Rosenmedizin. So sanft heilt die Königin der Blumen. Angelika Gräfin von Wolffskeel von Reichenberg

Rosenmedizin. So sanft heilt die Königin der Blumen - Angelika Gräfin von Wolffskeel von Reichenberg


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in Klostergärten intensiv angebaut. Und Kreuzritter brachten ab 1100 von ihren Raubzügen ins Heilige Land neue, spannende Rosensorten mit ungewohnten Farben aus dem Orient nach Europa. Als der arabische Feldherr und Stratege Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub ad-Dawini, der spätere Sultan Saladin, die Stadt Jerusalem im Jahre 1187 zurückeroberte, ließ er, laut Überlieferung, auf 500 Kamelen Rosenwasser herbeischaffen und die Wände und Säulen der Moschee sowie den Fels, auf dem sie stand, damit waschen. Die Universalgelehrte, Dichterin und Benediktiner-Nonne Hildegard von Bingen (1098 –1179) hielt zwar im Gegensatz zu heutigen Erkenntnissen nicht viel vom Olivenöl, dafür umso mehr von der Heilkraft der Rosen. Sie empfahl sie zur Magenstärkung, gegen Fieber, Husten, Blutspeien und Scharbock (Skorbut), bei Hautentzündungen, Ekzemen sowie gereizten und überanstrengten Augen. »Sammle die Rosenblätter bei Tagesanbruch, und lege sie über die Augen, sie machen dieselben klar und ziehen das ›Triefen‹ heraus«, riet die fromme Frau. Die heiliggesprochene Äbtissin wusste aber auch den besänftigenden Rosenduft als Therapiemittel gegen seelische Befindlichkeitsstörungen zu schätzen: »… und wer jähzornig ist, der nehme die Rose und weniger Salbei und zerreibe es zu Pulver. Und in jener Stunde, wenn ihm der Zorn aufsteigt, halte es an seine Nase. Denn der Salbei tröstet, die Rose erfreut … «

      »Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.« William Shakespeare (1564–1616, aus: Romeo und Julia)

      In der Festungsstadt Provins, rund 80 Kilometer südöstlich von Paris, wurde die Rosa gallica officinalis, die rote Apotheker- oder Essig-Rose, auf weiten Flächen systematisch angebaut. Sie galt als bestes Heilmittel gegen Schlafstörungen und seelisches Leid. Noch heute sind in der Rosarie von Provins mehr als 300 alte und neue Rosenarten in einem 3,5 Hektar großen Garten zu bewundern. Damit geplagte Frauen und Männer nachts zur Ruhe kommen, rieten die Heiler um 1500 dazu, ein paar erwärmte Rosenblütenblätter auf die Stirn oder Rosengallen unter das Kopfkissen zu legen. Schwangere Frauen sollten einen Monat vor der Niederkunft ein Rosensitzbad nehmen, damit sich die Gebärmutter öffne. Zusätzlich auch noch den Leib mit Rosenöl einreiben und getrocknete Rosenblütenblätter ins Feuer geben. Moderne Hebammen wissen um die alten Erkenntnisse. Sie verdampfen immer öfter das Öl der Rose in einer Duftlampe und beruhigen so die Gebärenden, und ganz nebenbei wirkt der Duft auch hypernervösen werdenden Vätern direkt aufs Gemüt.

       Die Essig-Rose, Rosa gallica, wurde zu Heilzwecken gezüchtet.

      Als Columbus Amerika entdeckte (genauer: die Karibikinsel San Salvador), bildeten Rosen bereits einen Grundpfeiler der Heilkunde. Sie waren fester Bestandteil aller Kräuterbücher von frühen Botanikern wie Otto Brunfels (1488–1534), Hieronymus Bock (1498–1554) und Leonhart Fuchs (1501–1566). Bocks »News Kreütterbuch« von 1539 nannte sogar erste ausführliche Angaben zur Heilwirkung der Rose. Um 1550 sagte der englische Astrologe und Naturforscher Anthony Ascham (vor 1540 geboren, Todeszeitpunkt unbekannt), der in Cambridge studiert hat, in seiner Kräuterkunde »A Little Herbal«: »Der Duft von getrockneten Rosen tröstet den Verstand und das Herz und vertreibt böse Geister.« Der englische Arzt und Astrologe Nicholas Culpeper (1616–1654) wusste um die Wirksamkeit der Rose bei Blutungen, Kopf- und Zahnschmerzen. Dann wurde es wieder lange Zeit still um das schönste Heilmittel der Welt.

      Die meisten verkauften Schnittrosen, etwa 84 Prozent, stammen aus EU-Ländern. Bei den Importen aus Afrika, vor allem aus Kenia, erobern zunehmend die Rosen mit Fair-Trade-Siegel den Markt. Bereits 25 Prozent der Blumenköniginnen kommen aus »fairer« Produktion – 365 Millionen Stück im Jahr 2015. Tendenz steigend -um jährlich rund sechs Prozent.

      Ein neues Wissenschaftsverständnis, der Wunsch, Heilkräfte der Natur bis ins letzte Molekül zu erforschen, brachte die Rosenmedizin wieder zurück ins Bewusstsein. Welche enormen Wirkungen ätherische Öle haben können, bewiesen 1887 bis 1889 französische Wissenschaftler. Sie erbrachten den Nachweis, dass ätherisches Thymianöl Kolibakterien, Staphylokokken oder sogar Meningokokken zerstören kann. Wissenschaftler entdeckten auch, dass Rosenöle im Limbischen System den Thalamus anregen, mehr körpereigene Opiate zu produzieren: Neurotransmitter, die gute Laune und das Wohlbefinden fördern. Als Mittel, das seelische Zustände wie Antriebslosigkeit, Apathie oder Niedergeschlagenheit beheben und austarieren kann, empfahl der britische Arzt Edward Bach (1886–1936) die Hundsrose (»Wild Rose«) in der von ihm entwickelten Bachblütentherapie. Vielleicht ahnte Bach, der eigentlich Schulmediziner war, bereits, welches Heilpotenzial in der Pflanze steckt.

       Öle aus Kräutern: schmackhaft, wohltuend und schön anzusehen.

      So sind im natürlichen Rosenöl bisher insgesamt circa 230 Molekülarten gefunden worden. Welche Vorteile die wunderschönen Blumen uns in der Zukunft noch bringen werden, liegt größtenteils noch in der Forschungs-Pipeline. In den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckte der amerikanische Nobelpreisträger Linus Pauling (1901–1994) die Wirkung von Vitamin C auf das Immunsystem – und die Hagebutte, prall gefüllt mit dem ImmunVitalstoff, erlebte ihr Comeback als Heilmittel. Bis heute entdecken Pharmakologen auf der Jagd nach neuen Heilsubstanzen immer mehr vielversprechende Inhaltsstoffe. Aktuell wird beispielsweise auch getestet, ob Rosenwirkstoffe Schutz gegen HIV bieten können. Es sieht gut aus …

      Rosen als Heilpflanzen

      Die wichtigsten Medizinrosen, ihre stärkende Wirkung auf Herz, Gelenke und mehr sowie verblüffende neue Forschungsergebnisse.

      Enthüllung heilender Geheimnisse

      Auf den Schlachtfeldern Mitteleuropas war der französische Barbier-Chirurg Ambroise Paré (1510–1590) der wohl berühmteste Militärarzt, ein großer Erneuerer. Der hagere Mann mit einem nach heutigem Verständnis coolen Hipster-Bart beobachtete zum Beispiel, dass die Wunden von Patienten schneller heilten, wenn er kleine Fliegenmaden hineingab und die Wunde abdeckte. Er gilt seitdem als Begründer der modernen Madentherapie, die Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wieder auflebte. Vor allem aber grübelte der spätere Hofchirurg von Karl IX. Nächte um Nächte über die grausamen Amputationen nach, die damals durch den Einsatz der neuartigen Feuerwaffen notwendig waren. Die Feldscher verödeten die Wunden, die seinerzeit als vergiftet galten, mit Gluteisen oder gossen siedendes Öl hinein. Viele starben an der Prozedur.

      Schließlich ersetzte Paré das heiße Öl durch ein besser verträgliches Gemisch aus Eigelb, Terpentin und Rosenöl. Das macht ihn zu einem Wegbereiter der modernen Phytotherapie. Der Feldarzt wusste bereits, dass Rosenblüten blutstillende Eigenschaften aufweisen.

      Heute rücken die modernen Phytoforscher der Rose mit Mikroskop, Reagenzglas, dünnschichtchromatografischen Bioassays, Hochdurchsatz-Screenings und anderen für Laien weitgehend unverständlichen Hightech-Methoden auf die Blütenblätter, um immer mehr heilende Wirkstoffe, aber auch Wirkungen zu entdecken. Dennoch sind bisher von den 550 pflanzlichen Inhaltsstoffen im Rosenöl 120 Substanzen noch nicht einmal identifiziert worden, so der emeritierte Münchner Chemiker Prof. Dietrich Wabner. Er muss es wissen, denn er erforscht ätherische Öle seit mehr als 40 Jahren.

      Wissenschaftlich sicher ist aber nachgewiesen: Rosen enthalten die Vitamine A, B, D und E. Hagebutten weisen 20- bis 60-mal mehr immunschützendes Vitamin C auf als Orangen oder Zitronen.

      Dazu kommen Anthocyane (Bioflavonoide), die aggressive Sauerstoffmoleküle neutralisieren, die sogenannten freien Radikale. Vermutet wird, dass Anthocyane, die den Rosen ihre rote Farbe verleihen,


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