Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche. Elfie Courtenay

Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche - Elfie Courtenay


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gehörten von jeher das Auswaschen von Wunden mit Kräuter- oder Rindensud, beispielsweise von Gundermann oder Eichenrinde, Pflanzenkompressen, zum Beispiel mit Schafgarbe oder Spitzwegerich, der Auftrag von Wundsalben oder Wundölen, beispielsweise von Johanniskraut und bandagiert mit Leintuch. Wichtig war auch das Gurgeln oder Inhalieren mit Kräuteraufgüssen, wie von Kamille oder Thymian, das Trinken von Kräutertees oder Heilweinen sowie das Ansetzen von Tropfen, zum Beispiel mit Branntwein und Arnika. Auch das Desinfizieren mit Räucherungen war allgemein üblich, beispielsweise mit Wacholder und Beifuß – und nicht zuletzt waren das Einrenken von Gliedern sowie das Schienen und Bandagieren von Brüchen seit Jahrhunderten selbstverständliche Praktiken der allseits genutzten und geachteten Volksmedizin.

      Die Anwendung dieser Heilmittel wurde sehr oft von religiösen oder magisch-zauberischen Vorstellungen begleitet. Neben dem meist üblichen Vater-unser-Beten gab es auch geheime Sprüche, die während der Behandlung gesagt werden mussten, damit die gewünschte Wirkung eintreffen würde.

      Beim »Heilzauber« waren es bestimmte Handlungen, die man auszuführen hatte. Bei Fieber sollte man eine Weide aufsuchen, einen Ast ergreifen und einen Knoten hineinbinden, dazu sollte man folgenden Zauberspruch sagen:

      »Wiedl wiedl Weiden,

      muaß i gar so leidn

      dös Fieber wo i han,

      dös bind i hier an.«

      Damit der Spruch wirkte, durfte man sich beim Weggehen vom Weidenbaum nicht mehr umdrehen.

      Neben dem »Anbinden« war auch das »Verzapfen« sehr verbreitet. Dazu hat man sich zur Zeit des abnehmenden Mondes Haarbüschel und Fingernägel abgeschnitten und in ein Stück Papier eingerollt, oder man hat Haare und Fingernägel eines Kranken genommen. Man musste sie »ungesehen« in den Wald tragen und in ein Loch stecken, das man zuvor in eine Fichte gebohrt hatte. Dazu sprach man, je nach Leiden, in einer Art Befehlston beschwörende Sätze.

      »Jetzt nimm es ab mein/sein Schmerz und Leid, heut und für alle Zeit.«

      Danach wurde das Loch »verzapft«, meistens mit kleinen Holzstiften, die man in Baumharz getaucht hatte.

      Abbeten und Aderlässe

      »Nimm das Reißen, die Schwindsucht und die Gicht, das sollst du jetzt haben und ich nicht.«

      Auch das »Abbeten« hat eine lange Tradition und wurde bei schlimmeren Krankheiten oft zusätzlich zu den anderen Behandlungen angewendet. Da die Krankheiten und Leiden oft in Zusammenhang mit dem Glauben an Schuld und Sühne standen, wurde dem Abbeten große Bedeutung beigemessen.

      Manchmal glaubte man auch, dass bestimmte Plätze oder Steine Krankheiten abnehmen würden, und sprach Verse wie diesen:

      Doch weil die Menschen nicht genug vertrauten, dass ihre eigenen Gebete und Bitten erhört würden, gingen sie zu einem Abbeter. Sie waren überzeugt, dass er geübter war im Beten und einen besseren Draht zu höheren Mächten hatte als sie selbst.

      »Aus meinem Herzensgrund, bitt ich in dieser schweren Stund nimm von mir Schmerz und Pein, so soll es sein!«

      Heute in vielen Gegenden noch bekannt ist das Abbeten von Warzen. Es muss immer bei abnehmendem Mond erfolgen, wie bei allem, was verschwinden soll.

      Aderlässe wurden bei zunehmendem Mond angeraten, um zu vermeiden, dass der Patient verbluten würde.

      Meist legte man als Opfergabe ein paar Blumen ab.

      Jeder Abbeter hatte die Pflicht, diese Tradition so weiterzuführen, wie er sie von seinen Eltern oder Großeltern übernommen hatte. Abbeter konnten Frauen oder Männer sein und in manchen Gegenden hieß es, solche Gaben müssten immer »übers Kreuz« weitergegeben werden, also zum Beispiel vom Großvater an die Enkeltochter oder von der Großmutter an den Enkelsohn. Oft wurde eine Generation ausgelassen, aber wenn ein Abbeter früher als erwartet starb, nahm er sein Wissen mit ins Grab. Viele der früheren Kräuterfrauen sollen gleichzeitig auch Abbeterinnen gewesen sein.

      Das »Durchkriechen« war ein weiteres, weitverbreitetes Verfahren aus der Volksheilkunde, um Krankheiten abzustreifen. Dazu ließ man den Kranken durch eine große Schlinge kriechen, die man zuvor aus belaubten Zweigen gebunden hatte. Sehr beliebt war Buchsbaum, weil es hieß, dass er alles Negative abstreifen würde. Daher stammt auch der alte Brauch, dass die Höfe früher meist zu beiden Seiten der Eingangstüre Buchs gepflanzt hatten.

      Belege aus der Vergangenheit

      Diese Ausstellung wurde 1977 zum 800-jährigen Bestehen von Stainz initiiert, dessen Name 1177 zum ersten Mal erwähnt wurde. In der Begleitschrift heißt es, dass unter anderem schriftliche Quellen über den »Höllerhansl« und andere Naturärzte und Kurpfuscher ausgewertet wurden und Scharlatane und Quacksalber streng von den wirklichen Naturärzten getrennt wurden, die aufgrund von überliefertem Wissen und Erfahrung ihre Tätigkeit verantwortungsbewusst ausübten. Somit sei die Ehrenrettung des »Bauerndoktors« gelungen!

      Höllerhansl und Bergliesl

      Weißdornfrüchte

      Berichtet wird vor allem über den »Höllerhansl« (1866–1935) aus Stainz in der Steiermark. Sein medizinisches Wissen hatte er vom Vater, der es bereits von seinem Vater übernommen hatte. Er benutzte die Harndiagnose, die Claudius Galenus von Pergamon bereits im 2. Jahrhundert nutzte und die sich das ganze Mittelalter hindurch hielt. Der Höllerhansl soll aufgrund des Schaumes, der sich beim Schütteln der Harnflasche bildete, die Krankheit erkannt haben, auch Farbe und Geruch des Harns waren von besonderer Bedeutung. Die große Sicherheit seiner Harnkenntnisse war überall bekannt, und die Kranken kamen von weither, um sich behandeln zu lassen. Je nach Diagnose verordnete er den Leuten jeweils ganz bestimmte Kräutertees oder einen starken Kräutersud, den er selbst herstellte. Die Kräuter brachten ihm Kräuterfrauen, eine war die noch heute legendäre »Bergliesl«. Weitere Zutaten zu seinen Kräuter-Medizinen, wie beispielsweise Bittersalz, holte er sich bei dem befreundeten Apotheker Sarnitz in Graz. Der Höllerhansl soll ein sehr religiöser Mann gewesen sein, er half jedem und nahm lediglich freiwillige Spenden an. Aber trotzdem gab es Neider, die ihn 1921 wegen Kurpfuscherei anklagten und behaupteten, er würde den Kranken mit betrügerischen Behauptungen das Geld aus der Tasche ziehen. Er wurde sogar verurteilt, aber zu einem relativ geringen Betrag, da außer dem Kläger alle Menschen hinter ihm standen – und so hat er auch nach dieser Verurteilung weiter als Bauerndoktor gearbeitet und noch vielen Menschen geholfen.

      Durch die Recherchen des Stainzer Volkskundemuseums, vor allem durch Elfriede Grabner, wurde in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts viel historisches Material gesichtet und ausgewertet. So konnten in der Steiermark an die 50 Naturheiler nachgewiesen werden, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts bis hinein in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts gelebt und gewirkt haben. Manche waren für die »inneren Leiden« zuständig, andere waren »Boaheiler« (Knochenheiler), Zahnreißer oder »fürs Viech« (für die Tiere).

      Traditioneller Hausgarten im Freilichtmuseum »Glentleiten« bei Großweil in Oberbayern

      Eines hatten sie alle gemein: Sie verwendeten die heimischen Kräuter, die sie auch selbst mischten und als Tees weitergaben. Sie setzten Kräutertropfen an und kochten Salben. Die »Weberpeterin« (1863–1951), aus Lasselsdorf bei Stainz, verwendete über 100 verschiedene Kräuter. Ihr Wissen bekam sie vom Vater vererbt, der auch schon den Urin »vom nüchternen Magen« las und »aus dem Fall des Wassers« und der Farbe des Urins die Krankheit erkannte. Wenn sie den Urin schüttelte, bildeten sich Bläschen, und je nach Krankheit zeigten sie sich verschieden. Wenn sie selbst dann nicht weiterwusste, schickte sie die Kranken zum Arzt.

      Überlieferungen zu den damals verwendeten Kräutern

      Leider


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