Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche. Elfie Courtenay

Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche - Elfie Courtenay


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verbrannt hatten. Sie müssen oftmals sehr besorgt gewesen sein, der Kurpfuscherei verdächtigt zu werden, wenn jemand die Unterlagen finden würde.

      Hauswurz

      Aber da auch jede Bäuerin ihre eigenen Hausmittel hatte, Kräuter sammelte und Salben, Einreibungen und Tropfen erzeugte, gibt es doch noch einige Hinweise auf bestimmte Kräuter und wie sie im 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein in der Steiermark Verwendung fanden.

      Diese hier wiedergegebenen Ausführungen sind keinesfalls als »Rezepte« zu verstehen, sondern als kulturhistorische Informationen, die einfach Vergleichsmöglichkeiten mit heute üblichen Kräuteranwendungen bieten können:

      Johanniskraut

      Almgraupen (Isländisch Moos, Cetraria Islandica) wurden mit Salbei (Salvia) und Eibisch (Althaea officinalis) gemischt und mit Honig gesüßt als Lungentee empfohlen.

      Baldrian (Valeriana officinalis) galt als Herztee. In Schnaps angesetzt wäre er gut, »wenn’s Herz unruhig wird« (vermutlich wurde nur die Wurzel verwendet).

      Butter, frisch gerührt und »ungewaschen« (noch nicht von Buttermilch gereinigt), war sehr gut für Brandwunden und wurde bei der Geburtshilfe zur Erweiterung der Geburtswege eingesetzt und auch, wenn die Nachgeburt nicht abging.

      Hauswurz (Sempervivum tectorum) wurde bei Hals- und Zahnschmerzen »ausgezuzelt«, also ausgesogen. Bei Ohrenschmerzen wurde der warme Saft eingetropft. Es wurde auch eine Heilsalbe aus Hauswurz, reinem Lärchpech (Lärchenharz) und etwas Kampfer gekocht. Es hieß, die würde sogar »an Hintern zuahoiln« (zuheilen), so stark wäre sie.

      Hirtentäschelkraut/Täschelkraut (Capsella bursa-pastoris) galt als »wassertreibend«, also harntreibend.

      Holunder (Sambucus nigra) wurde ehrfürchtig betrachtet. Es hieß, mit Hollerbranntwein »erhält man einem das Leben, wenn er schon im Sterben ist«, er wurde bei Rippenfell- und Lungenentzündung sowie bei Herzbeutelwassersucht empfohlen. Bei Fieber wurden die Blüten als Tee verabreicht, manchmal wurden auch noch etwas frische grüne Rinde und ein Apfel in den Tee gekocht. Die Beeren »sind gut für den Hals« und wurden bei Halsentzündung als heißer Saft getrunken.

      Knoblauch

      Huflattich (Tussilago farfara) »kann man gegen Asthma rauchen« (ist aber wegen der leichten Giftigkeit des Huflattichs sicher nicht als Daueranwendung zu empfehlen). Die Blätter wurden auch auf »offene Füße« (Ulcus cruris) aufgelegt.

      Johanniskraut, Hanskräutl (Hypericum perforatum) nicht nur als Teekraut, sondern »Johanniskraut-Öl gut auf Brandwunden«.

      Knoblauch (Allium sativum) wurde bei Zahnschmerz zerdrückt und auf die schmerzende Stelle gelegt. Er sollte auch bei »Eingeweidewürmern« helfen und wurde zusammen mit »Patika« (Aloe hepatica) und Wermut (Artemisia absinthium) in Schnaps angesetzt.

      Kren/Meerrettich (Amoracia rusticana) wurde bei Fieber gerieben eingenommen oder als »Krenteig«, mit Roggenmehl vermischt, aufgelegt.

      Lavendel/»Spiganari« (Lavandula angustifolia) wurde, in Schnaps angesetzt, zur Magenstärkung eingenommen, aber auch zum Räuchern bei Gicht verwendet.

      Liebstöckel/Luststock (Levisticum officinale) sollte bei Gicht helfen und gut für die Lungen sein, als Tee getrunken »öffnete er die Luftröhre« (wirkte entschleimend). Aus den Wurzeln bereitete man »eine heilsame Salbe«.

      Melisse (Melissa officinalis) war gut für den Magen und für das Herz, außerdem bei Kopf- und Zahnschmerzen.

      Misteln auf einem Apfelbaum

      Mistelzweige (Viscum album) wurden in Schnaps angesetzt und sollten vor Arterienverkalkung schützen.

      Mutterblätter/»Frauensolfer«/Balsampflanze (Tanacetum balsamita) galt als Mittel bei Verletzungen, vor allem bei eitrigen Wunden, aber auch gegen Rotlauf (Wundrose).

      Rettich/Schwarzrettich (Raphanus sativus niger) wäre für den menschlichen Körper »so viel als a Ruaßkiahra für’n Ofen«. (Der Rettich wäre für den menschlichen Körper so viel wie ein Rußkehrer für den Ofen.)

      Ringelblumen (Calendula officinalis) wurden vielerorts für Heilsalben verwendet, die bei »offenen Füßen« (Ulcus cruris) aufgetragen wurden. In Schnaps angesetzt, wären sie das beste blutstillende Mittel gewesen, und »hatte ein Kind Rauden« (Schorf), nahm man reines Öl, gab die Blüten hinein und ließ es abstehen – das heilte.

      Rosmarin (Rosmarinus officinalis) galt als herz- und nervenstärkend und wurde auch bei Geschwulst angewendet.

      Sanikelwurzel/»Zauniglwurzn« (Sanicula europaea) wurde dafür geschätzt, selbst die »grauslichsten Wunden« zu heilen. Die Salbe der Mockbäuerin enthielt folgende Zutaten: »Rindschmalz, Lärchpech (Lärchenharz), echtes Bienenwachs, Wurzel von Beinwell (Symphytum off.), Wurzel von Liebstöckel (Levisticum off.), Fette Hennwurzn (Sedum telephium) und Nicklwurz (Sanicula europaea).«

      Schafgarbe (Achillea millefolium) galt als Blutstiller und wurde auch bei offenen Wunden angewendet. Außerdem hat man sie bei zu starken Monatsblutungen gegeben.

      Rosa Schafgarbe

      Spitzwegerich/»Gspitztwegat« (Plantago lanceolata) galt als blutreinigend, der Breitwegerich hingegen »ist so viel für’s Fiaba, als er Wurzeln hat«.

      Aufgrund glücklicher Umstände konnte der Nachlass der Familie Ragginer für das Südtiroler Volkskundemuseum in Dietenheim bei Bruneck gerettet werden.

      Mehrere unveröffentlichte Handschriften (Publikation R. Asche und E.-D. Schulze, siehe Literaturverzeichnis S. 252) dokumentieren Volksmedizin und Leben im Lasankental bei Brixen in Südtirol in der Zeit von 1780 bis 1975.

      Im Jahr 1781 heiratete der Gastwirtssohn Joseph Ragginer die Erbin des Hofes Kleinkaneid in Lüsen. Neben der Landwirtschaft soll er begonnen haben, sich um die medizinische Versorgung der 1000-Einwohner-Gemeinde zu kümmern. Es gibt dafür allerdings keine eindeutigen Belege. Aus Joseph Ragginers Zeit ist die Handschrift »Vademecum PASTOR BONUS« erhalten, die eine Fülle von Heilmitteln für Mensch und Tier beschreibt. Diese Rezepte repräsentierten im 18. Jahrhundert das Wissen der Ärzte und Laienmediziner in Südtirol.

      Später setzte sein Sohn Joseph Ragginer junior die Tradition des Vaters fort und behandelte Mensch und Tier nach der Säftelehre (Humoraltherapie) und mit Mitteln der Volksfrömmigkeit. Aus seinen Tagebuchaufzeichnungen ist ersichtlich, dass er 130 einheimische selbst gesammelte Pflanzen, 30 teilweise erworbene Mineralien und 40 tierische Drogen in 78 Heilmitteln zur Behandlung von 40 Krankheiten verwendete.

      »Blutströpfchen« mit Alpendistel

      Medizinflaschen der »Ragginer« im Volkskundemuseum in Dietenheim/Südtirol

      Als Joseph Ragginer junior 1873 starb, übernahm sein ältester Sohn Sebastian (1830–1899) den Hof Kleinkaneid. Er setzte die eigentliche ärztliche Tradition des Vaters nicht fort, war aber in ganz Tirol als »Salben-, Öl- und Wasserkramer« unterwegs. Im Keller


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