Du bist gut so, wie du bist!. Dr. Catherine Senécal

Du bist gut so, wie du bist! - Dr. Catherine Senécal


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diesem Ideal nicht wiederfindet. Das ist sicher nicht die Botschaft, die man seinen Kindern übermitteln will. Deshalb ist es so wichtig, Geschichten zu erzählen, in denen die Rollen gleich verteilt sind.

      Eine Doktorarbeit,31 die vor einiger Zeit in Texas veröffentlicht wurde, wertet den Einfluss von Disney-Filmen auf das Körperbild von zwei- bis fünfjährigen Mädchen aus. Die Forscher haben die Mädchen im Vorschulalter in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe sah sich einen Disney-Film mit Frau als Heldin an, die andere einen Disney-Film, in dem nur Tiere vorkommen. Getreu der Ausgangshypothese berichteten die Mädchen, die den Film mit einer Frau als Heldin gesehen hatten, mithilfe von Fragebögen von einer größeren Unzufriedenheit mit ihrem Körperbild, verglichen mit den Mädchen der anderen Gruppe. Diese Studie erlaubt den Schluss, dass gewisse Medien einen Risikofaktor für die Entwicklung eines unbefriedigenden Körperbildes bei jungen Mädchen darstellen können.

      Seit einigen Jahren scheint man bei Disney einen Neuanfang zu versuchen mit Filmen wie Merida – Legende der Highlands (2012) oder Die Schneekönigin (2013). Es sind Filme, in denen das Schicksal der weiblichen Figuren nicht um einen Mann kreist. Doch auch hier haben die Heldinnen immer noch einen überschlanken Körper. In Vaiana – Das Paradies hat einen Haken (2016) ist das Körperbild realistischer, die Heldin ist nicht weißhäutig, und die Geschichte handelt von einer inneren Suche, ohne Prinz! Das ist eine erfreuliche globale Neuerung. Es steht zu hoffen, dass die Entwicklung fortgesetzt wird, hin zu einer vielschichtigeren Darstellung der sexuellen Orientierung und der Geschlechteridentitäten.

      Praxistipp

      Kennen Sie den Bechdel-Test? Es handelt sich dabei um einen kurzen Fragenkatalog, den Alison Bechdel32 in ihrem Comicstrip Dykes to Watch Out For entwickelt hat. Er wurde für zahlreiche Studien herangezogen, um die Gleichstellung der Geschlechter zu beurteilen. Hier eine interessante Abwandlung zum Hausgebrauch.

      AUFGABE

      Stellen Sie sich vor das Bücherregal Ihres Kindes, und machen Sie folgenden Test mit jedem Buch. Wenn das Werk nicht den drei verlangten Kriterien entspricht, ist es durchgefallen.

      DER BECHDEL-TEST

      1. Gibt es in dem Buch zwei oder mehr weibliche Figuren?

      2. Unterhalten sich die beiden?

      3. Geht es in dem Gespräch um etwas anderes als um Männer?

      Es ist verstörend, wie wenige Bücher diesen drei Kriterien gerecht werden! Und warum sollte man diese Übung spaßeshalber nicht auch mit Filmen machen?

      Das Leben in Rosa und Blau

      Viele Eltern suchen die Kleidung für ihre Kinder mehr oder weniger automatisch aus. Ohne es zu hinterfragen, kaufen sie rosa Kleider mit Schleifen für ihre Tochter und bequeme Kleidung mit Superheldenfiguren darauf für ihren Sohn. Dabei galt Rosa in der Vergangenheit nicht immer als Mädchenfarbe. Die Historikerin Jo B. Paoletti von der Universität Maryland verweist in ihrem Buch Pink and Blue: Telling the Girls from the Boys in America darauf, dass bis etwa 1940 alle Kinder bis zum Alter von sechs Jahren neutrale weiße Kleidung trugen. Sie erwähnt auch, dass Mädchen in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts sehr männlich gekleidet waren, was für die Emanzipation der Frau und die Freiheit stand. 1985 dagegen, berichtet die Autorin, ist die neutrale Kleidung nach Aufkommen der Ultraschalluntersuchung vollständig verschwunden. Dank Ultraschall kann man das Geschlecht des Kindes im Voraus erfahren und das Zimmer in Abhängigkeit vom Geschlecht dekorieren. Das hat den Herstellern ganz neue, einträgliche Märkte eröffnet. Von der Gestaltung des Kinderzimmers über die Windeln bis hin zur Kleidung – das am meisten typisierte Produkt ist am wenigsten wiederverwendbar, und das treibt die Verkaufszahlen in die Höhe.

      Einmal abgesehen von der Farbe der Kleidung … Ist Ihnen schon aufgefallen, wie sehr die Schnitte für Jungen und Mädchen voneinander abweichen? Der Unterschied ist frappierend, wie man an den Entwürfen der amerikanischen Kleidermarke Girls Will Be sehen kann.

      Eine Studie, die der Frage nachgeht, was den Bewegungsdrang von drei- bis sechsjährigen Kindern in den Vereinigten Staaten einschränkt, kommt zu eher überraschenden Ergebnissen. Nach der Auswertung von 34 Kindertagesstätten erkennen die Forscher, dass unpassende Kleidung einer der Hauptgründe für eingeschränkte Bewegung ist (zum Beispiel das Tragen von Kleidern, Schmuck, Sandalen, zu engen Sachen etc. bei Mädchen). Damit wären die Kinder schon im Vorschulalter nur eingeschränkt in der Lage, Sport zu machen und gesunde Lebensformen zu entwickeln, und das aufgrund von Kleidung, die ihre Bewegungsfreiheit und ihr Wohlbefinden einschränkt. Diese Studie wirft ernste Fragen auf.

      Es ist in der Tat wichtig, die häufig engere und kürzere Kleidung für Mädchen zu hinterfragen. Das Ziel ist sicher nicht, sie bequemer zu machen. Was also verbirgt sich hinter dieser Tendenz? Möchte man dadurch mehr Haut zeigen oder die Taille und die Figur der Mädchen hervorheben? Die Sexualisierung der Mädchen beginnt sehr früh und auf fast schon hintersinnige Art und Weise, und die Botschaft, die diese Kleidung übermittelt, ist besorgniserregend.

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      Die Sexualisierung von Mädchen im Kleinkindalter: ein bedenkliches Phänomen

      Mädchen können bereits sehr früh im Leben die Botschaften der Medien in Bezug auf die Sexualisierung ihres Körpers verinnerlichen. Der American Psychological Association (APA)33 zufolge spricht man von Sexualisierung, wenn:

      1. der Wert einer Person allein von ihrem sexuellen Reiz oder Verhalten kommt und andere Charakteristika ausschließt,

      2. eine Person an einer Norm gemessen wird, bei der körperliche (und genau definierte) Attraktivität gleichbedeutend mit sexy ist,

      3. eine Person benutzt wird – also zum Objekt für den sexuellen Gebrauch durch andere wird, statt als jemand wahrgenommen zu werden, der fähig ist, unabhängig zu entscheiden und zu handeln, und/oder

      4. die Sexualität jemandem in unangemessener Weise aufgezwungen wird.

      Eine Studie34, die vor Kurzem in Australien erstellt wurde, hat den Einfluss sexualisierter Medien (die sich ausdrücklich an Jungen und Mädchen richten) bei 300 Mädchen von sechs bis neun Jahren bewertet. Sie mussten angeben, welche von 18 Fernsehsendungen sie wie häufig schauten und wie oft sie in 14 Zeitschriften für ihre Altersgruppe lasen. Wie intensiv sie sexualisierten Medien ausgesetzt waren, wurde anschließend berechnet, indem die Punktzahl, mit der die Forscher jedes Medium belegt hatten, mit der Nutzungshäufigkeit jeder Teilnehmerin multipliziert wurde. Beispiele für Medien mit einem hohen Sexualisierungsgrad waren in der Studie Barbie Magazine, Cosmo, Dance Academy, Disney Girl, Big Brother etc. Anschließend zeigte man den Teilnehmerinnen der Studie sechs Bilder desselben Mädchens, das jedes Mal anders gekleidet war, wobei die Kleidung immer aufreizender und knapper wurde. Die Teilnehmerinnen mussten danach ihre eigenen Kleidungsvorlieben angeben und sagen, wie sie die Vorlieben ihrer Freundinnen und der Jungen fanden. Zum Abschluss wurden verschiedene Fragebögen eingesetzt, um die Beziehung zu ihrem Körperbild zu bewerten. Die Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang: Je stärker die Mädchen sexualisierten Medien ausgesetzt sind, desto eher bevorzugen sie sexualisierte Kleidung und desto negativer ist ihr Körperbild.

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      Viele Eltern äußern Unbehagen angesichts der Kinderkleidung, welche die Modebranche in den Industrieländern anbietet. Girls Will Be, eine Marke für bequeme Mädchenkleidung, initiiert von Eltern, die mit den gängigen Marktstandards unzufrieden waren, ist hier positiv zu bewerten. Es geht nicht darum, sämtliche Kleidungsstücke in Rosa wegzuwerfen, sondern als Konsument Verantwortung zu übernehmen und beim Einkaufen beispielsweise bequeme Sachen zu wählen, die unseren Töchtern ermöglichen, sich frei zu bewegen und ihre Persönlichkeit durch Worte und Taten zum Ausdruck zu bringen, statt nur durch ihr Aussehen und ihre Sexualität.

      Werfen wir noch einen Blick auf die Botschaften, die auf Schlafanzügen oder T-Shirts gezeigt werden und oft unverhohlen Rollenklischees


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