eXtRaVaGant * Mond oder Sonne. Leona Efuna

eXtRaVaGant * Mond oder Sonne - Leona Efuna


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beide meint.

      Eigentlich wäre es mir lieber, das alleine zu machen, aber ich weiß, dass Mom recht hat.

      In diesem Moment brauche ich sie, auch wenn ich mir das nicht eingestehen will. Ich gehe hoch in mein Zimmer und versuche, etwas mit meinen Haaren anzustellen. Dabei sehe ich fast so verbissen aus wie Robyn, wenn ihre Haare nicht so wollen wie sie.

      Du denkst zu oft an sie.

      ♫

      Wir sitzen im Auto, die Motorgeräusche beruhigen mich, auf eine komische Art und Weise.

      Ich schlürfe an meinem Coffee-to-go und setze meine Sonnen­brille auf, als wir aussteigen.

      Wir betreten das Krankenhausgebäude und laufen über einen sonnengelben Linoleumboden, der wahrscheinlich eine aufmunternde Wirkung besitzen soll, meine Stimmung aber nicht gerade verbessert. An der Rezeption sitzt eine rothaarige Frau mit spitzer Nase und eckiger Brille.

      ›Mrs. Smith‹, lese ich vom Schild ab.

      »Wir wollen zu Raven Obyn«, fällt Mom sofort mit der Tür ins Haus. Die Rothaarige nickt eilig und klickt sich dann durch das System.

      »Ihr Name?« Sie redet näselnd und blickt mit zusammengekniffenen Augenbrauen auf den Bildschirm.

      »Anastasia Stanislavovna Smirnova, Ravens Patentante, und Paige Alyaska Courtney«, meint Mom und Mrs. Smith nickt, bevor sie uns Robyns Zimmernummer gibt und schwach lächelt.

      Wir laufen durch die Gänge und meine Gedanken driften ab. Robyn versteht sich mit meiner Mom super, aber aus ihrer Mutter werde ich nicht richtig schlau. Ihr Name ist Audrey und sie ist Tänzerin, genau wie Mom spezialisiert auf Ballett. Sie lernten sich damals kennen, weil Mom und sie beide in die Kompanie des Lincoln Square Ballets aufgenommen wurden.

      Von außen betrachtet ist sie hübsch und sie tanzt wirklich perfekt, aber ihr Herz muss ein merkwürdiger Ort voll von unergründlichen Gefühlen sein.

      Eigentlich sollte man solche Menschen nicht schön finden.

      Ihr schrilles »Raven Alice« hat sich wie ein Brandzeichen in meinen Kopf geprägt. Sie ist der einzige Mensch, der Robyn bei beiden Vornamen ruft.

      Ich zittere, als ich vor Robyns Tür stehe, die Klinke runterdrücke und einen letzten Blick auf Mom werfe, die barfuß, mit den pink lackierten Zehen wackelnd, auf einem Stuhl neben dem Zimmer sitzt und Candy Crush spielt, daneben fein säuberlich ihre silbernen High Heels. Die zieht sie grundsätzlich aus, sobald sie sich hinsetzt. Ich schließe meine Augen für einen winzigen Moment und atme tief durch.

      Mom haucht ein: »Yeah!« und grinst wie eine Irre den leuchtenden Bildschirm an.

      Als ich den ersten Schritt in Robyns Krankenhauszimmer setzen möchte, stolpere ich fast über ein Mädchen, das gerade dabei ist, mit ihrem Rollstuhl den Raum zu verlassen.

      Zuerst fallen mir die kupferroten Haare auf, die ihr in Wellen über die Schultern fallen bis zur Taille. Dann sehe ich die Sommersprossen, die über ihr ganzes Gesicht verteilt sind, sie hat eine kleine Stupsnase, große Augen und ihre langen dunklen Wimpern werfen lange Schat­ten auf ihre Wangen.

      Auch wenn sie gerade aussieht, als wäre sie tief in Gedanken versunken, weiß ich, dass sich beim Lächeln Grübchen in ihren Wangen bilden werden. Sie sieht mich für einen kurzen Moment an und dann schaue ich ihr nach, wie sie mit ihrem Rollstuhl durch den Gang davonrollt, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen.

      Ich husche ins Zimmer und schließe die Tür hinter mir.

      Der Raum ist weiß, ganz das Krankenhauszimmer eben. Ich lasse mich geräuschlos neben Robyn aufs Bett sinken und nehme ihre Hand in meine, betrachte unsere nebeneinanderliegenden Freund­schaftsarmbändchen. Robyns blau, meins lila.

      Die blauen Haare sind wie ein Fächer um ihren Kopf verteilt, ihre Haut ist nur ein wenig blasser als sonst und die Lippen leuchten rosa.

      Es fühlt sich falsch an, hier zu sitzen und nichts tun zu können. Ihre Zehennägel blitzen unter der Bettdecke hervor, sie sind weiß lackiert.

      Auf dem Nachtkästchen steht ein Strauß mit roten, penetrant riechen­den Rosen. Ich niese.

      Fast höre ich Robyn »Gesundheit!« sagen.

      Erwartungsvoll sehe ich sie an, ihre sperrige Atemmaske ist beschlagen. Auf ihrer Wange, mit den fein gezeichneten Wangenknochen, bilden sich lilafarbene Flecken und Blutergüsse ab. Übelkeit steigt in mir auf, ich niese wieder.

      Höchst wahrscheinlich bin ich gegen die Blumen allergisch.

      Mir kommt es vor, als würde sie schlafen, nicht als läge sie im Koma. Ich drücke Robyns Hand, hoffe, sie öffnet ihre Augen und lacht mich aus, dass ich ihr das alles abgekauft habe.

      Sie bleiben zu.

      Egal wie sehr ich ihre Hand drücke, das blaue Freundschafts­arm­band anschaue und wie oft ich ihr mit dem Kamm durch die Haare fahre und wie laut die Autos draußen hupen, als ich das Fenster öffne und die Scheißrosen hinauswerfe.

      Ihre Augen bleiben, verdammt noch mal, trotzdem zu.

      Es vergeht eine Stunde, bis Mom an die Tür klopft und mir sagt, ihr Akku sei leer. Ich seufze und verabschiede mich von Robyn, fast bin ich erleichtert, als ich das unrhythmische Piepen des Monitors neben ihrem Bett nicht mehr ertragen muss. Es fühlte sich ganz und gar nicht so an wie die normalen Treffen mit Robyn, irgendwie, als hätte ich dieses Mal einen anderen Part eingenommen.

      Beim Hinauslaufen rollen mir unaufhörlich Tränen über das Gesicht.

      Die ganze Rückfahrt schweigen Mom und ich uns an.

      Zu Hause angekommen, kocht sie mir eine heiße Milch mit Honig und bedeutet mir, mich an den Küchentisch zu setzen.

      Irgendetwas stimmt an dieser Situation nicht.

      Und damit meine ich nicht nur ihre gefälschten Swarovski-Ohrringe.

      »Paige, Devushka. Ich muss mit dir reden.«

      Wusste ich es doch. Ich spiele nervös mit meinen Händen herum. Es liegt etwas in der Luft und ich kann nicht deuten, was es ist.

      »Ich halte dein Herumhängen und Desozialisieren langsam nicht mehr aus.«

      Darauf antworte ich nichts, sehe Mom einfach nur stumm an.

      »Wenn du nichts dazu sagen willst, auch gut. Also, es gibt zwei Optionen: entweder, du kommst in eine psychiatrische Klinik oder zu deinem Vater nach Brooklyn, so lange, bis Robyn wieder aufwacht oder es dir besser geht.«

      Sie weiß selbst, dass Robyn mit erhöhter Wahrscheinlichkeit nicht auf­wachen wird.

      Gegen meinen Willen bringe ich keinen Satz heraus. Bleibe einfach nur stumm und versuche, den Kloß in meinem Hals loszuwerden.

      »Dad«, krächze ich schließlich in die Stille.

      »Okay, pack deine Sachen, wir werden früh losfahren. Die Highschool in Brooklyn, auf die du bei deinem Vater gehen wirst, fängt zum Glück erst am achten Januar wieder an.«

      Es heißt wohl Abschied nehmen, obwohl ich in diesem Moment gerne laut schreien würde, so laut, dass die Gläser im Schrank zerspringen, so laut, dass unser Haus explodiert, in tausend splitternde Einzelteile.

      Ich tue es nicht. Warum auch, es würde seinen Zweck vollkommen verfehlen.

      Und plötzlich ist mir alles egal. Mein Leben wird sich auch bei Dad nicht ändern, so viel ist sicher.

      Ich stürme in mein Zimmer, knalle die Tür hinter mir zu, die laut ins Schloss kracht, und setze mich schnell atmend an meine Schreib­maschine.

      Boston, Massachusetts

      01. Januar

      Robyn,

      im Karton mit deinen Sachen, die du vor einem Jahr in meinem Zimmer unter der kleinen Luke verstaut hast, weil deine Mom unseren Musikkram noch nie befürwortet hat, sind


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