Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung. Franz Harrer
in welcher die an der Pest Verstorbenen ruhten, ein Wohnhaus und einen Kalkofen; bei Erdaushuben kamen Gebeine jener Toten zum Vorschein. Als man noch einen Wagenschuppen erbaute, stand das Steinkreuz im Wege; es wurde an die hinten aufragende Felswand gestellt. Dort blieb es viele Jahre stehen. Es wurde von Unkraut und Schlingpflanzen so überwuchert, dass man es nicht mehr sehen konnte und es so den Blicken der Vorübergehenden entzogen blieb.
Da erbarmte sich im Jahre 1952 der Pfarrer der Kirche St. Anna, Herr Geistlicher Rat J. Lugmayr, des alten barocken Steinkreuzes. Er nahm einen starken Karren und mit tatkräftiger Hilfe Jugendlicher wurde das schwere Kreuz von seinem wüsten Standplatz genommen, mit harten Kräften auf den Karren geladen und zur Annakirche gefahren, wo es mitten in der schönen Blumenanlage an der mit Efeu grün übersponnenen, hohen Straßenwand aufgestellt wurde. Nun hat das schwere Steinkreuz aus dem Pestjahr 1786 endlich den passenden Platz gefunden, zur Freude derer, die der Bitte, so in der Inschrift steht, nachkommen wollen.
Der Goldschatz im Teufelsbach
Unwillkürlich wendet der Fremde, der zum Leitnerberg in Steyr kommt, seinen Blick gegen die waldbewachsene Schlucht, die sich vor ihm auftut und betrachtet verwundert den mächtigen Wasserfall, den der Teufelsbach zur Zeit der Schneeschmelze im Frühling oder zu anderen Zeiten hoch droben unter der Brücke über ein Felsenlabyrinth wild schäumend mit Getöse in die Tiefe sendet. Dieser eigenartige Wasserfall, der in ein breites Becken stürzt, und der Abfluss des Wassers durch den engen grünen Waldgraben bietet dem Beschauer ein großartiges Naturspiel dar. Hoch oben steht das türmleingeschmückte, mauerumfangene und anmutige Schlösschen Engelseck, das einst Teufelseck hieß, weil man ihm, gleich dem Bache, den Namen des Teufels gegeben hat. Dem damaligen Besitzer Josef Achtmark von Achtmarkstein, Bürgermeister von Steyr, gefiel der Name des Schlösschens nicht; er suchte 1642 bei Kaiser Ferdinand III. um Änderung des Namens in Engelseck an, was ihm laut Urkunde auch gestattet wurde. An dem zu verschiedenen Zeiten so wilden Teufelsbach, dem der Name bis heute geblieben ist, knüpft sich, wie die Sage zu erzählen weiß, folgende tragische Begebenheit:
Als der klein gewachsene, aber geniale kriegerische Unruhestifter Napoleon Bonaparte 1809 mit seiner Armee in Österreich einfiel, kam Marschall Lanner mit einer Schar Franzosen nach Steyr, wo er sich im Gasthof »Zum Schiff« einquartierte. Die Franzosen strolchten in der Umgebung herum, raubten und plünderten, wo es etwas zu rauben und zu plündern gab.
So kam eine große Anzahl von Franzosen in der Gegend um Christkindl in ein Bauernhaus, das sie ausplünderten. Als sie abzogen, blieb einer zurück, der noch habgieriger war als die anderen und von dem alten Bauern, der alleine zu Hause war, noch etwas zu erpressen hoffte und Geld verlangte. Er setzte dem Bauern das Gewehr an die Brust und sagte drohend in gebrochenem Deutsch: »Ik schießen!« Der Bauer in seiner Angst, der Kerl werde wirklich schießen, wenn er ihm das Verlangte nicht gäbe, zog aus dem Backofen einen Beutel, angefüllt mit Dukaten und gab ihm diesen. Der Soldat machte den Beutel auf und sah hinein; mit freudestrahlendem Gesicht band er den Beutel zu, steckte ihn ein und entfernte sich in Richtung des Teufelsbach-Wasserfalles. Nach einer Weile kamen die zwei Söhne des Bauern, die auf dem Felde gearbeitet hatten, nach Hause und der Vater erzählte ihnen, was inzwischen vorgefallen war. »Dem müssen wir nach«, riefen sie »und ihm den Beutel abnehmen; Vater, kommt, ihr kennt ihn!« Jeder der beiden holte sich aus der Werkzeugkammer eine Axt, sie verließen das Haus und eilten dem Soldaten nach, den sie bald erspäht hatten und ihm nachzukommen trachteten. Dort, wo zwischen zwei hohen Bäumen, an dem Gemäuer des Schlosses Engelseck, die steinerne Figur des hl. Nepomuk stand, holten die drei den Soldaten ein. Unter der Brücke stürzte der Wasserfall in die tiefe, dämmerige Waldschlucht. Sofort fielen sie wütend über den Franzosen her und es begann ein fürchterliches Ringen. Der Soldat wehrte sich zwar verzweifelt, doch die zwei kräftigen Burschen warfen ihn zu Boden und hielten ihn fest. Der Bauer begann in der Uniform des Soldaten den Goldbeutel zu suchen. »Ich hab’ ihn schon!« rief der Bauer und hielt den Beutel hoch. Als der Franzose sah, dass sein teurer Raub verloren war, warf er mit Riesenstärke die zwei Burschen von sich ab, entriss dem Bauern den Beutel und warf diesen in weitem Bogen in die Wasserschlucht. Einen Augenblick standen die drei Bauern wie erstarrt da und schauten in die Schlucht. Diesen Augenblick benutzte der Franzose und griff nach dem Gewehr, das ihm im Kampf mit den Bauern entfallen war. Doch diese drehten sich blitzschnell um, und von Rachlust ergriffen, schlugen sie voll Wut mit den Hacken auf ihn los, dass er blutüberströmt tot zur Erde fiel.
Nun rannten sie hinunter in die Wasserschlucht, wo das Wasser entlang dem Waldgraben in die Steyr fließt. Sie suchten das Wasser nach dem Beutel mit den Goldstücken eifrig ab, doch sie fanden ihn nicht. Der Teufelsbach gab den Goldschatz nicht wieder heraus.
Diese Bluttat kam dem Kommando der Franzosen zu Ohren, die drei Bauern wurden verhaftet, vor ein Kriegsgericht gestellt, zum Tode verurteilt und in der Burg zu Steyr kurzerhand erschossen. Der Goldschatz im Teufelsbach ist bis heute nicht gefunden worden. Wer die blinkenden Golddukaten haben will, mag sie in dem Wassergraben suchen und sie, wenn der Wassergeist, der dort der Sage nach sein Wesen treiben soll, ihm günstig gesinnt ist, auffinden.
Der Schmied beim Föhrenschacherl
In längst vergangener Zeit stand außerhalb von Steyr, auf dem sogenannten Steinfeld, dort, wo sich heute die Siedlung Gründberg ausbreitet, ein großer Föhrenwald, der sich vom Hange des Dachsberges bis zur Steyr hinzog. Im Laufe der Zeit schlug man diesen Wald nieder und ließ nur eine größere Föhrengruppe stehen, die man allgemein das »Föhrenschacherl« nannte. Bei diesem Schacherl stand einst das Hochgericht der Stadt Steyr mit seinem aus Eichenholz gezimmerten, hoch aufragenden dreieckigen Galgen, an dem der zum Tode Verurteilte durch Henkershand sein Leben lassen musste. Noch heute steht zum Gedenken daran rechts der Straße auf einem kleinen Hügel eine kunstvoll gemeißelte gotische Steinsäule, bei welcher der arme Sünder sein letztes Gebet sprach, sofern er dazu noch imstande war. Diese Örtlichkeit war den Leuten stets unheimlich; des Nachts wollte niemand gern daran vorübergehen.
Vor langer Zeit stand an der von Fuhrleuten sehr belebten Straße, die nach Sierning zieht, nahe dem Föhrenschacherl eine Schmiede. Der Schmied, ein Riesenkerl mit Bärenkräften war in seinem Fache geschickt und fleißig, beschlug den Fuhrleuten die Pferde, kurierte den Bauern das kranke Vieh, baderte nicht ohne Erfolg auch an Menschen herum. Aber wenn es nicht unbedingt notwendig war, gingen die Leute nicht gerne zu ihm; denn der Schmied war ein rüpelhafter, saukotzengrober Geselle. Er war auch ein Wilderer schlimmster Sorte, der sich den Jägern zu entziehen wusste und den sie nie erwischen konnten. Und so kam er in den Ruf, Besitzer einer geheimnisvollen Macht zu sein. Er trieb es arg, prügelte sein Weib und stritt sich mit den Kunden und Anrainern, aber nicht mit Worten allein, sondern auch sehr ausgiebig mit seinen Fäusten, so dass ihm nicht selten einer ins Gesicht schrie: »Dich soll doch einmal der Teufel holen, du Wildling!«
Dem Höllenfürsten, der alles weiß, wie es auf der Welt zugeht, schien es auch, dass der Schmied schon wirklich reif für die Hölle sei. Er rief die Teufel zusammen und fragte: »Welcher von euch holt mir den Schmied vom Föhrenschacherl herunter in die Hölle?« Gleich meldete sich einer dieser Höllenbrüder und meinte, den werde er gleich einliefern. »Na gut«, sagte der Höllenfürst, »aber vorsichtig sein; denn dieser ist kein gewöhnlicher Schmied, sondern ein Ränkeschmied!« Das werde er schon machen, meinte der Teufel leichthin.
Eines Tages trat der Teufel als Jäger in die Schmiede, in welcher der Schmied lustig auf ein glühendes Stück Eisen hämmerte. »Na, Schmied, deine Zeit ist abgelaufen, du musst mit mir; leg deinen Hammer weg, mach rasch, ich habe keine Zeit zu verlieren!« Solchen Ton war der Schmied schon gar nicht gewohnt; er sah sich den Jäger genau und misstrauisch von oben bis unten an und bemerkte, dass er eine »Goashaxn« hat. Aha, dachte der Schmied, ist es um die Zeit. Wenn der Schmied schon vor niemandem Angst hatte, aber mit dem Teufel ist nicht zu spaßen. Und so verlegte er sich aufs Bitten und das konnte er, wenn er wollte und es ihm nützlich schien. Er solle ihm doch noch eine Zeit lassen, er habe noch viel zu tun. Dann gehe er mit.
»Gut«, sagte der Teufel, »ein Jahr sollst du noch