Parkour. Philipp Holzmüller
Yassin war Deutschlands erster kleinwüchsiger Traceur und ist ein weltweit bekanntes Vorbild für Menschen mit Behinderungen im Parkour-Sport.
6Johannes Schulte ist Coach für ParkourONE Münster und langjähriger Traceur der Szene.
7Dan ist Gründer und Leiter von Parkour Generation London und aktiv als Coach und Athlet.
8Parkour Generations ist ein Unternehmen aus Großbritannien, das sich ganzheitlich mit Parkour, der Vermittlung sowie Wissenschaft und Außendarstellung in den Medien befasst.
9Eine JAM ist eine gemeinsame Trainingssession von Traceuren aus verschiedenen Orten.
KAPITEL 3
4Rahmen und Ziele der Parkour-Lehre
5Grundlagen des sportlichen Trainings
6Grundlagen der Bewegungsvermittlung
7Biomechanik und Bewegungsverständnis
Kapitel 3
COMMUNITY UND SZENE
Der moderne Parkour-Sport wurde durch Freundschaften entwickelt und geprägt. Dabei stand die gemeinsame Bewegung, die gegenseitige Herausforderung und der offene Austausch schon von jeher in seinem Fokus. Werte standen über Leistung, und die Inspiration über dem Gewinnen.
Fußend auf diesen Überzeugungen, ist so über die Jahre eine Kultur gewachsen, die vor allem eine begeisterte Community hervorgebracht hat, die sich selbst organisiert und definiert. Für sie ist Parkour mehr als nur ein Sport …
3.1Parkour: Ein Lebensstil
„Parkour ist mehr als nur ein Sport; es ist ein Lebensstil.“
Dieses Zitat hört man fast immer von Traceuren, wenn diese ihre Herzenssportart vorstellen und erklären dürfen. Sie sprechen fast poetisch über Parkour, und wie das Training ihren Lebensalltag, ihre Werte und ihre ganze Denkweise eingenommen und verändert hat. Begonnen bei der neuen Wahrnehmung ihrer direkten Umwelt, in welcher bedrückende Hindernisse zu spannenden Bewegungsmöglichkeiten wurden, über die neuerliche Auseinandersetzung mit sich selbst, bis hin zur Vernetzung mit Gleichgesinnten – teils weit über die eigenen Stadtoder Landesgrenzen hinaus.
Parkour formte ihre Weltanschauung und ihre Auseinandersetzung mit ebendieser.
© Georgij Sosunov
Abb. 7: Drei Traceure kundschaften neue Wege aus.
Während manche den Sport nun gar als Kunst verstehen, betonen andere vor allem die Freiheit, die ihnen Parkour geschenkt hat. Frei von gesellschaftlichen Konventionen, von den Regeln urbaner Architektur und von Institutionen, wollen sie ihren eigenen Weg bestimmen, indem sie die bekannten Gegebenheiten lernen, neu für sich zu definieren und zu nutzen.
Nicht selten scheinen ebendiese Menschen, die einmal eine derartige Sicht auf die Welt gewonnen haben, sie nicht mehr loslassen zu können. Eine Mauer wird für sie niemals mehr wieder „nur eine Mauer“ sein und auch soziale Werte, die mit Parkour einhergehen, wie Toleranz oder Nachhaltigkeit, werden ihr Leben fortan begleiten.
Aber nicht nur die eigene Entwicklung steht für viele Sportler im Vordergrund. Sie engagieren sich auch in der Parkour-Vermittlung, tauschen sich bei Reisen aus, organisieren ganze Events, gründen eigene Modemarken oder erstellen Filme und Videos für Gleichgesinnte. Authentisch und unabhängig wollen sie gemeinsam den Sport gestalten und definieren ihre Zugehörigkeit vor allem durch ihre aktive Teilhabe in der Gemeinschaft.
Diese Eigenschaften machen Parkour damit unter wissenschaftlichem Aspekt zu einem sogenannten Lifestylesport (Wheaton, 2013; Gilchrist & Wheaton, 2016) und ihre Teilnehmer zu einer Szene (Hitzler, Bucher & Niederbacher, 2001). Dabei tauschen sich die Aktiven über ein bestimmtes Thema aus, definieren und identifizieren sich damit und entwickeln es schließlich weiter. Altersklasse, Herkunft oder Geschlecht spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
Ihr Sporttreiben wird für sie so tatsächlich zu ihrem Lebensinhalt und zu einem festen Bestandteil ihrer Persönlichkeit und ihres Selbstbildes.
3.2Die Organisation der Parkour-Szene
Kontakt zur Parkour-Szene stellt man heutzutage vor allem online her. Die Aktiven versammeln sich in Social-Media-Gruppen und Internetplattformen, verabreden sich dort und organisieren sich informell – also ohne regulierenden Rahmen (z. B. Verein oder Verband). Dabei tauschen sie sich aus, verabreden und inspirieren sich.
Um lokal aber eine höhere Kompetenz und eine einheitliche Adresse für Parkour bieten zu können, haben sich manche lokalen Gruppierungen auch örtlichen Sportvereinen angeschlossen oder haben selbst schon einen eingetragenen Verein (kurz: e.V.) gegründet.
Prinzipiell ist es heute durch Online-Suchmaschinen zudem recht einfach geworden, örtliche Gruppierungen ausfindig zu machen.
Ansonsten gilt für viele Traceure das „Kennst du einen, kennst du alle“-Prinzip, das durch die tief verwobenen Strukturen der noch überschaubaren Szene begünstigt wird. Demnach kann man oftmals einen schon bekannten Traceur nach Tipps oder Kontaktpersonen in anderen Städten fragen – mit einer recht hohen Chance auf Erfolg. Aber Vorsicht! Es gibt nicht nur eine Parkour-Szene!
Tatsächlich könnte man zwischen verschiedenen unterscheiden …
■private Gruppierungen (Freundeskreis/Kleingruppe);
■lokale Szenen (Stadt-/Kreisgebiet);
■regionale Szenen (Bundesland/Region);
■nationale Szenen (Nation);
■internationale Szenen (z. B. Kontinent);
■die globale Szene (weltweit).
All diese Subkategorien haben (mehrere) eigene Foren und Plattformen und organisieren sich teils höchst unterschiedlich. So ist der Szenebegriff eines einzelnen Traceurs durch seine eigenen Kontakte und sein eigenes Engagement auf entsprechender Ebene bedingt. Nur dort, wo er sich selbst einbringt und beteiligt, gehört er auch dazu.
Zwei Athleten können also von zwei verschiedenen Parkour-Szenen sprechen – je nachdem, in welchen Kreisen sie sich bewegen und austauschen.
3.3Szenetreffen
Treffen sich Traceure, dann