eXtRaVaGant * Mond oder Sonne. Leona Efuna

eXtRaVaGant * Mond oder Sonne - Leona Efuna


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      Der Blick eines Mädchens schweift nach hinten, huscht über Robyns leeren Platz und bleibt augenrollend bei dir stehen. Sie zieht sich den pinkfarbenen Lippenstift nach und zeigt dir ihren perfekt manikürten Mittelfinger, als sie merkt, dass du sie immer noch anstarrst.

      Du bist auf der Mädchentoilette. Allein. Robyn ist nicht da, weil sie mal wieder blau macht. Mit Robyn bist du immer draußen bei den Leuten, die für deinen jetzigen Zustand verantwortlich sind.

      »Schon in den Spiegel geguckt, Pummelchen?«

      In dir dreht sich alles.

      »Schleimerin!« »Geh dich umbringen, Bitch.«

      »Pummelchen wird nie einen Typen abbekommen.«

      Die Stimmen vermischen sich.

      »Eine Runde Mitleid für Piggypaige!«

      Du taumelst auf die Mädchentoilette zu, ignorierst die Welt und deine Augen brennen schmerzhaft von den zurückgehaltenen Tränen.

      »Paigielein, Domenico ist dir ein paar Größen zu klein.«

      Würgereiz, Kloschüssel, Taumeln, Finger im Hals, Kotze, fett, Schwin­del, schwarz vor Augen, Übelkeit.

      Nichts.

      »Du weißt schon, warum sie das sagen, die wollen dich nur ein bisschen aufziehen, weil du dir immer so viele Gedanken um dein Essen machst.«

      Robyn sitzt auf ihrem Bett und kämmt sich die bunten Haare. Als sie fertig ist, winkt sie dich zu sich und du vergräbst deinen Kopf in ihrer Halsbeuge, damit sie deine Tränen nicht sehen kann.

      Schweißgebadet schrecke ich auf, mein Wecker zeigt 01:42 Uhr an. Ich stehe auf, schleiche runter in die Küche und setze Wasser auf. Kaffee wird mir helfen. In dieser Nacht will ich keine einzige Minute mehr schlafen. Wie böse Geister würden mich die Träume heimsuchen.

      Ich habe das hier schon so oft gemacht, dass ich mir vorkomme wie eine Geisteskranke.

      Niemand kocht sich mitten in der Nacht Kaffee, um freiwillig nicht mehr zu schlafen. Ich kenne die Wasserkocher, die Kaffee­maschinen und die Kaffeepulversorten eines jeden Hauses, in dem ich in letzter Zeit übernachtet habe.

      Mir ist das nächtliche Kaffeezubereiten so vertraut, dass alles beinahe automatisch geschieht.

      Du wirst niemals alleine über deine Träume bestimmen, vergiss das nicht.

      Das Haus ist in Dunkelheit getaucht. Langsam laufen die Tränen über mein Gesicht, tropfen von meinem Kinn, verschleiern meine Sicht. Mein Kreislauf spielt verrückt, ich falle fast hin, stolpere und halte mich im letzten Moment an irgendetwas fest.

      ♫

      Die Wintermorgensonne strahlt quer durch die Küche. Am Früh­stücks­tisch sitzt eine brünette Frau. Sie steht auf und lächelt. Ihre Gesichtszüge erinnern mich an jemanden. Sie hat auffallend grüne Augen, die bei meinem Anblick kurz leuchten. »Hallo Paige. Ich bin Marie. Es tut mir leid, dass ich gestern nicht da war, um dich zu begrüßen.«

      Ich will ihr meine Hand reichen, aber sie zieht mich in eine überschwängliche Umarmung.

      Damian kommt die Treppe runter und setzt sich an den Küchentisch, bevor er seinen Teller mit Essen vollschaufelt.

      »Ich hab um elf ein Date mit Mr. Manager und den Männern«, schmatzt Damian und grinst Marie entschuldigend an, welche unglücklich drein blickt. »Einmal eine normale Familie sein. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«, fährt sie Damian an und entschuldigt sich im nächsten Moment wieder.

      Ein Mandarinenstück bleibt mir im Hals stecken und ich fange an zu husten. Dad, der bis jetzt noch nichts gesagt hat, klopft mir leicht überfordert auf den Rücken.

      »Mr. Manager?«, japse ich.

      Marie seufzt und ich sehe in die Runde.

      »Also …«, druckst Damian herum und ich mache eine Hand­be­we­gung, dass er weiter sprechen soll.

      »Also, es ist so, Curtis, noch zwei gute Freunde, mit denen er zusammen wohnt, und ich sind gerade dabei, ein Album aufzunehmen. Wir haben die Band eXtRaVaGant schon gegründet, da waren wir alle noch kleine Hosenscheißer. Vor ein paar Jahren hatten wir einen kleinen Auftritt in Berlin, wo wir früher gewohnt haben. Und da ist ein Talentscout von TSoundz, der um die ganze Welt reist und nach Künstlern sucht, auf uns aufmerksam geworden. Mom ist dann mit Curtis und mir aus Deutschland weggezogen und hier haben wir dann auch unseren Musikproduzenten Max Tanner und unseren Manager Leef Gruber kennengelernt. Sascha Roth und Jules Freeman, die zwei anderen Bandmitglieder, wohnen seit einem Jahr auch in der Nähe des Studios, weil das Pendeln zwischen den USA und Deutschland auf Dauer zu anstrengend wurde. Im Dezember haben wir unsere erste richtige Single Infinity veröffentlicht.«

      Ich kann nicht glauben, was ich da gerade höre. Damian und Curtis haben eine Band? Und einen fucking Plattenvertrag? – Sicher kommt gleich Gelächter von allen Seiten und ein paar Schulterklopfer für meine Naivität. Zu meiner Verwirrung bleiben alle still sitzen und sehen mich an, als wäre ich eine Außerirdische.

      »Ach du heilige Scheiße«, murmle ich.

      Jetzt bekomme ich einen Schulterklopfer, und zwar von Marie.

      »Ich hab damals das ganze Haus zusammengeschrien, als ich das erfahren habe.«

      [04]

      Musikbesessen

      Momente, die unerwartet geschehen, nehme ich manchmal nur dumpf, wie durch eine dicke Scheibe wahr und handle immer so ­komisch, dass ich hinterher oft denke, jemand hätte mich fremdge­steuert.

      »Curtis, Roth und Mbappé kommen so in einer Stunde vorb-«, kündigt Damian an. »Hör auf, Jules immer ›Mbappé‹ zu nennen, nur weil er schwarz ist!«, unterbricht Marie ihren Sohn.

      »Nein, doch nicht deshalb. Die laufen beide so, als wären sie betrunken.«

      Und manchmal ist es gut, dass ich mit komischen Situationen komisch umgehe:

      »Kann ich vielleicht mitkommen zu diesem Date mit Mr. Manager?«

      ♫

      »Sascha Roth.« Ein Typ mit grauen Augen schnipst seine Zigarette auf den Boden, tritt sie mit dem Schuh aus und reicht mir seine Hand.

      Ein weiterer Typ mit blauen Haaren betritt den Garten. Ich muss schlucken, als mir klar wird, dass ich eben diesen Blauton nur zu gut kenne.

      »Ist Curtis an seinem Haarspray erstickt, oder warum braucht der so lange?«, fragt Damian den Typen und begrüßt ihn.

      »Damian, was laberst du?« Sascha lacht laut auf. »WIR verrecken in der WG wegen dem Scheiß, mit dem er sich die Haare einräuchert. Curtis ist doch schon längst immun gegen das Zeug.«

      »Jules Freeman.« Der Fremde mit den blauen Cornrows schüttelt meine Hand und stellt sich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, neben mich.

      »Ich bin Paige«, meine ich etwas verspätet.

      »Weiß ich doch.« Jules grinst ein riesiges Grinsen.

      Damian läuft im Garten auf und ab und flucht vor sich hin.

      Ein Auto parkt vor dem weiß gestrichenen Gartentor. Curtis steigt aus und begrüßt Sascha und Jules. Er riecht wie gestern unverkennbar nach Zimt.

      »Warum schaust du mich so an?«, fragt er Damian.

      »Halt die Fresse, du Wichser.«

      »Hast du deine Tage oder was?«, witzelt Curtis, dessen Sonnenbrille gefährlich instabil in seinen Haaren sitzt.

      Die Haustür geht auf und Marie hält ein blaues Tablett voller Me­lonen­stücke in den Händen. »Esst noch schnell was, Kinder.«

      Jules, Sascha und Damian nehmen sich eine Scheibe und ich reiche jedem schmunzelnd eine Serviette, bevor ich Curtis fragend anschaue.

      Er


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