eXtRaVaGant * Mond oder Sonne. Leona Efuna

eXtRaVaGant * Mond oder Sonne - Leona Efuna


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meine Koffer mustert, sich dann an mich wendet und gespielt nachdenklich über seine Lippen leckt.

      »Was kriege ich dafür?«

      »Hör auf, meine Tochter anzubaggern, Damian«, ertönt Dads Stimme von weit weg. Damian rollt mit den Augen, lässt es sich aber nicht nehmen, mir noch einmal ein Grinsen zu schenken, bevor er zwei Koffer nimmt.

      »Nimm lieber erst mal einen, ich hab ziemlich gestopft.« Ich beiße auf meiner Unterlippe herum, um nicht zu schmunzeln.

      »Ich geh pumpen, Kleine. Deine Köfferchen trag ich mit links.« Damian nimmt selbstsicher meine beiden Koffer und hebt sie hoch.

      »Trägst du bitte noch mein drittes, leichtes Köfferchen?«, frage ich ihn lachend, als er kurz vor dem Ende der Treppe eine Pause macht.

      Mein Zimmer sieht schlimmer aus, als ich es in Erinnerung habe: Gruselige Puppen sitzen auf den Regalen und die Wände sind voll mit Ponypostern. Der Schreibtisch ist zum Glück aufgeräumt, sodass ich meine alten »Kunstwerke« nicht betrachten muss. Überhaupt ist das ganze Zimmer sehr ordentlich und es sind keine Spinnenweben oder Staubkörner zu erkennen. Ich ziehe meine lila Chucks aus und stelle sie in die unterste Schublade des leeren Kleiderschranks.

      Es ist schon so lange her, seit du das letzte Mal hier warst.

      Mom kommt ins Zimmer. Sie sieht leicht gereizt aus, lächelt mich aber dennoch so an, wie sie es immer tut.

      »Komm her, Kleines.« Mom breitet ihre Arme aus. Ihr Körper steckt in einem dunklen Blusenkleid und zum Genickbrechen hohen High Heels.

      Ich umarme sie und murmle: »Mom, ohne deine Schuhe sind wir gleich groß.«

      Ihr Porzellangesicht ringt sich ein leichtes Schmunzeln ab.

      »Wir telefonieren.« Mom mochte dramatische Abschiede noch nie, weshalb sie sich für gewöhnlich nur auf ein paar wenige Worte beschränkt.

      Ich setze ein unsicheres Lächeln auf, als ich realisiere, dass sie mich jetzt wirklich hier lassen wird. Alleine mit einem skurrilen Typen und dem Vater, den ich in Boston nie so richtig hatte.

      Sie geht nach unten, ich folge ihr, da ich mich in diesem Haus wie ein ausgesetzter Welpe fühle. Unten an der Tür steht Dad, die beiden würdigen sich keines Blickes.

      Ich seufze noch einmal laut, um vielleicht wenigstens ein paar Schuld­gefühle in ihr hervorzurufen, doch sie tätschelt nur einmal geistes­abwesend meine Schulter.

      Als Mom im Auto sitzt, drehe ich mich zu Dad und frage neugierig: »Wer ist das?« Dad lacht, ich bin mir nicht sicher, ob er das tut, weil er die Frage amüsant findet, oder ob er mich allgemein nicht ernst nimmt.

      »Damian ist der Sohn von meiner Freundin Marie.«

      Dad schließt die Tür und wir gehen hinein.

      »Dann erzähl, was hast du die ganze Zeit über ohne mich angestellt? Irgendwelche Jungs, über die ich Bescheid wissen sollte?«, überfällt Dad mich direkt.

      Nur ungern erinnere ich mich an meine Erfahrungen mit Jungs. In der Neunten hat mich mal ein Typ verarscht. Er hieß Domenico Martini und wie Robyn sind ihm die guten Noten scheinbar mühelos zugeflogen. Das hat mich damals irgendwie ziemlich fasziniert. Domenico war im Handballteam unserer Schule, hatte eine große Klappe und sah mit seinen haselnussbraunen Haaren und Augen, den rosa Wangen und den leichten Sommersprossen ziemlich gut aus.

      Dieses typische Klischee eben.

      Ich dachte, er sei in mich verknallt, es war für ihn aber nur eine Art Test, um herauszufinden, mit wie vielen Mädchen er gleichzeitig rummachen konnte, ohne dass sie voneinander wussten.

      Damian kommt uns im Flur entgegen und streift sich eine schwarze Bomberjacke über, während er einen Autoschlüssel in die Hosentasche seiner Baggy schiebt. »Kühlschrank ist leer. Ich hol mir was auf Coney Island, kommst du mit?«, fragt Damian mich und zieht sich seine Sneakers an. Ich nicke, während ich mir überlege, ob der Strand immer noch so aussieht, wie ich ihn in Erinnerung habe, und greife nach meiner Jacke.

      Wir steigen ins Auto und je länger wir schweigen, desto unwohler fühle ich mich. »Falls du jetzt denkst, dass Julien so viel über dich geredet hat, dass ich mehr über dich weiß, als du über mich: Ja, hat er.« Damian lacht.

      Und obwohl ich etwas Angst habe, dass Dad ihm irgendwelche peinlichen Geschichten über mich erzählt hat, zucken meine Mund­winkel, weil ich seinen deutschen Akzent mag.

      Wir steigen aus und laufen den Broadwalk entlang bis zu einem Strandrestaurant. Damian winkt mich ins Innere. Während ich meinen Blick über die vielen dunklen Holztische schweifen lasse, bemerke ich das riesige Fenster mit Blick auf den Strand und das Meer. Die Sonne geht gerade unter und es sieht atemberaubend schön aus.

      Ich laufe neben Damian durch die Tischreihen. Neben dem letzten Tisch, an dem ein junger Mann mit schwarzen Haaren sitzt, bleibt er stehen.

      Als er uns bemerkt, sieht er hoch und steht im nächsten Moment breit grinsend auf.

      Der Geruch von Zimt weht mir entgegen.

      »Das ist Curtis.« Damian deutet auf den Typen und setzt sich gegenüber von Curtis auf die Bank.

      »Ich bin Paige«, murmle ich kaum hörbar, als ich checke, dass Damian ihm nicht sagen wird, wer ich bin. Curtis reicht mir seine Hand, die silbernen Ringe an seinen Fingern fühlen sich kalt an. Vielleicht sagt er nichts, weil er weiß, dass Damian mich mit seiner Begrüßung schon genug verstört hat.

      »Ich weiß«, sagt Curtis und sieht mich durch seine hellbraunen Augen an.

      »Was?« Das Wort verlässt meinen Mund, bevor ich nur eine Se­kunde darüber nachdenken konnte.

      »Wer du bist.«

      Für einen Moment hört die Welt auf, sich zu drehen, und Curtis sieht mir so intensiv in die Augen, als würde er mehr in ihnen sehen als das Braun und das Gold und das Schwarz. Ein Mann tritt an unseren Tisch und Curtis dreht sein Gesicht von mir weg.

      Kann ein Herz so stark klopfen, dass es aus der Brust springt?

      Ich schätze, der Mann mit der Schürze vor unserem Tisch möchte wissen, was wir bestellen, da Curtis’ Mund sich öffnet und seine Lippen sich bewegen.

      Ich verstehe nicht, was er sagt.

      Aber das ist auch nicht wichtig, weil ich ihn einfach nur anschauen möchte.

      Irgendwann liegen drei Augenpaare auf mir und ich räuspere mich: »Ich nehme einmal Pommes mit Ketchup, bitte.«

      Ich warte auf die Stimme in meinem Kopf, aber sie bleibt aus. Der Mann mit der Schürze notiert sich unsere Essenswünsche und verlässt den Tisch.

      Während Curtis und Damian sich halblaut auf Deutsch unterhalten, kaue ich jede einzelne Fritte, als wäre sie ein Stück Gummi, nur um nicht so teilnahmslos auszusehen.

      Ich halte für einen Moment inne. Wo bleibt das zuckersüß-fiese: Ich weiß, dass du es hasst, vor anderen Menschen zu essen, meiner inneren Stimme, die sich sonst alles andere als ruhig verhält, wenn es um Essen oder irgendwelche jungen Männer geht, die mich ein bisschen zu intensiv ansehen?

      Nicht, dass das oft passieren würde.

      Aber da ist kein samtweiches Flüstern oder Einhauchen böser Gedanken. Nur eine friedliche Ruhe, die mich an längst vergangene Sommer in Brooklyn erinnert.

      Aus dem Radio tönt Nirvana. Ich versuche krampfhaft, nicht an Robyn zu denken.

      Damians Handy klingelt. Er bedeutet mir aufzustehen, damit er durch kann.

      »Du zahlst«, sagt Damian zu Curtis, während er durch den Gang nach draußen verschwindet. Ich starre noch für ein paar Sekunden auf die geschlossene Tür, bis ich begriffen habe, dass er mich alleine mit Curtis zurückgelassen hat. Nervosität breitet sich von meinem Bauch bis in die Fingerspitzen aus.

      Curtis kramt ein paar Scheine aus seiner Jeanstasche und legt sie auf den Tisch, bevor er aufsteht und in


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