perspektive, von ihrer Leidenschaft zu leben, Parkour in ihren eigenen Nationen durch Sponsoren- und Fördergelder zu entwickeln und sich auch durch persönliche Herausforderungen und Erfahrungen selbst zu fordern und zu entfalten.
So gesehen, bieten diese wettbewerbsorientierten Veranstaltungen eine dienliche Plattform, um sich innerhalb der Parkour-Welt zu etablieren, eine gewisse Reichweite zu erwirtschaften und schließlich lokale Geldgeber davon zu überzeugen, in den Parkour-Sport zu investieren. Auf diese Weise können Wettkampfathleten, neben der individuellen Persönlichkeitsentwicklung, auch ihren regionalen Communitys helfen.
© Peter Spoelma
Abb. 11: Ein Athlet bei der „NK SpeedStyle FreeRunning“-Competition in den Niederlanden
Heutzutage ist die Diskussion, ob und wieso Wettkämpfe wünschens- oder verachtenswert für den Sport sind, etwas leiser geworden. Vielmehr besteht aktuell eher das Interesse darin, Formate zu entwickeln, die sowohl den Wettkampfathleten eine Plattform bieten können – welche auch für Zuschauer und potenzielle Geldgeber interessant ist –, während parallel die Werte des Parkour-Sports auch glaubhaft dargestellt und vermittelt werden können. Ein salomonischer Mittelweg quasi.
An dieser Herausforderung versuchen sich zurzeit diverse Parkour-Organisationen. Sie entwickeln verschiedenste Veranstaltungen und Programme für deren Teilnehmer und Zuschauer. Genereller Konsens unter ihnen ist dabei, dass die Organisation und Durchführung solcher Events nur von, für und mit authentischen Athleten funktionieren kann. Externe Interessenten tun sich daher meist schwer und treffen nicht selten auf starken Widerstand aus der gut vernetzten Szene. Die Traceure wollen ihre Eigenständigkeit nur ungern einer außenstehenden Institution unterordnen.
WETTBEWERBE
Eine kurze Auflistung bekannter Argumente für und gegen Parkour-Wettbewerbe sowie die drei verbreitetsten Formate finden Sie per QR-Code-Scan hier:
https://download.m-m-sports.com/extras/parkour/01_Parkour_Wettbewerb.pdf
© Dennis Karotsch
KAPITEL 4
4Rahmen und Ziele der Parkour-Lehre
5Grundlagen des sportlichen Trainings