Mörderisches vom Niederrhein. Regina Schleheck

Mörderisches vom Niederrhein - Regina Schleheck


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      »Wie! Wieso das denn?«

      Käthe mischte sich ein. »Er hat’s uns gerade erzählt. Sie haben ihn an dem Morgen nach unserer Sauferei angehalten. Zu viel Restalkohol im Blut. Drei Monate Führerschein weg. Es war nicht das erste Mal.«

      »Oha!«, sagte ich. »Konnte ja keiner ahnen, dass du so wenig verträgst.«

      »Ich musste zur MPU«, sagte Manni.

      »Was ’n das? Kann man das essen?«

      »Demnächst machen wir mal so ein Quiz mit dir, Käthe«, sagte ich. »Dann geht es um die wirklich wichtigen Dinge. Medizinisch-Psychologische Untersuchung, Menno. Der Idiotentest.«

      »Und, bestanden?«, fragte Jan interessiert.

      »Ich hab den Lappen zurück. Und hab mich qualifiziert. ECO-Fahrsicherheitstraining.« Es klang stolz. »Da lernt man noch mal viel über Fahrphysik, Sicherheitstechnik, alle möglichen Bestimmungen und so. Ich darf jetzt die neueste Modellreihe fahren, die wir haben. Hab eurem Chef gerade nahegelegt, dass er euren Fuhrpark auf den aktuellen Stand bringt.«

      »Oh, da hat der sich bestimmt gefreut«, meinte ich. »Das will er dann sicher mit dir vertiefen bei dem Vorstellungsgespräch.«

      »Echt?«, fragte Ricky. »Du hast ein Vorstellungsgespräch bei unserem Chef?«

      Manni nickte.

      »Ich freue mich ja, wenn wir topmoderne Lieferfahrzeuge kriegen«, meinte Jan. »So mit Nasszelle und Sauna und 3-D-Kinoleinwand …«

      »Also bei Fernfahrern gibt es das ja teilweise schon«, meinte Manni. »Da kann der Fahrer sowieso die meiste Zeit chillen, der LKW regelt alles von allein. Ich meine, der Trend zu selbstfahrenden Autos ist ja nicht aufzuhalten.«

      »Ich spüre gerade irgendwie einen unaufhaltsamen Trend zu einer fetten Haxe«, meinte Jan. »Was meint ihr? Verlegen wir unseren Standort in Richtung ›Goldenes Handwerk‹?«

      Unterwegs schwärmte uns Manni weiter von seinem Lieferwagen vor. Mit Pilotassistent, Einparkassistent, Spurhalteassistent und allem möglichen Assi-Schrumms mehr.

      »Wenn der das meiste doch jetzt von selbst macht«, sagte ich, »dann dürfte das mit dem Alkohol am Steuer ja bald kein Problem mehr sein.«

      Da widersprach er heftig. Ich glaube ja, dem hatten sie bei dieser MPU gehörig das Gehirn gewaschen.

      Beim Essen wurde noch ein bisschen gefachsimpelt. Aber eigentlich waren alle gut drauf. Irgendwo denkt man ja schon manchmal selbst, dass es nicht immer so nett ist, wie man mit anderen umgeht. Also mit solchen. Also speziell mit Manni. Ja, es beschäftigt mich immer noch. Warum? Warum nerven einen Leute dermaßen, die doch einfach nur ein bisschen blöd sind. Und aufdringlich. So ein Typ Mensch, der sich an andere ranwanzt, obwohl die nur ihre Ruhe haben wollen. Der auf das Häuschen seiner Tante scharf ist … Wer hat schon eine Erbtante? Und kriegt trotzdem nichts gebacken im Leben. Versager durch und durch. Und ausgerechnet so jemandem schmeißen die alles nach. Jemand anderes mit einem Lieferjob wäre bei einem Fahrverbot sofort hochkant rausgeflogen. Und der? Kriegt die neue Modellreihe unter den Arsch. Okay, das mit dem unbezahlten Urlaub … ändert nichts am Armleuchter.

      Irgendwann fiel das Stichwort »Hexerei«. Vielleicht war es das, was das Ganze wieder – auf Neudeutsch – getriggert hat. »Überhaupt keine Hexerei dabei«, sagte Manni. »Nur Technik, alles Algorithmen.« So ein selbstfahrendes Auto wäre tausendmal rationaler als ein menschlicher Fahrer. Der wäre unaufmerksam, unbeherrscht, würde sich über- und Situationen falsch einschätzen …

      Ich bin mir sicher, diese Sprüche sind jedem von uns an die Nieren gegangen. Wir sind alle Eins-a-Fahrer. Beherrschen das Auto und kritische Situationen aus dem Effeff und haben, was früher mal »siebter Sinn« hieß. Man muss ein Gespür entwickeln im Verkehr. Ich wette, man könnte ein Auto von oben bis unten vollpumpen mit Chips, und das käme niemals an uns dran. Und das ist genauso wenig Hexerei. Das ist Erfahrung, Verstand, Kombinationsgabe und Instinkt. Wenn man sich besäuft, klar, dann schaltet man das aus. »Sich betrinken« heißt nicht umsonst »hexen« hierzulande.

      Ja, und Käthe hat das mit ihren Fragen immer weiter angeheizt. Ob das Auto das kann und das kann. Bis der Manni irgendwann sagte, er könne mit verbundenen Augen fahren. Sich voll auf seinen Assi verlassen. Er würde es uns beweisen. Ein Stückchen raus aus Korschenbroich, da an der L 382, dem Zubringer zur A 52, Richtung Düsseldorf, eine Strecke von vier Kilometern, also die Willicher und Korschenbroicher Straße. Wir könnten gerne in zwei Wagen vorneweg und hinterherfahren. Dann würde sein Assi – also der Abstandshalteassi – sich an dem vorausfahrenden Fahrzeug orientieren und automatisch das Tempo drosseln, was normalerweise durch den Tempomat so eingestellt wäre, wie es gerade erlaubt ist zu fahren, Landstraße halt 100 Stundenkilometer. Und der Fahrspurassi, der würde sich an den Seitenstreifen orientieren. Und er, Manni, säße mit verbundenen Augen in seinem Lieferwagen so sicher wie in Abrahams Schoß.

      Na ja, und das haben wir schließlich tatsächlich gemacht. Jan und Käthe in Jans Auto vorneweg. Dahinter der Manni mit seinem tollen Töfftöff. Als Schlusslicht ich mit meinem Büschen und Ricky. An dem Weinhaus hinter der Bahntrasse haben wir am Straßenrand angehalten und nach dem Manni geguckt. Der hat aus dem Verbandskasten das große Dreieckstuch geholt und sich hinterm Steuer damit die Augen verbunden. Der Jan hat geprüft, ob der Knoten sitzt, und schon ging’s los. Ganz brav im Konvoi. Bis zu der Stelle, etwa auf der Mitte der Strecke, wo die die Asphaltdecke gerade erneuert hatten. Da gab’s halt keine Fahrbahnmarkierung. Und genau dort ist der Jan einem Feldhasen ausgewichen, das war nur ein kurzer Schlenker, die Käthe kann es bezeugen. Na, und dann haben diese blöden Assis sich ihr Teil gedacht. Jedenfalls haben wir uns das später so erklärt. Also der eine, der den Abstand zu Jans Auto einhalten wollte, hat halt auch eingeschlagen. Und weil der Jan das Steuer gleich wieder rumgerissen hat, hat der Abstandsassi gedacht: Oh, cool, Strecke frei, ich brauch gar nicht mehr zu bremsen. Und hat das Tempo aufgedreht. Der Seitenstreifenassi hat sich gedacht: Wo ist denn der Seitenstreifen? Keiner da? Also fahr ich einfach mal geradeaus. Mit 100 Stundenkilometern. Der Laster ist also volle Pulle ins Feld gerast. Über die Böschung gehoppelt und dann war da der Fluitbach. Und weil das die letzten Tage so richtig fett geregnet hatte, war darin verdammt viel Wasser. Nachdem der LKW sich einmal überschlagen hat, ist der sozusagen mit der Nase im Wasser gelandet. Wir haben natürlich ein bisschen gebraucht, ehe wir aus den Autos raus und da hingerannt waren. Im Stockdunkeln. Aber die Käthe hat uns mit der Smartphone-Taschenlampe den Weg geleuchtet. Bis zu dem LKW, kopfüber im Bach. Das komplette Fahrerhaus unter Wasser. Wir haben noch versucht, da ranzukommen. Der Jan ist echt ins Wasser gestiegen, obwohl man doch rein gar nichts sehen konnte und den Wagen nur mit schwerem Gerät hätte bergen und öffnen können. Plötzlich hat die Käthe wie am Spieß geschrien, bis der Jan ihr einen tüchtigen Schwall Wasser ins Gesicht gespritzt hat. Wir anderen haben gar kein Wort rausgekriegt vor Schreck. Wir haben uns angeguckt und schließlich hat Ricky gesagt: »Scheiße. Was erzählen wir bloß der Polizei?«

      Dazu wussten wir schon gar nichts zu sagen.

      Bis der Jan gemeint hat: »Wieso Polizei? Von dem Unfall hat doch keiner was mitgekriegt. Und uns hat niemand gesehen. Und dem Manni ist eh nicht mehr zu helfen.«

      Und das haben wir eine Weile sacken lassen, haben uns umgeguckt, sind zu den Autos und weg.

      Seitdem denke ich darüber nach, dass der Manni an dem Tag die Tour über die andere Rheinseite gefahren war. Also die Günnekant runter bis Köln, danach über die A 1 und A 59 nach Grevenbroich und weiter hoch. Das heißt, er war die Strecke von Korschenbroich nach Düsseldorf an dem Tag nicht gefahren und konnte nicht wissen, dass sie die L 283 an der Stelle neu asphaltiert hatten. Wir anderen wussten es aber. Und als der Manni uns von dem Seitenspurassistenten erzählt und die Strecke vorgeschlagen hat, da hätten wir es ihm sagen können.

      Hat aber keiner.

      Warum wohl?

      Königswette

      Wir hatten gewettet. Wer von uns es weiter über den Rhein schaffte. Natürlich wusste ich, dass es saugefährlich war. Deswegen hatte ich ja gerade


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