Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche. Elfie Courtenay
Medizin der Wiener Schule und richtete im Futterhaus des Bauernhofes einen Kurbetrieb für Wasser- und Aschekuren ein.
Vademecum Joseph Ragginer junior, Oberhauser und Pastor Bonus
Als »Vademecum« wurde ein Buch bezeichnet, das als unentbehrlicher Begleiter zur Berufsausübung mitgeführt wurde. Einige der in diesen drei Schriften aufgeführten pflanzlichen Heilmittel finden Sie bei den Pflanzenporträts in diesem Buch.
Maria Ragginer, die einzige Tochter Sebastians, wurde bürgerlich erzogen. Sie führte nach dem Tod ihres Vaters ein Leben in Abgeschiedenheit und stellte »Produkte der Volksfrömmigkeit« her. Sie geriet noch zu Lebzeiten in den Ruf einer Hexe. Sie hütete die medizinischen Heilmittel und Geräte, ohne von ihnen Gebrauch zu machen. Ihr ist es zu verdanken, dass sämtliche Schriften und Aufzeichnungen ihrer Vorfahren erhalten blieben.
Als das Volkskundemuseum Dietenheim die Schätze von Kleinkaneid bergen konnte, wurde zum ersten Mal deutlich, wie diese Bauerndoktoren über fast zwei Jahrhunderte gearbeitet hatten. Im Haus befanden sich noch eine Vielzahl von Ölen, Pulvern, Wassern, Geistern und Tinkturen. 25 Mittel waren mit handschriftlichen Hinweisen über die Anwendung versehen, und so gab es Arzneien gegen Wunden, Gelenkleiden, Frauenkrankheiten, Purgiermittel (Abführmittel), Mittel gegen Erkrankungen der Atemwege, Augen-, Magen- und Nervenheilmittel. Zwei Medikamente trugen eine handschriftliche Zeitangabe auf dem Etikett: Ein Digitaliswein stammte aus dem Jahr 1870, ein Puder für offene Füße und Wunden aus dem Jahr 1895.
Die Bibliothek des Bauerndoktors Sebastian Ragginer enthielt drei Bücher zur Pflanzenbestimmung und 31 Werke über Arzneimittelherstellung.
Verschollenes Wissen
Auffällig ist, dass für die Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts aus Süddeutschland kaum detaillierte Überlieferungen oder Aufzeichnungen zu Kräuterfrauen oder Bauerndoktoren vorliegen. Informationen finden sich am ehesten zu pflanzenkundigen Hebammen oder Klosterfrauen. Offenbar hat sich im südlichen Deutschland bisher noch kein Museum ernsthaft mit dem Thema »Volksmedizin« auseinandergesetzt.
Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Bauerndoktors Oberhauser, der in der Nachbarschaft von Kleinkaneid lebte (Vademecum Oberhauser von 1825), geht hervor, dass er die Pflanzenteile vornehmlich zwischen dem 15. August und 8. September gesammelt hat. Er hat die Pflanzen frisch verwendet, den Saft ausgepresst oder im Schatten getrocknet, hat sie zerstoßen und gesiebt. Anschließend hat er die Pflanzenteile verbrannt oder in Öl gesotten, bis die Masse Blasen warf – oder er röstete sie in Butter. Wurzeln hat er zerstoßen oder zerschnitten, oder er band sie in ein Tüchlein ein und hängte sie in warmen Wein. Den Pflanzenbrei strich er als Verband auf, die Pflanzenasche legte er als Pflaster auf den Leib, oder er verrieb sie in Salben. Die Salbenmasse breitete er auf einem Tuch zum Eintrocknen aus und strich sie anschließend auf ein Papier, von dem er bei Bedarf abschnitt. Öle und mit Pflanzenteilen angereichertes, verflüssigtes Butterfett siebte er durch ein feuchtes Tuch und bewahrte die Masse in Büchsen oder Gläsern auf.
Kräuterkundige Frauen
Auch wenn die Bauerndoktoren fast immer Männer waren, so haben während der letzten Jahrhunderte doch auch unzählige kräuterkundige Frauen ihr ererbtes Heilwissen in den Dienst ihrer Nächsten gestellt. Stellvertretend für diese unzähligen Frauen möchte ich hier drei von ihnen erwähnen. Die folgenden Zitate stammen aus dem Volkskundemuseum Dietenheim:
Wurzelgraberin und Schnapsbrennerin Maria Tipotsch, geboren vor 1680, Witwe mit sieben Kindern, ansässig im Landgericht Sterzing. 1704 erhielt sie die Lizenz zum Brennen von Enzianbranntwein.
Hebamme Maria Ruener,
geboren um 1726 in Olang, legte 1769 die Hebammenprüfung in Innsbruck ab, nachdem ab 1765 die Hebammenausbildung in Tirol Pflicht wurde. Sie war im Bereich von Olang/Altrasen tätig. Landhebammen übernahmen die geburtshilfliche Betreuung von Mutter und Kind, bereits vor, sowie während und nach der Entbindung. In äußersten Notfällen durften sie auch die Taufe spenden.
Klosterfrau Maria Cajetana Kempterin,
geboren um 1703, gestorben 1788 im Kloster Säben bei Klausen, Oberapothekerin, Chor- und Kapellmeisterin im Kloster Säben.
Klöster sind mit ihren Bibliotheken seit dem Mittelalter wichtige Wissenshorte und -quellen der Naturheilkunde. In den klostereigenen Gärten und Apotheken setzten Klosterfrauen und Mönche ihr Wissen in die Praxis um.
Typische Bräuche und Traditionen
Königskerze oder »Wetterkerze«, früher oft Mittelpunkt der Kräuterbuschen
Auch heute noch kennen wir Traditionen und Bräuche, die sich zurückverfolgen lassen bis in die vorchristliche Zeit. Wenn auch keine schriftlichen Quellen mehr existieren, so hat sich doch noch einiges in alten Geschichten bewahrt.
Vor langer Zeit, als die Menschen noch in Einklang lebten mit der Natur und den Jahreszeiten, nahmen sie die Fruchtbarkeit der Erde nicht als selbstverständlich hin. Sie befanden sich in fortwährendem Zwiegespräch mit den Kräften der Schöpfung, und die Bräuche, die sich so entwickelten, waren eng verwoben mit dem Wunsch, zu leben und zu überleben, Gutes zu erbitten und zu bewahren und sich vor Bösem zu schützen.
Kräuterbuschen-Binden
Zu diesen alten Bräuchen gehörte auch das Binden von »Kräuterbuschen«. Mitten im Sommer, wenn die Natur in voller Fruchtbarkeit und Blüte stand, gingen die Frauen und Mädchen hinaus, banden heilende Kräuter und duftende Blüten zu Sträußen und feierten Rituale der Dankbarkeit. Aber auch Fruchtbarkeit und Segen wurden erbeten, auf dass die Erde immer genug Nahrung für Mensch und Tier hervorbringen würde. Und während dieser Feste wurden die Kräuter geweiht und ihrer Bestimmung übergeben: Das Heim vor Blitzschlag und Feuer zu schützen und Familien und Vieh vor Krankheit und Not.
Während der Anfänge des Christentums sollen christliche Bekehrer immer wieder versucht haben, den Brauch der heidnischen Kräuterweihe zu bannen. Doch als die Frauen sich durch derartige Erlasse nicht beeindrucken ließen, hätte die katholische Kirche das Marienfest schließlich in diese Zeit gelegt. Die christliche Kräuterweihe sollte nun an die duftenden Kräuter erinnern, die nach dem Tode Mariens anstatt ihres Leichnams in ihrem Grab gefunden wurden.
Marienverehrung
Maria wurde in frühchristlicher Zeit als Schützerin der Feldfrüchte und Hüterin der Schöpfung verehrt. Und so wurde der 15. August, Mariä Himmelfahrt, bei den Katholiken zum Tag der Kräuterweihe. Und trotzdem wurde im »Pfälzer Kodex« von 743 der Kräutersegen verboten, da er noch immer als heidnischer Brauch galt, für den im Christentum kein Platz war.
Renaissance des Althergebrachten
Inzwischen ist dieser jahrhundertealte Brauch wieder stark aufgelebt, denn seit alters her galten die geweihten Buschen als heilkräftig. In den bäuerlichen Stuben wurden sie im Herrgottswinkel hinter das Kreuz gesteckt und auch im Stall und Speicher aufgehängt, um Krankheiten, Blitzschlag und alle sonstigen Übel fernzuhalten. Bei schlimmem Gewitter wurden Teile der Königskerze (daher der Name »Wetterkerze«) im Herdfeuer verbrannt. Andere Kräuter wurden bei Krankheit gekaut oder als Aufguss getrunken, dem Vieh unter das Futter gemischt, in die Saattruhe gelegt (zum Fernhalten von allerlei Ungeziefer) oder den Toten mit in den Sarg gegeben.
Ein Kräuterbuschen ist kein Blumenstrauß, sondern kann vielmehr ein Weg sein, der Natur und ihren geheimnisvollen Kräften näherzukommen! Die Auswahl und das Sammeln der Pflanzen sollten einer meditativen Handlung gleichen, einer bewussten Zuwendung an die segensreichen Heilkräfte der Natur.
Wenn Sie selbst einen Kräuterbuschen binden möchten, sollten Sie sich als Erstes die Zeit nehmen, die Pflanzen in Ihrer Umgebung sorgfältig zu erkunden. Ganz wichtig sind der persönliche Bezug und das Kennen der Pflanze,