Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche. Elfie Courtenay
die in den Buschen kommen, konnte je nach Gegend variieren. Manchmal waren es sieben, manchmal neun, es gab aber auch Angaben von 70, 77 oder gar 99 verschiedenen Kräutern. Die Mitte des Kräuterbuschens überragte meist eine Königskerze, auch Wetterkerze genannt, und außen herum wurden nacheinander die übrigen Kräuter dazugebunden. Auch wenn es regionale Unterschiede gab, es waren ursprünglich fast immer Beifuß, Eisenkraut, Dost, Johanniskraut und Salbei dabei, meist auch Schafgarbe, Arnika, Ringelblume und Rainfarn. Und manchmal auch Getreide wie Hafer, Roggen oder Gerste – und zur Umrahmung dienten oft die blaue Kornblume, Labkraut, Kamille, Mädesüß oder Gundelreben.
Bedeutung von Heilkraft und Segen
Heutzutage werden manchmal Pflanzen ihrer Symbolik wegen eingebunden. Anstatt der Königskerze manchmal ein Rohrkolben, als Symbol für das Leiden Christi (Speerspitze), oder auch eine Rose, als Symbol für die Muttergottes.
Obwohl schön anzuschauen, diente der Kräuterbuschen nicht als Hausschmuck, sondern war für Mensch und Tier Hausapotheke und göttlicher Segen zugleich.
In der Hoffnung auf gute Ernte wurden im Herbst bereits einige Getreidekörner aus dem Buschen entnommen und dem Saatgetreide beigemischt. Dasselbe geschah auch bei der Frühjahrssaat, um sich im kommenden Herbst über eine möglichst reiche Ernte freuen zu dürfen.
Dem Vieh hat man traditionsgemäß am Heiligen Abend einige Kräuter aus dem Buschen als Weihnachtsgabe mit in den Trog gestreut. Denn auch die Tiere sollten am Segen teilhaben und gesund über den Winter kommen.
Da das Sammeln der Kräuter und das Binden des Kräuterbuschens einer rituellen Handlung entsprechen, empfiehlt es sich, sich innerlich darauf einzustimmen, bevor man in die Natur geht. Kreieren Sie sich Ihre eigene Einstimmung, hier sind zwei Beispiele:
Und falls an Johanni (am 21. Juni) noch etwas vom geweihten Buschen übrig war, hat man es im Johannifeuer verbrannt. Aber nicht im Sinne, dass man etwas vernichtete, was man nicht mehr brauchte, sondern dass man etwas zurückgab an den Kreislauf der Natur, an den Kreislauf von Mutter Erde, damit es wieder Teil dieses Kreislaufs werden würde.
Räuchern
»Möge mein Herz erfüllt sein von Liebe zur gesamten Schöpfung,
von Achtung allem Leben gegenüber, Mensch, Tier und Pflanze.«
»Mögen all meine Handlungen in Achtsamkeit geschehen,
und meine Erfahrungen getragen werden von Dankbarkeit und Freude.«
Auch das Verräuchern von Pflanzen und Harzen war für unsere Vorfahren ein wichtiger Brauch, der gerade in den letzten Jahren wieder neu aufgelebt ist. Man nutzte es, um jegliche Krankheiten oder bösen Mächte aus Haus und Stall zu vertreiben oder abzuwehren und um den Segen und die guten Mächte anzurufen. Während des Räucherns verströmte die innere, geistige Kraft der Pflanze, und die ätherischen Öle mit ihren desinfizierenden, keimtötenden Eigenschaften wurden frei. Gleichzeitig trug die verzehrende, transformierende Kraft des Feuers zur Klärung und Wandlung der gesamten Atmosphäre bei.
Auch heute noch werden unsere Sinne durch den Duft verglimmender Kräuter und Harze stimuliert und durch den archaischen Geruch verglühender Kohlen an den Räucherkult unserer Ahnen erinnert. Es hat etwas Magisches, wenn die Atmosphäre sich wandelt und am Ende eine angenehm aromatische Wärme zurückbleibt.
Für eine Räucherung nahm man ein paar glühende Kohlen aus dem Feuer, gab sie in eine Eisenpfanne, legte eine Scheibe vom Zunderpilz auf und streute anschließend ein paar getrocknete Harzkügelchen und, je nach Absicht, entsprechende Kräuter, Nadeln, Samen oder Wurzelstückchen auf den glimmenden Zunderpilz.
Verwendet wurden neben Fichten-, Tannen- und Kiefernharz vor allem Beifuß und Wacholder, aber auch Salbei, Engelwurz, Königskerze, Johanniskraut, Schafgarbe, Mistel, wilder Thymian und Alant (siehe Pflanzenporträts ab Seite 38).
Räucherschale mit Kräutern, Samen und Krähenfeder
Zunderpilze auf Totholz
Umsichtig räuchern
Experimentieren Sie niemals mit unbekannten Pflanzen! Die hier genannten sind für Räucherungen generell unbedenklich, trotzdem kann es im Einzelfall zu Unverträglichkeitsreaktionen kommen, zum Beispiel bei Korbblütlern wie Beifuß und Alant.
Beim Umhergehen wurde der Rauch mit einer großen Feder bis in jeden Winkel verteilt. Die verkohlten Überreste wurden jeweils nach einigen Minuten abgestreift und durch neues Räucherwerk ersetzt.
Das Ausräuchern von Haus und Stall war in früheren Zeiten eine andachtsvolle Handlung, und auch wir sollten unser Räucherritual bewusst und andächtig gestalten.
Der Zunderpilz (Polyporus fomentarius)
Dieser Pilz gehört zur Familie der Porlinge. Er wächst auf Totholz, also auf abgestorbenen Baumstümpfen oder Baumstämmen und wurde früher zum Feuermachen verwendet. Dazu hat man das Innere des Pilzes in Scheiben geschnitten, getrocknet und dann in Salpeter eingelegt. Diese Salze hat man von den Stallwänden abgekratzt, wo sie sich sehr häufig als »Ausblühungen« gebildet haben. Das Besondere an diesem Pilz ist, dass er keine Funken versprüht und sehr lange glimmt, ohne zu verlöschen. So war er auch wunderbar geeignet, Feuer über größere Entfernungen zu transportieren, und zu Zeiten, als es weder Zündhölzer noch Feuerzeuge gab, erwies er sich als besonders nützlich. Denn wenn die Glut der Feuerstelle über Nacht verlöscht war, konnte man ihn nutzen, um beim Nachbarn Feuer zu holen. Das war viel weniger mühsam, als ein neues Feuer zum Brennen zu bringen.
Wenn Sie einen so harzreichen Zapfen zum Trocknen aufhängen, können Sie die Harzkügelchen später zum Räuchern verwenden.
Beim Räuchern erfüllte der Zunderpilz die Aufgabe, das Räuchergut allmählich verglimmen und verglühen zulassen, damit die Öle sich sanft im Rauch lösten und nicht in der Hitze der Glut verbrannten und verkohlten. Heutzutage hat diese Aufgabe die »Räucherkohle« aus dem Handel übernommen. Das sind Kohlescheiben, die entsprechend präpariert sind, um sie leicht zum Glimmen zu bringen. In der Mitte haben sie eine kleine Vertiefung für das Räuchergut. Wenn man keine spezielle Räucherpfanne besitzt, kann man eine mit Sand befüllte, feuerfeste Schale verwenden.
Heimische Harze zum Räuchern
Unsere Vorfahren wussten, dass das Holz von Nadelbäumen harzreicher ist als das von Laubbäumen und dass die Harze unserer heimischen Bäume desinfizierende und wundheilende Eigenschaften haben. Viele der alten Salbenrezepte enthalten neben Kräutern auch Harze, und diese harzhaltigen Wundsalben dienten ganz besonders der Behandlung von Furunkeln, Ekzemen und offenen Beinen.
Wenn Sie Harze zum Räuchern sammeln möchten, gehen Sie am besten im Hochsommer in den Wald und halten Sie Ausschau nach Harztropfen, die möglichst schon etwas eingetrocknet sind. Wenn Bäume verletzt wurden, versuchen sie, sich zu schützen und verschließen ihre Wunden mit Harz. Erst ist es noch dünnflüssig und sehr klebrig, wird aber mit der Zeit immer fester. Je trockener es schon ist, umso leichter können Sie es mit einem Taschenmesser ganz vorsichtig von der Rinde abheben. Sie sollten ein paar kleine Salbendöschen bei sich haben und auch gleich beschriften, um spätere Verwechslungen zu vermeiden.
Harze brauchen sehr lange, bis sie trocken genug sind, um sich gut im Mörser verreiben zu lassen. Sie sollten an der Luft, aber nie im Backofen getrocknet werden. Es ist empfehlenswert, den Räuchermischungen immer auch etwas Harz beizugeben, da das schmelzende Harz einen Teil der Kräuter an sich binden wird. Der Duft wird dadurch intensiver, kann sich allmählicher verbreiten und ist länger wahrnehmbar. Als grobe Regel gilt allerdings, dass nicht mehr als ein Viertel der Mischung aus Harzen bestehen sollte. Auch sollten sie gut getrocknet und möglichst fein zerrieben