Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung. Franz Harrer

Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung - Franz Harrer


Скачать книгу
in Stein anfertigen und dort anbringen, wo es sich heute noch befindet. Einst, wie gesagt wird, ist das Haus Enge Gasse 5 ein Eckhaus gewesen und war sicher so eingerichtet, dass man diesen Kopf von der Gasse aus recht schön hat sehen können. Die Leute werden über dieses Monstrum, das es für eine Spottfigur ansahen, gelacht haben. Und der Burgherr, wenn er durch eines der Stadttore geritten kam, wird es auch gesehen und sich geärgert haben, wenn er durch das untere Burgtor den Berg hinaufritt zur Burg. Und das war eben der Zweck des Kopfes mit dem nicht gerade schönen Angesicht. So das sagenhafte Geschichtlein.

      Im Gegensatz dazu wird der besagte steinerne und etwas komische Kopf, der da in der Mauer steckt, von anderen als der Kopf eines Hofnarren oder als der eines schauspielerischen Komikers bezeichnet. Oder sollte der Kopf den einstigen Besitzer des Hauses Michael Aidn darstellen? Wer weiß es? – Vielleicht? – Michael Aidn, ein reicher protestantischer Handelsherr, der von 1585 bis 1586 Stadtrichter und von 1595 bis 1597 Bürgermeister der Stadt Steyr war, baute sich das schöne Aichetschlössl und kaufte sich in Steyr mehrere Häuser, unter anderen auch das Haus Enge Gasse 5, und zwar im Jahre 1567. Er verkaufte es vier Jahre vor seinem Tode, im Jahre 1596, an einen anderen Bürger der Stadt. Ob Aidn das Haus barockisieren ließ und ob der seltsame Kopf schon damals in der Mauer stak, ist nicht bekannt, aber es wäre möglich.

      Bevor das Haus Enge Gasse 5 in bürgerliche Hände kam, soll das Haus zur Burg gehört haben. Es soll vor langer Zeit das Absteigequartier für fahrende Sänger, Spielleute, Schauspieler, Puppenspieler, Gaukler, Possenreißer usw. gewesen sein, die, merkwürdig gekleidet, ihre Lieder zur Fiedel, Laute, Harfe, Quer- und Rohrpfeife sangen, Musik- und allerlei Kunststücke sowohl in der Burg als auch in der Stadt vortrugen. Obwohl diese Art von Leuten damals als »ehrlos« galt, wurde sie doch von den Steyrern in der Burg und in der Stadt mit Freuden empfangen und ihre Vorträge und Kunststücke verschiedenster Art gerne gehört und gesehen; brachten sie doch Abwechslung in das eintönige Leben des Alltags. Und so mag vielleicht der besagte merkwürdige Kopf in dem genannten Haus am Fuße der Burg und innerhalb der Tore der Stadt eine Art Schild für die in Steyr ankommenden Leute dieser Art gewesen sein.

      Von dem sonderbaren steinernen Kopf wird auch gesagt, dass er den Kopf des Bauernführers im Bauernkrieg des Jahres 1626, Stefan Fadinger, darstellen soll. Dieser war am 31. Mai des genannten Jahres mit 40.000 Bauern von Kremsmünster nach Steyr gekommen. Er hielt sich bis zum 5. Juni in Steyr auf und führte neben dem damaligen Stadtrichter Wolfgang Madlseder bei einer Ratssitzung in Steyr den Vorsitz. Zum Gedenken und zur Erinnerung an diesen berühmten Zeitgenossen soll sein steinernes Abbild als Kopf mit Halskrause und hoher Mütze im Haus Enge Gasse 5 angebracht worden sein. – Das klingt zwar unwahrscheinlich, wird aber erzählt.

      Und so ist auch das Haus Enge Gasse 5 mit seinem seltsamen steinernen Kopf in das Gespinst der Sage verwoben.

       Die Kapuzinerkirche in Steyr

      Auf der Hochfläche links der Leopold-Werndl-Straße, dort, wo die sogenannte Werndl-Villa steht, stand von 1620 bis 1786 die Kapuzinerkirche. Die heutige Werndl-Villa, im Laufe von rund 180 Jahren etwas umgestaltet, war das Klostergebäude der Patres Kapuziner. Die Kirche, im Jahre 1786 abgebrochen, stand vor dem Gebäude der jetzigen Werndl-Villa. Zum Großteil stehen noch die Mauern, mit denen Kirche, Kloster und Garten umschlossen waren. Von den Patres Kapuzinern, ihrer Kirche und ihrem Kloster erzählen Geschichte und Legende manche interessante Begebenheiten.

      Schon viele Jahre vor 1600 und im ersten Viertel Jahrhundert nach diesem Zeitpunkt war der größte Teil der Bevölkerung protestantisch geworden. Wie Jakob Zetl, der Steyrer Färbermeister und katholische Ratsherr in seiner Steyrischen Chronik schreibt, sollen um diese Zeit nur noch achtzehn Bürgerfamilien in Steyr katholisch gewesen sein. Alle Kirchen der Stadt waren in den Händen der Protestanten. Michael Aidn, ein reicher Handelsherr und vielfacher Hausbesitzer, von 1585 bis 1586 Stadtrichter und von 1595 bis 1597 Bürgermeister und ein eifriger Protestant, war Verwalter der Stadtpfarrkirche in Steyr.

      Seit 1605 gab sich der Abt Johann Wilhelm I. von Garsten viele Mühe, von dem Magistrat Steyr wenigstens die Bruderhauskirche und die Spitalkirche für die katholische Bevölkerung zu erhalten. Es gelang ihm nicht. Wollten die Katholiken in der Pfarrkirche Gottesdienst halten, so hing das immer von dem guten Willen des Magistrates ab, der fast zur Gänze aus Protestanten bestand. Als der Burggraf Georg Freiherr von Stubenberg, der ein Protestant war, von seinem Posten schied, erhielt Georg Siegmund von Lamberg, des Kaisers Mathias I. geheimer Rat und der Kaiserin Annas Obersthofmeister, das Steyrer Burggrafenamt. Dieser war Katholik, ließ 1616 die Burgkapelle neu herrichten und stellte sie den Katholiken für ihre gottesdienstlichen Handlungen zur Verfügung.

      Als Abt Wilhelm 1614 gestorben war, wählten die Garstner 1615 den Benediktiner-Mönch von Melk Abt Anton II. (Spindler von Hofegg). Der war energisch, gewandt, vertraut mit den schwierigsten Geschäften, weise und beredsam; er machte den protestantischen Herren das Leben ein wenig sauer. Er verlangte vom Magistrate energisch die Schlüssel zur Bruderhauskirche und zur Spitalkirche, die ihm auch ausgefolgt wurden. Er fragte nicht lange und richtete beide Kirchen zum Gebrauch des Gottesdienstes ein. Außerdem betrieb er mit Eifer die Errichtung eines Kapuzinerklosters und einer Kirche in Steyr.

      Schon am 1. Oktober erschien aus Prag ein kaiserlicher Befehl an den Landeshauptmann Wolf Wilhelm von Volkersdorf, nach welchen den Kapuzinern erlaubt wurde, in Steyr ein Kloster und eine Kirche zu erbauen, mit der Beifügung, die Erbauung derselben nicht zu hindern, sondern zu fördern. Der Landeshauptmann erließ am 16. Jänner 1616 einen Befehl an die Stadt Steyr, demgemäß zu handeln, wogegen sie aber Vorstellungen machte, den Bau aber nicht hindern konnte. Auch die Kaiserin Anna schrieb an den Magistrat, den Kapuzinern bei dem Bau mit Materialien an die Hand zu gehen. Sie schickte selber 4000 Gulden, auch der Burggraf Freiherr von Lamberg und der Abt von Garsten gaben reichlich Beiträge.

      Zuerst waren zwei Kapuziner angekommen, denen der Burggraf das Gartenhaus im Hofgarten, dem jetzigen Schlosspark, zur Wohnung einräumte. Nach und nach kamen mehrere, die im Kirnerischen Hause in Pyrach, in der Nähe des Ketzerfreithofes, wohnten. Der Bau des Klostergebäudes, 1615 begonnen, wuchs schnell empor und war 1617 vollendet. Die Grundsteinlegung der Kirche wurde festlich begangen; es donnerten die Kanonen. Außer anderen hohen Persönlichkeiten wurde auch der Magistrat eingeladen, der aber aus begreiflichen Gründen nicht erschien. Der Färbermeister Zetl meinte spottend: »Vermutlich hat ihnen vielleicht die Luft nicht getaugt.«

      Als man zum Bau der Kirche den Sand gegenüber dem Pfarrmayrhöfl ausgrub, kamen die Arbeiter auf einen großen Haufen Totengebeine, von denen zur Nachtzeit etliche Karren voll durch den Hundsgraben zur Enns gefahren und dort hineingeworfen wurden. Es waren die Gebeine von Erwachsenen und Kindern jeden Alters. Die Leute ergingen sich in Vermutungen, aus welcher Zeit diese Gebeine wohl stammen könnten. Die einen meinten, sie könnten von Gefallenen eines Krieges sein, während andere meinten, es könnten die Gebeine der zum Tode verurteilten Waldenser oder Wiedertäufer sein. Jakob Zetl aber schreibt in seiner »Steyr’schen Chronik«, dass man in den Krieg Kinder nicht mitzunehmen pflegte und die Wiedertäufer seien »mit Haut und Haar zu Aschen verbrandt und kain Bein übrig geblieben.« Eher glaubte er »dass in Infektions-Zeiten ain Hauffen verstorbener an dissem Orth zusamben in ein Gruaben geworfen worden, deren gebein disse gewesen.« Und lakonisch in seiner damals üblichen, mitunter recht unverständlichen Schreibweise: »Wer Ess aber nicht glauben will, kan am Jüngsten Tag in der Allgemeinen Aufferstehung weither nachfragen und die wahre Uhrkundt (Urkunde) einhollen.« Im Jahre 1620 stand auch der Bau der Kirche fertig da. Sie wurde der hl. Büßerin Magdalena geweiht. Vor der Kirche wurde das hohe hölzerne Ordenskreuz aufgestellt, Kloster und Kirche von einer Mauer umfangen.

      Die Kapuziner waren ein Zweig der Franziskaner und hatten den Namen von ihrer Kopfbedeckung, der Kapuze. Sie spielten in den damals recht unruhigen Zeiten im kirchlichen Steyr eine nicht unbedeutende Rolle. Sie wurden sozusagen als Missionäre nach Steyr berufen. Ihre nicht gar große Kirche war eine Zeit lang Mittelpunkt des katholischen Lebens in dieser von religiösen Wirren schwer heimgesuchten Stadt.

      Am Karfreitag des Jahres 1621 ging zum ersten Male eine Bußprozession von der Kirche der Kapuziner aus. Sie nahm ihren Weg durch den Hundsgraben, zog durch das


Скачать книгу