Du bist gut so, wie du bist!. Dr. Catherine Senécal
es nicht schaffen, das Problem zu bewältigen, und wir uns auch als Gesellschaft nicht aufraffen, den sozialen Druck, der vom Schlankheitsideal ausgeht, abzuschütteln. Diäten zur Gewichtsreduktion sind nach wie vor in Mode, und exzessives Training ist sozial hoch angesehen. Wenn uns die Gefahren, die von Essstörungen bei jungen Menschen ausgehen, wirklich bewusst sind, ist es da nicht widersprüchlich, ihnen weiter kollektiv vorzuleben, welch hohen Wert das Schlanksein und die damit verbundenen gefährlichen Methoden haben?
2. Es schaffen, die vielbeschäftigten Eltern zu erreichen!
Mehrere Studien thematisieren die Schwierigkeiten in Bezug auf das Engagement der Eltern bei den Präventivprogrammen im schulischen Umfeld. Das Leben der Eltern rast mit Lichtgeschwindigkeit, weshalb es durchaus verständlich ist, dass ein zusätzliches Engagement bei einem Präventivprogramm den übervollen Zeitplan vieler Eltern einfach sprengt. Die Möglichkeit, aus der Distanz auf Vorbeugemaßnahmen zuzugreifen, sei es mithilfe eines Buches, eines Videos oder einer Internetseite, eröffnet deshalb viel mehr und potenziell viel wirksamere Möglichkeiten, tätig zu werden. Auch das umfassendste Programm zur Vorbeugung bringt ja nichts, wenn es keinem Elternteil gelingt, da zu sein, um daraus einen Nutzen zu ziehen!
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Diese Erkenntnisse haben mich zusätzlich ermutigt, dieses Buch zu schreiben, um vielbeschäftigten Eltern und Erwachsenen, die im schulischen und außerschulischen Sektor tätig sind, einen Ratgeber an die Hand zu geben, der leicht verständlich ist. Sie können damit an der Wahrnehmung des Körperbildes und den damit verbundenen Überzeugungen arbeiten und so unser aller Beziehung zu Ernährung und Gewicht überdenken. Das Vorgehen ist flexibel gestaltbar und richtet sich nach den Bedürfnissen des Einzelnen. Vorbeugen und sofortiges Einschreiten bei den ersten Anzeichen einer Veränderung der Essgewohnheiten oder des Körperbildes sind immer noch die besten Mittel, um diese Problematik im Leben einer Familie nicht übermächtig werden zu lassen!
Kapitel 2
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Prinzessin und Superheld: Geschlechterklischees bei kleinen Kindern
Standen Sie bereits einmal vor dem Kleiderschrank Ihrer Tochter, völlig perplex angesichts dieses Ozeans aus rosa Anziehsachen? Oder ist Ihnen beim Aussortieren der Spielsachen Ihres Sohnes verblüfft aufgefallen, dass er nur Laster und Superheldenfiguren besitzt?
Geschlechterklischees sind so tief in unseren Bräuchen, unserer Denkweise, unserer Einstellung und unseren Kaufentscheidungen verankert, dass wir dazu neigen, sie zu vergessen oder nicht zu ermessen, welchen Einfluss sie auf unseren Erziehungsstil haben. Als Gesellschaft müssen wir jetzt unsere stereotypisierten Erwartungen an die Geschlechter überdenken, wenn wir dem Aufkommen von Essstörungen und Problemen vorbeugen wollen, die durch ein negatives Körperbild entstehen. Und das fängt im Kleinkindalter an.
Der Zusammenhang zwischen der Entstehung von Essstörungen und dem Einfluss der Massenmedien ist deutlich herausgestellt worden.16 Extrem schlanke Models propagieren das einzig gültige Schönheitsideal, und wenn Jugendlichen diese Models immer vorgeführt werden, steigt das Risiko, dass sie mit dem eigenen Körperbild unzufrieden sind.17 Bei Kindern wäre es, vor allem im Vorschulalter, interessant zu erforschen, welche Darstellungen es sind, die den angeblich »perfekten« Körper würdigen.
Spielsachen … nicht immer harmlos
Von klein auf verinnerlichen Kinder sowohl die Erwartungen, welche die Gesellschaft an Jungen und Mädchen hat, als auch die Bedeutung, dem Körperbild zu entsprechen, das vom Umfeld favorisiert wird. Diese Erwartungen werden unter anderem durch die Spielsachen vermittelt, mit denen wir unsere Kinder spielen lassen.
Im Rahmen einer englischen Studie18 wurden 162 Mädchen im Alter von fünf bis acht Jahren einige Minuten lang mit dem Bild einer Barbie® konfrontiert, und zwar im Rahmen einer Geschichte, in der sie Kleider einkaufen geht. Nach dieser Konfrontation hatten die Mädchen eine negativere Wahrnehmung ihres Körpers und wollten schlanker sein. Bei den Jüngsten der Gruppe, den Fünf- bis Sechsjährigen, führte die Konfrontation mit dem Bild der Barbie® dazu, einen schlankeren Körper zu idealisieren, was zu einem negativen Einfluss auf das Körperbild führen könnte. Dieses Phänomen wurde nicht bei der Gruppe Mädchen beobachtet, welche die gleiche Geschichte hörten, aber mit einer rundlicheren Puppe (der Puppe Emme), und auch nicht bei der Kontrollgruppe, der ein neutrales Bild gezeigt wurde.
Es ist leicht zu verstehen, warum die Barbie®-Puppe diesen Effekt auf junge Mädchen hat. Würde man ihre Maße auf einen echten Menschen übertragen, wäre dieser ungefähr 175 Zentimeter groß und 50 Kilogramm schwer. Das entspricht einem BMI von 16,2. Zur Orientierung sei gesagt, dass bei einer Person die Diagnose Magersucht gestellt werden kann, wenn der BMI 17,5 beträgt, und wenn die anderen Diagnosekriterien ebenfalls erfüllt sind.
Eine andere Studie19 mit fünf- bis siebenjährigen Mädchen weißer Hautfarbe in Pennsylvania in den Vereinigten Staaten hat einen Zusammenhang zwischen dem Gewicht und dem Selbstbild aufgezeigt. Das Selbstbild ist global und umschließt sowohl die Selbstachtung als auch die Zufriedenheit mit dem Aussehen und den verschiedenen Aspekten des Selbst (den körperlichen, sozialen und geistigen Aspekt). Nun hat sich herausgestellt, dass übergewichtige Mädchen ein negativeres Selbstbild hatten. Diese Studie erinnert uns daran, wie schwer es für ein Kind ist, übergewichtig zu sein und trotzdem eine positive Sicht auf sich zu haben.
Um körperliche Unterschiede aufzuzeigen, wurde in den USA und dann auch in Kanada die Gliederpuppe Lammily® auf den Markt gebracht. Dieses Modell hat realistischere Körperformen. Lammily® wurde nach den typischen Körperformen einer jungen, weißhäutigen Frau von 19 Jahren entworfen. Diese Puppe entspricht zwar nicht dem Durchschnitt der erwachsenen Frauen, ist aber immerhin eine erste Veränderung!
Barbie® und Lammily®
Allgemein wird immer noch davon ausgegangen, Jungen seien nicht anfällig für den sozialen Druck in Bezug auf das körperliche Erscheinungsbild. Dabei hat eine US-amerikanische Studie20 mit 287 überwiegend weißhäutigen Jungen von elf bis 15 Jahren die verschiedenen Elemente aufgezeigt, die den Wunsch nach einem muskulären Körper beeinflussen. Die in den Medien verbreiteten Bilder von Männlichkeit wurden als entscheidende Elemente identifiziert, um das Körperbild der Jungen beeinflussen zu können. Das bedeutet, dass nicht die Jungen das größte Risiko haben, die kleiner als der Altersdurchschnitt sind, sondern vielmehr die, welche typisch männlichen Körpermerkmalen und dem sozialen Vergleich den Vorrang geben oder die von den Medien beeinflusst werden. Folglich würden Jungen dem Risiko ausgesetzt, unzufrieden mit dem eigenen Körper zu sein, wenn man sie den Darstellungen muskulöser Männerkörper in den Medien und anderen vergleichbaren Bildern aussetzt.
Damit sind auch Jungen nicht sicher vor unrealistischen Darstellungen erwachsener Männerkörper. Auch für sie beginnt die Gefahr früh mit typisch männlichen Spielfiguren wie Superhelden. Diese Idole wurden im Laufe der Zeit mit immer mehr Muskeln ausgestattet,21 und das könnte auch auf Jungen Druck hinsichtlich der idealen Körpermaße ausüben.
Klassischer Batman® und aktueller Batman®
Neben den Körperformen sollte man bei Puppen und Spielfiguren auch auf die Tätigkeiten achtgeben, zu denen mit einem stereotypen Spielzeug ermuntert wird.
Was macht man mit einer Barbie® oder einer Puppe, die als Prinzessin gekleidet ist? Man zieht sie an, bürstet ihnen die Haare, schmückt sie. Was macht man mit einer Superheldenfigur? Man lässt sie ein Abenteuer erleben, springen, fliegen, gegen die Bösen kämpfen! Was wird einem Mädchen also nahegelegt, wenn man ihm eine Puppe schenkt? Der Körper eines Mädchens dient dazu, dekoriert zu werden. Legt man den Schwerpunkt darauf, was wir mit unserem Körper machen können, wie laufen oder klettern, hat man bereits einen Schritt getan, um sich aus der