Golf für Junggebliebene. Helmut Luft
Spielstärke sind aber begrenzt. Sie sind eventuell auch schon stärker von den Auswirkungen des Älterwerdens betroffen. An dem erwähnten Scramble nehmen sie als Rabbits teil und in meinem ersten Buch werden sie als Roughplayer bezeichnet.
•Sie haben nie ein Handicap unter 20 erreicht oder es nicht halten können.
•Ihr Handicap steigt unaufhaltsam an und Sie finden kein Gegenmittel.
•Ihre langen Schläge werden jedes Jahr kürzer, und beim Versuch das zu ändern, misslingen sie völlig. Der Drive erreicht oft nicht mehr das Fairway, sondern bleibt im Rough davor hängen.
•Zwischen einem Golfschlag und einem Rouletteeinsatz besteht für Sie kein wesentlicher Unterschied, beides ist Glückssache. Sie sind unsicher geworden, ob Sie den richtigen Schläger haben, ob Sie den Ball wieder von außen oder endlich von innen oder überhaupt nicht treffen werden, und ob er nach links, nach rechts oder gar nicht fliegen wird.
•Sie wissen nie, wo der Ball landen wird, sind aber öfter überzeugt, dass er dorthin gehen wird, wo sie ihn nicht haben wollen, in den Bunker, ins Wasserhindernis oder ins Aus.
•Sie halten viele Schläge für katastrophal schlecht, denken nach dem Treffmoment »wo geht der bloß hin, o Gott, entsetzlich« oder ähnliches, auch wenn er dann wirklich gut oder sehr gut ist.
Wenn Sie sich in dieser Schilderung wiedererkennen, dann gehören Sie zu den Nettospielern, denen ein solches Buch in allen Bereichen sehr helfen kann. Wie Sie mit Ihrem nachlassenden Körper besser umgehen, Ihre Technik den unausweichlichen körperlichen Behinderungen anpassen, sich psychisch besser auf das Nicht-mehrso-Jungsein einstimmen, sich motivieren lernen und Vieles mehr. Wenn Sie es sorgfältig lesen und Einiges davon umsetzen können, dann könnten Sie vielleicht noch zu einem Bruttospieler werden.
Beispiel: Runde eines junggebliebenen Nettospielers
Er fühlt sich noch relativ jung und spielt mit Freuden die Wettspiele mit. Aber es läuft nicht mehr so wie früher. Der Drive erreicht oft nicht mehr das Fairway, und wenn er mal weiter ist, liegt er tief im Wald. Der nächste Schlag darf auf keinen Fall in den Fairwaybunker. Na ja, ist er aber. Der vierte Schlag muss über eine Brücke zwischen zwei Bunkern angespielt werden, weil der Pitch von 80 Metern carry im Flug aufs erhöhte Grün schon lange nicht mehr gelingt. Er verzieht in den linken Grünbunker, den er zitternd betritt, weil die Vorderwand oben, über Kopfhöhe, weit überhängt. Der erste Schlag rollt ihm wieder vor die Füße, der zweite, sehr gut getroffen, fliegt weit übers Grün. Verdrossen muss er das Loch streichen.
Aber dann wird es besser, denn die Illusion, heute souverän zu gewinnen ist ihm schon vergangen. Ist der Score erst ruiniert, spielt es sich ganz ungeniert (frei nach Wilhelm Busch). Schön demütig spielt er weiter und es läuft recht gut, es folgen Bogies und an einem Dreierloch ein Par. Aber Dreiputts sind auch dabei und irgendwann kommt leider noch ein Waterloo: Der getoppte Approach ist in den rechten Greenbunker gerollt, zehn Meter vor der Fahne. Mit einem gekonnten Horrorsocket befördert er den Ball in den andern Greenbunker links, und die Putts fallen dann auch nicht. Er kämpft mit sich, ob es eine 8 war und noch einen Punkt bringt. Du denkst wohl: gut verzählt ist halb gewonnen, murmelt Freund Peter und schreibt ungerührt eine 9 auf. Alles ist Frust und Ärger und auch moralisch kommt er sich minderwertig vor. Er ist heute der Letzte und beim Überreichen des Bubi-Preises hört er das mitleidige Seufzen seiner Freunde und das kaum unterdrückte höhnische Lachen seiner Rivalen.
So ist es nicht immer, aber gelegentlich schon. Wenn Sie gut drauf sind, mit Freunden statt Rivalen spielen und auf Privatrunden ohne den Druck des Scores, spielen Sie freier und besser. Auch gibt es zwischen diesen Extremen den durchschnittlichen Normalspieler, der dem einen oder anderen der Extremtypen näher steht oder zwischen diesen schwankt. Stecken Sie die Scham weg, lernen Sie über sich selbst zu lachen und lesen Sie mit Vergnügen dieses Buch. Dann werden Sie aus dem Fairwaybunker 100 Meter den Ball an die Fahne legen – und wenn nicht siehe unten.
Kapitel 2
Die Zumutungen des Älterwerdens
Jung bleiben wir leider nicht auf Dauer und nicht von selbst. Wir sind, wie jedes Lebewesen, von der Evolution auf Verfall programmiert und unterliegen den Nachteilen des biologischen Alterns. Richtig alt werden bekanntlich nur die andern, aber spätestens nach der Midlifecrisis treten auch bei uns Haarausfall, Zahnverluste, Sehverschlechterung und Schwerhörigkeit auf, die jedoch durch Brille, Zahnersatz und Hörgeräte gut ausgleichbar sind. Noch können wir uns darüber lustig machen.
Bis es ernst wird und man das Altern richtig merkt, ist man heutzutage 75 oder 80. Früher waren es zehn bis 20 Jahre früher. Im Dritten Alter zwischen 60 und 80 lassen die körperlichen und geistigen Leistungen oft unbemerkt jedoch stetig oder in Schüben nach. Der Bewegungsapparat von Muskeln, Bändern und Gelenken verliert seine Elastizität und trocknet aus. Der Körper schrumpft, wir werden um Zentimeter kleiner. Die Muskeln werden schlaffer. Die Muskelmasse lässt schon ab 50 um ein bis zwei Prozent pro Jahr nach, ab 60 um drei Prozent. Kraft und Ausdauer nehmen dementsprechend ab. Ermüdung tritt früher ein und wird schnell zur Erschöpfung, die Erholung dauert länger. Die Herzleistung wird schwächer, der Körper bekommt weniger Sauerstoff. Man wird kurzatmig, die Gehstrecke wird kürzer, man muss stehenbleiben oder sich setzen. Die inneren Organe werden schlechter durchblutet und arbeiten langsamer, Blutzucker und Blutfette steigen an. Der Stoffwechsel wird träge, die Entgiftung verzögert sich. Arteriosklerose und Hochdruck machen sich bemerkbar.
Die Gehirnfunktionen lassen ebenfalls nach, die Leitgeschwindigkeit der Nerven verlangsamt sich. Das Uhrwerk des Körpers läuft nicht mehr reibungslos, es knirscht und stockt. Die Präzision geht verloren. Der Tastsinn und der Gleichgewichtssinn werden unsicher, die zentrale Steuerung und Koordination von Bewegungen gelingt nicht mehr recht, der Gang wird unbeholfen und schleppend, man verliert leicht die Balance und neigt zu Stürzen. Alles wird umständlich und langsam. Man kann nicht mehr zwei Dinge gleichzeitig tun, z. B. beim Gehen konzentriert nachdenken sondern bleibt stehen, wenn man nach etwas gefragt wird. Schuhe, Strümpfe, Mantel kann man schließlich nicht mehr ohne Hilfe anziehen, Kopf und Rumpf kann man nur noch gemeinsam drehen, man hat Mühe im Auto in den Rückspiegel zu schauen. Wir haben »lange Leitung« und werden vergesslich. Manche verändern sich auch als Person, werden schwierig oder depressiv.
Das alles führt zu Behinderungen, die früher oder später erst lästig und dann zur Zumutung werden. Im Vierten Alter, das bei den meisten über 75 oder 80 beginnt, tritt im Umgang mit dem Körper ein Machtwechsel ein, der Körper wird vom willigen Diener zum absoluten Herrn, der unsere Lebensführung bestimmt. Wir können nicht mehr einfach tun, was wir möchten, sondern nur noch das, was der Körper erlaubt. Die Witze vergehen einem, eher angebracht sind elegische Seufzer wie ›Ach wie bald, ach wie bald, schwinden Schönheit und Gestalt‹. Wir leiden unter all den Zumutungen des Alterns und reagieren darauf, und zwar oft falsch. Eine der folgenschwersten Fehlentscheidungen ist, Golf vorzeitig aufzugeben.
Genau besehen wird das Älterwerden bewirkt durch ein Stirb und Werde der Körperzellen, das schon mit der Geburt beginnt. Wir stellen uns den Körper zwar gern als etwas Festes vor, wie aus Stein oder Marmor, aber in Wirklichkeit gilt »Alles fließt« (Heraklit) auch für den Menschen. Wir sind zu 60–80 Prozent Wasser, ein unaufhörlich fließender Organismus. In jeder Sekunde haben unvorstellbar viele Körperzellen aller Organe ihre Aufgabe erfüllt, sterben ab, werden entsorgt und durch neue ersetzt. Das ist unsere Natur, aber es wird erst beim Älterwerden bemerkbar. In der Jugend überwiegt das Wachstum, aber schon ab dem dritten Jahrzehnt überwiegt bei bestimmten Organen der Untergang und immer mehr Funktionen gehen langsam aber sicher verloren. So liegt z. B. der Höhepunkt der Hormonproduktion bei Mitte zwanzig. Das menschliche Leben ist wie ein Tag, bei dem sich schon mittags mit der Midlifecrisis die Wende zum Alter ankündigt.
Erschwerungen