Partnerschaft und Sexualität. Monika Röder
bedeutend höheren Zufriedenheit mit der Sexualität einherging (Borgmann et al., 2019).
Meistens wird Pornografie zur schnellen individuellen Befriedigung genutzt, indem der Mann beispielsweise abends am Computer Pornografie schaut und masturbiert, während die Frau ins Bett geht und ein Sex-Toy zur Selbstbefriedigung mitnimmt. Das Problem ist die Entkopplung der Lust vom Partner, die sich mit der Zeit einschleicht (Melzer, 2018). Wenn in paartherapeutischen Praxen über Lustlosigkeit geklagt wird, ist es folglich häufig so, dass es nicht grundsätzlich an sexueller Lust fehlt. Die Pornografie und der Einsatz von Sex-Toys stellen aber einfachere, selbstgesteuerte und unkomplizierte Arten der Befriedigung dar, die zunehmend bevorzugt werden.
Wenn sexuelle Funktionsstörungen wie erektile Schwächen auftreten, suchen – unserer Erfahrung nach – Männer eher das Einzelsetting auf. Geht es jedoch um den Libidoverlust des Mannes, unter dem die Beziehung leidet, so suchen sie gemeinsam mit ihrer Partnerin Unterstützung. Bei genauer Betrachtung handelt es sich meistens aber nicht um fehlende Libido, sondern um einen eingeschränkten Impuls, die erwünschte Sexualität mit der Partnerin zu initiieren. Für viele Frauen stellt dies eine Verletzung dar. Sie fühlen sich nicht mehr begehrt und vergleichen sich mit den idealisierten Internetvorbildern. Die betroffenen Männer sind oft durch Schuldgefühle belastet und leiden unter den Vorwürfen der Partnerin.
Von Pornosucht betroffene Männer, die in einer Beratung oder Therapie Hilfe suchen, sind großteils mit dem Internet aufgewachsen und haben oft über Jahre regelmäßig Pornografie konsumiert. Sie haben gelernt, unterschiedliche Gefühle und Bedürfnisse mithilfe von Masturbation in Verbindung mit Pornos zu bewältigen. Pornosucht gehört zu den Verhaltenssüchten, die in den vergangenen zwanzig Jahren kontinuierlich zugenommen haben (Melzer, 2018).
Die Debatte um die Auswirkungen regelmäßigen Pornografiekonsums wird breit und ideologisch geführt, jedoch gibt es nur wenig evidenzbasierte Forschungsergebnisse. Bereits 2009 bekamen Forscher um Simon Lajeunesse an der University of Montreal für eine Studie keine Kontrollgruppe zusammen, weil sie keine männlichen Collegestudenten fanden, die noch nie Pornografie konsumiert hatten (Smith, 2010). In den vergangenen Jahren wurden jedoch einige Forschungsergebnisse vorgelegt, welche auch neurobiologische Veränderungen durch nachhaltigen Pornografiekonsum nachweisen (Kühn & Gallinat, 2014).
Problematisch ist dabei insbesondere die Sucht nach Neuem, auch als Coolidge- Effekt bezeichnet. So nutzen Männer zur Masturbation kaum immer die gleichen Bilder, sondern verwenden jeweils immer wieder neues Material, was aufgrund einer Verstärkererosion die Vorlieben mit den Jahren oft extremer werden lässt. Das führt im Dopaminsystem aufgrund ständiger Überflutung zu einem Abstumpfen der Rezeptoren. Diese Desensibilisierung hat den weiteren Nebeneffekt, dass auch Glücksgefühle bei anderen Aktivitäten abstumpfen können. Das Suchtpotenzial generiert sich also aus dem unstillbaren Antrieb nach neuen Kicks mit neuen Bildern. Enge Erregungsmuster und gezielter, hoher Druck bei der Masturbation werden klassisch konditioniert. Masturbation ohne Bilder und die partnerschaftliche Sexualität werden dagegen bald als langweilig empfunden. Der partnerschaftliche Geschlechtsverkehr bietet nicht mehr die nötige Stimulation.
In der Einzel- oder Paartherapie geht es dann je nach Auftrag und Situation um die Genese des Problems in der sexuellen Biografie, um Aspekte der sexuellen Konditionierung und letztlich um die Entwicklung neuer sinnlich-emotionaler Ausdrucks- und Erlebnismöglichkeiten.
3.3 Sexuelle Lustlosigkeit – weit verbreitet
Jahrzehntelang standen sexuelle Funktionsstörungen wie Impotenz oder Vaginismus im Fokus der Sexualforschung und auch der Sexualtherapie. Die Forschung hatte vor allem die Pharmakotherapie der erektilen Dysfunktion mit PDE-5-Hemmern wie Viagra im Visier und in Therapie und Beratung ging es vor allem um eine Behandlung von Symptomen.
Seit einigen Jahren rückt nun aber das sexuelle Erleben stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Körperliche Symptome werden als Hinweis betrachtet, dass eine Unstimmigkeit im Erleben vorliegt. So kann z. B. eine Erektionsstörung oder ein Vaginismus einen Selbstschutz darstellen, wenn die gelebte Sexualität als nicht-stimmig für die eigene Person erlebt wird. Über das Symptom findet der Körper die Möglichkeit, etwas zu zeigen, das sprachlich (noch) nicht ausgedrückt werden kann.
Das große Thema unserer Zeit ist die sexuelle Lustlosigkeit, die ebenfalls Ausdruck von Nicht-Stimmigkeit der gelebten Sexualität sein kann. Fehlendes sexuelles Begehren1 und sexuelle Unlustwerden in der Paartherapie häufig angesprochen: 17 % der Männer und 41 % der Frauen, also einer von sieben Männern und eine von drei Frauen, bezeichnen sich als sexuell lustlos (Mercer et al., 2003). Bei Männern wird angenommen, dass die tatsächliche Zahl höher liegt. Denn auch wenn sie unter sexueller Lustlosigkeit leiden, wagen sie dies häufig nicht zuzugeben, da es dem gesellschaftlich erwarteten Männerbild widerspricht.
Bei den Frauen empfindet nur ein kleiner Teil Leidensdruck (Clement & Eck, 2013). Wenn es um sie allein ginge, bestünde kein Anlass zur Veränderung. Oft realisieren sie jedoch, dass ihr fehlendes Begehren eine Gefahr für die Partnerschaft darstellt, da Unzufriedenheit mit der Sexualität bei Männern häufig Trennungsgedanken auslöst (
Oft beginnt die Abnahme des sexuellen Begehrens durch körperliche oder individualpsychologische Faktoren wie Ängste, Sorgen, Erschöpfung, Depressionen oder einem schwachen Selbstwertgefühl. Sich selbst als nicht attraktiv zu erleben oder den eigenen Körper nicht zu akzeptieren ist ein verbreitetes Problem vieler Frauen. Ein negatives Körperbild schränkt ihr sexuelles Interesse und den sexuellen Genuss ein (Schönbucher, 2007).
Lust und Scham bei Frauen werden stärker als bei Männern durch Selbstaufmerksamkeit und ein negatives Bild des eigenen Körpers bestimmt (Meana & Nunnink, 2006). Seit einigen Jahren zeigt sich allerdings auch bei Männern häufiger eine Störung des Selbstbildes, Adonis-Komplex genannt.
Erwartungs- und Leistungsängste sind dagegen vor allem ein männliches Thema: Viele Männer verknüpfen die Erektions- und Ejakulationsfähigkeit sowie einen starken Sexualtrieb mit Männlichkeit (Mc Carthy & Mc Carthy, 2013). Entsprechen ihre Funktionen diesen Vorstellungen nicht, werden oftmals Schuld- und Schamgefühle ausgelöst. Der Anspruch, immer bereit sein zu müssen, die Partnerin zum Orgasmus bringen oder selbst kommen zu müssen, behindern Lust und Erregung.
Aber auch bei Frauen hemmt Leistungsdruck die Erregung. Durch die fehlende Lubrikation – dem Feuchtwerden der Vagina – kann der Geschlechtsverkehr unangenehm bis schmerzhaft werden, was die Lust auf weitere sexuelle Begegnungen noch weiter mindert. Ebenso wirkt sich eine hohe körperliche Spannung beim Sex negativ auf den Genuss aus (Bischof, 2016).
Ein weiteres Problem für viele Frauen und Männer sind negative sexuelle Erfahrungen. Insbesondere Erlebnisse sexueller Gewalt, werden häufig traumatisch verarbeitet. Doch auch frühe Erfahrungen wie das Abwerten von Masturbation und Sexualität können Gefühle der Demütigung, Scham- oder Schuldgefühle auslösen, das Selbstbild prägen und ein negatives Bild von Sexualität hinterlassen.
Ein heutzutage sehr verbreiteter »Lustkiller« ist Alltagstress: Vor allem Frauen haben weniger Lust auf Sex, wenn sie gestresst sind (Bodenmann et al., 2010; Bodenmann, Ledermann & Bradbury, 2007). Für viele Männer ist Sex dagegen ein Ventil für Stress und Spannungen; sie haben bei Stress mehr Lust.
Auch häufig sind beziehungsdynamische Faktoren: Ungelöste Partnerschaftskonflikte, eine nicht verarbeitete Nebenbeziehung, negative Gefühle dem Partner gegenüber. Aber auch Kommunikationsprobleme bei sexuellen Themen und Schwierigkeiten mit unterschiedlichen sexuellen Wünschen umzugehen können dazu führen, sich vor dem anderen zu verschließen, und dadurch die sexuelle Lust stören.
Verschiedene Autoren betonen, dass Druck durch den begehrensstärkeren Partner eine der Hauptursachen für die Abnahme des sexuellen Begehrens des Begehrensschwächeren ist (Schnarch, 2019; Mc Carthy & Mc Carthy, 2013). Ausgangssituation ist meistens, dass der begehrensschwächere Partner