Mörderisches vom Niederrhein. Regina Schleheck

Mörderisches vom Niederrhein - Regina Schleheck


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      Es ist nicht nur eine Frage des Geschmacks. Da steckt eine Geschichte hinter. Obergärige Biere sind die, die unseren Breitengeraden entsprechen. Bei gemäßigten Temperaturen, 15 bis 20 Grad Celsius, verbindet sich die Hefe beim Brauvorgang, wird von der Kohlensäure nach oben gedrückt und arbeitet da. Es ist die Methode, wie früher alle Menschen Bier gebraut haben, weshalb es eben auch Altbier heißt. Im Winter oder da, wo es ganzjährig Eis gab, hat man untergärig gebraut. Hier am Niederrhein haben wir nun mal keine Gletscher. Weshalb es im Sommer gar keine Alternative zum Alt gab. Im Winter, wenn es der Hefe zu kalt ist, bei vier bis neun Grad Celsius, kann sie sich nicht verbinden und treibt nicht auf, sondern die Partikel sinken nach unten. Da braucht es länger zum Gären. Das untergärige Bier ist dafür weniger anfällig für Pilze und Mikroben und länger haltbar. Weshalb es auch Lager- oder Exportbier genannt wird. Man kann es größere Strecken transportieren, ohne dass es verdirbt. Klar, dass alle Brauereien mit der Erfindung der Kühlschränke auf untergärige Biere umgestiegen sind. Moderne Denke. Eine Frage des Profits. Hier am Niederrhein hält man an Traditionen fest. Und was den Geschmack angeht: Bei Obst oder Gemüse ist es ja nicht anders: Frisch schmeckt es super. Heute gibt es alles tiefgekühlt und in Konservendosen – leckerer wird es dadurch nicht. Wo in Deutschland kriegt der Verbraucher noch Altbier? Der gemeine Biertrinker wurde von den Brauereien und dem Handel längst umkonditioniert. Frische Ware ist heute überall Luxus.

      Es ist nicht so, als wären wir am Niederrhein die letzten Sturköppe. Natürlich soll jeder trinken, was er mag. Aber damit macht er es sich nicht gerade leicht, wenn er bei uns Anschluss finden will. Worauf Manni es offensichtlich anlegte.

      »Wie kommt es, dass du dich heute Abend in Korschenbroich rumtreibst?«, wollte Käthe wissen.

      Er übernachte bei seiner Tante, verriet er uns. Die gleich um die Ecke in einem schnuckeligen Fachwerkhäuschen lebe, niemand mehr habe als ihn, und da würde er halt immer mal nach ihr gucken, wenn er auf seinen Fahrten in Korschenbroich vorbeikäme. Morgens früh habe er es nicht weit von hier zur Arbeit. Er überlege sowieso, sich umzuorientieren. Das wäre ja eigentlich eine ganz schöne Gegend, nicht so eine Industriestadt wie Duisburg, nicht so viele Zuwanderer und was das alles so nach sich zöge: No-Go-Areas, Familienclans, Bandenkriminalität, man traute sich da ja abends gar nicht mehr auf die Straße. Und ein Job ließe sich doch bestimmt auch irgendwo finden.

      Dabei guckte er uns an, als ob er fragen wollte, ob wir nicht morgen ein gutes Wort für ihn einlegen könnten.

      Ricky klopfte geräuschvoll mit den frisch gemischten Karten auf den Tisch. »Wie sieht es aus? Nächste Runde?«

      Ehe Jan oder ich es verhindern konnten, fragte Käthe: »Kannst du Doppelkopf?«

      Manni nickte freudig: »Gerne, wenn ich darf.«

      Wir guckten uns an.

      »Okay, ich setz’ dann mal aus«, sagte ich. »Muss eh Bier wegbringen.«

      Als ich zurückkam, hatten die anderen nach dem Austeilen der Karten gerade erst geklärt, dass und wieso wir mit Neunen spielten. Herrjemine. Nichts entzweit Menschen mehr als unterschiedliche Spielregeln.

      »Spielen, richtig verstanden, ist etwas Wunderschönes«, meinte Ricky.

      »Es kann gerade für junge Menschen eine gute charakterliche Schulung sein«, ergänzte Jan.

      »Äh, und was ist Trumpf?«, fragte Käthe kichernd.

      Manni wirkte verwirrt. »Damen, Buben, Karo und die Herz Zehn, oder wie spielt ihr das?«

      Wir lachten.

      »Das sind Zitate«, klärte ich ihn auf. »Es gibt einen Sketch von Loriot, der heißt ›Skat‹, da reden die so.«

      »Aber wir spielen doch Doppelkopf.« Manni war immer noch verwirrt.

      »Genau. Und du kommst raus«, mahnte Käthe.

      Zwischen den Spielen versuchte sie, Stimmung zu machen und ein Gespräch in Gang zu bringen. So richtig klappte es nicht. Im Wesentlichen beschränkte sie sich darauf, Manni Fragen zu stellen, die der bereitwillig beantwortete. Nach seiner Familie – seine Eltern lebten in Duisburg, keine Geschwister, keine Frau, keine Kinder –, der Tante, dem Häuschen. Mir kam der Gedanke, ob Käthe nach ihrer Scheidung vor zwei Jahren etwa auf der Suche war. Aber ausgerechnet so ein – na ja. Ich guckte mir die Kollegen an. Der Lack war ab. Auf dem Koppe zu wenig, am Bauch zu viel. Dafür knackige Oberarme, breites Kreuz. Mit Manni konnten wir mithalten. Was er um die Hüfte weniger hatte, fehlte ihm auch obenrum.

      Ich meldete mich als Erster ab und registrierte mit einer gewissen Genugtuung, dass die anderen ebenfalls ihre Deckel zahlten.

      Etwas über eine Woche später trafen wir Manni wieder. Er hatte sich – ganz schön dreist – an unseren Tisch gesetzt und winkte uns freudig zu, als wir eintraten.

      »Oh nein.« Das war Jan.

      »Was habt ihr denn?« Käthe winkte zurück.

      »Ich setze nicht aus«, kündigte Ricky an.

      »Hallo, Kollegen«, begrüßte uns Manni und hielt das Doppelkopfspiel hoch, das der Wirt an unserem Tisch deponiert hatte. »Diesmal ohne Neunen?«

      »Diesmal ohne dich«, raunte Ricky. »Hallo, Manni!«, sagte er.

      »Wir können ja mal was anderes spielen«, schlug Käthe vor.

      »Was denn?« Jan hatte das Kartenspiel schon an sich genommen.

      »Ein Trinkspiel.«

      »Was soll das sein?« Jan mischte das Blatt.

      »Einer denkt sich Fragen aus. Wenn man sie richtig beantwortet, muss der Fragensteller ein Bier exen, wenn nicht, derjenige, der die Frage nicht beantworten konnte.«

      Jan teilte die Karten aus. »Wunderbar, dann kannst du ja gleich aussetzen und dir Fragen überlegen, während wir spielen. Mit Neunen.«

      Tatsächlich besorgte Käthe sich Papier und Stift und schrieb etwas auf, während Ricky ein Damensolo ankündigte und – nachdem wir mit Manni die Regeln geklärt hatten – schlussendlich gewann.

      »Jetzt aber noch ein richtiges Spiel«, quengelte Jan. »Solo ist doof.«

      »Macht ihr nur.« Käthe lächelte. »Ich denk’ mir gerade was aus. Mal testen, wie viel ihr von Bier wisst. Vom Niederrhein.«

      Jan mischte eifrig. »Nur hier oder auch auf der Günnekant?«

      »Günnekant?« Manni runzelte die Stirn.

      Ich gab den Erklärbär: »Da, wo du herkommst. So sagen sie jedenfalls hier im Norden. Im Süden heißt es ›Schäl Sick‹. Düsseldorf, Duisburg, Wesel, Emmerich. Die andere Rheinseite halt.«

      »Du bist zuerst dran, Manni«, neckte Käthe. »Wenn du auf unsere Seite ziehen willst, »musst du erst zeigen, dass du dich auskennst.«

      »Schöne Idee«, pflichtete Ricky bei. »Und wenn jemand verliert, ist er noch mal dran. So lange, bis er eine richtige Antwort schafft.«

      »Gut. Dann spielt mal ruhig die Runde zu Ende. Ich lass mir noch was einfallen. Aber es wird nicht nur um Bier gehen. Alles mit Schluckfaktor.«

      Sie zückte ihr Smartphone, googelte, notierte etwas, googelte wieder.

      Wir spielten die Runde zu Ende. Nachdem wir das Solo gegen Ricky verloren hatten, gewann der erst ein Spiel mit mir, danach zweimal mit Jan, das letzte entschieden Jan und ich für uns. Obwohl ich es Ricky nicht gönnte, fühlte es sich am Ende okay an. Nur Manni guckte ein bisschen blöd aus der Wäsche.

      Käthe orderte eine Runde Alt. Schob ein Glas vor Manni. »Alles klar?«

      Der nickte. Wir lehnten uns zurück.

      »Wann erhielt Heinrich der Brauer das Recht, auf dem damaligen Kraushof Bier zu brauen, woraus die Privatbrauerei Bolten entstand?«

      Manni stöhnte. »Was für eine Frage! Woher soll ich das denn wissen?«

      »Ich


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