Rückkehr zu Gott. Jörg Gabriel

Rückkehr zu Gott - Jörg Gabriel


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Es soll deutlich gemacht werden, wie bleibend aktuell Taulers Denken immer noch sein kann. Dietmar Mieth127 (1969) stellt in seiner Arbeit die Stellung Eckharts und Taulers zur „vita activa“ und „vita contemplativa“ vor. Nach Mieth ist bei Eckhart und Tauler die Trennung zwischen einem aktiven und kontemplativen Leben überwunden. Der Mensch kann in jeder Lebensform Innerlichkeit und Wirksamkeit verbinden, um zur Einheit mit Gott zu gelangen.128 Mieths Arbeit bietet darüber hinaus erste wertvolle Hilfen zur Klärung von Taulers theologischen und philosophischen Grundlagen bei Meister Eckhart.

      Alois M. Haas129 (1971) untersucht Taulers Lehre von der Selbsterkenntnis des Menschen. Dabei stellt er, wie Mieth, Verbindungen zu Meister Eckhart her. Außerdem geht er auf die Bedeutung der Selbsterkenntnis im Werk Heinrich Seuses ein. Die Selbsterkenntnis, so Haas, wird von Tauler als Instrument moralischer Selbstanalyse mit stark aszetischer Zielsetzung definiert.130 Um eins mit Gott zu werden, muss der Mensch das eigene Ich als ein „Nichts“ begreifen. So sind für Haas die Selbstbeobachtung, die Einsicht in die eigene Sünde und in die eigenen Gebrechen, die Verurteilung des eigenen Selbst, die Nächstenliebe sowie das Wahrnehmen des Seelengrundes, ja sogar die Versuchungen und bösen Neigungen, die Bausteine der Aszetik Taulers.131

      Der Schwerpunkt bei Stefan Zekorn132 (1993) liegt auf der Behandlung des Gebets und der konkreten Gebetsanweisungen, die sich aus Taulers Predigten ergeben. Zekorn begreift Tauler als Lehrer geistlichen Lebens, und er versucht von dorther die Lehre des Dominikaners zu erschließen.133 Außerdem zeigt er, dass Tauler die Beziehung von Gott und Mensch von einer Weghaftigkeit bestimmt sieht.134 Auch wenn in Zekorns Arbeit die Schwerpunktsetzung, wie der Autor selbst feststellt135, zu einer gewissen Überbetonung der Gebetspraxis führt, bietet sie eine gute Zusammenfassung zentraler Gedanken Taulers sowie einen ersten Blick auf dessen Beziehungen zum religiösen Leben seiner Zeit.

      Einen ausschließlich theologischen Akzent setzt Thomas Gandlau136 (1993). Er untersucht Taulers Trinitäts- und Kreuzestheologie: Tauler greift in seinen Predigten die Hauptthemen der Heilsgeschichte auf und verbindet sie mit der Situation seiner Zuhörer. Hierbei zeigt sich, dass der dreifaltige Gott die Menschen aus ihrer erbsündlichen Verfasstheit in die Fülle des trinitarischen Lebens führen möchte. Geglücktes und geheiltes Menschsein bedeutet für Tauler, als Abbild Gottes in den Dimensionen des dreifaltigen göttlichen Lebens der Liebe zu leben. Dieser trinitarische Ansatz ist für Tauler zutiefst mit dem Erlösungsgeschehen in Jesus Christus, dem Kreuzesmysterium, verbunden, denn allein durch den gekreuzigten und verlassenen Christus eröffnet sich dem an der Erbsünde erkrankten Menschen der Zugang zum dreifaltigen Leben mit Gott. Trinität und Kreuz sind Gandlau zufolge somit die innersten theologischen Schwerpunkte von Taulers Denken. Sie prägen sein Verständnis von der Nachfolge Christi, zu der er seine Zuhörer ermuntern will.137

      Die neuplatonische Ausrichtung Taulers im Zusammenhang mit der Lehre vom Seelengrund wird u.a. von Paul Wyser138 (1958), Ignaz Weilner139 (1961), Dietrich Schlüter140 (1961), Werner Beierwaltes141 (1985), Maarten J.F. Hoenen142 (1994) und Loris Sturlese143 (2007) betont. Sturlese bietet zudem eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse, und er behandelt den Einfluss der „deutschen Albert-Schule“, deren Vertreter Dietrich von Freiberg, Meister Eckhart und Berthold von Moosburg sind, auf Tauler.144

      Die Monographie über Johannes Tauler von Louise Gnädinger145 (1993) bietet eine Fülle an wichtigen Informationen. Im ersten Teil wird das Leben und das Umfeld Taulers ausführlich dargestellt146; im zweiten Teil behandelt Gnädinger die einzelnen mystischen Themen Taulers.147 Teil drei schließt das Buch mit Taulers Nachwirken ab.148

      Maarten J.F.M. Hoenen149 (1994) geht in seinem Beitrag auf die Bedeutung Taulers für die philosophische und spirituelle Kultur in den Niederlanden ein:

      „Tauler hatte im niederländischen Sprachraum eine sehr große, im Vergleich mit anderen deutschen Denkern beispiellose Wirkung, die vom Ende des 14. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert hinein reicht und durch sehr viele Handschriften, Drucke, Kataloge, Verweise und Zitate bezeugt ist.“150

      Hoenen stellt zunächst die wichtigsten Momente in der Rezeption Taulers vor, die um 1403 bei dem Mystiker Gerlach Peters beginnt.151 Es folgen die Reaktionen auf Taulers Lehren in den Niederlanden im 16. Jahrhundert. Hoenen unterscheidet dabei zwischen der Kritik an der Mystik im Allgemeinen und der Kritik an Tauler selbst. Zur ersten Gruppe gehören der Jesuiten-Ordensgeneral Mercurian (1578/79), der Provinzial der belgischen Kapuziner Hippolytus von Bergamo (1594) und der Apostolische Vikar der holländischen Mission Sasbout Vosmer (1593), die das Lesen der Schriften von Tauler, Ruusbroec und anderer Autoren verbieten lassen wollen. Diese Verbote, so Hoenen, sollten verhindern, „dass sich auf der Basis der Werke Taulers, Russbroecs und anderer geistliche Spekulationen entwickeln konnten.“152 Die Verbote zeigen aber gerade auch, „dass Autoren wie Tauler einen ernstzunehmenden Einfluss hatten.“153 Die zweite Art der Kritik an Tauler ist Hoenen zufolge interessanter:

      „In diesem Zusammenhang ist vor allem die Rolle zu betrachten, die Tauler im Glaubensstreit des 16. Jahrhunderts zufiel, wo er sowohl als Lutheraner ... wie auch als orthodoxer Katholik dargestellt wurde.“154

      Ausgangspunkt ist die in der Auseinandersetzung mit Martin Luther geübte Kritik Johannes Ecks an Tauler (1523).155 Diesen Angriff nahm der Benediktinerabt Ludwig Blosius (+1566), der zu dem damals niederländischen Kloster Liessies im Hennegau gehörte, zum Anlass, eine Verteidigung Taulers zu schreiben.156 Im dritten Teil untersucht Hoenen, auf welche Weise Tauler von protestantischer Seite (ab 1588) rezipiert wurde.157 Er stellt fest, dass der „protestantische Tauler“ großen Veränderungen unterzogen worden ist. Nichts mehr erinnert den protestantischen Leser an die katholische Kirche. Dass der Leser jedoch „einen ganz anderen Tauler als den ursprünglichen zu Gesicht bekam, blieb unerwähnt.“158

      Einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Textgrundlage von Taulers Predigten bietet die Arbeit von Johannes Gottfried Mayer159 (1999). Mayer untersucht die handschriftliche Überlieferung der Predigten Taulers des 14. Jahrhunderts bis zu den ersten Taulerdrucken. Laut Mayer lassen sich derzeitig vier Bearbeitungen in der Textgeschichte der Predigten Taulers ausmachen160: die Redaktion n, die sich in einer Nürnberger Handschrift (N1) erstmals 1435 greifen lässt; die Bearbeitung k aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (früheste Textform bietet die Handschrift der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Cod. St. Blasien 75 (= Ka 1); sodann eine auf Kontamination zurückgehende Schrift, die man den ´Großen Tauler´ (= grt) nennt (Codex Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Theol. et phil. fol. 283 (= St 4)); und schließlich eine Redaktion von mittelniederländischen und niederdeutschen Handschriften.161 Mayer stellt fest, dass all die genannten Überlieferungsformen (mit Ausnahme der niederländischen) der Redaktion n verpflichtet sind. Darüber hinaus geht der Text des n-Redaktors auch in die Drucküberlieferung ein. Die Textgestalt und die Auswahl der Predigten wurden also durch die Bearbeitung n bestimmt. Aus diesem Grund

      „kann diese Redaktion in Analogie zur Überlieferung der Hl. Schrift mit einigem Recht als ‚Vulgata-Fassung‘ – also als die Textform, in welcher Tauler vornehmlich gelesen wurde – bezeichnet werden.“162

      Die Handschriften N 1 (als ältester Textzeuge der Redaktion n) und St 4 gelten als historische Ausgangspunkte umfangreicher Überlieferungszweige, deren Geschichte und Traditionen Mayer bis zu den ersten Taulerdrucken nachzeichnet.163

      Wichtig für Taulers Beziehung zu Meister Eckhart sind die Arbeiten von Caroline F. Mösch164 (2006) und Christine Büchner (2007)165. Mösch untersucht in ihrer Arbeit Meister Eckharts Predigtzyklus Von der êwigen geburt166 sowie Johannes Taulers Predigten zum Weihnachtsfestkreis167. Dabei werden auch die Traditionsbezüge und die Paralellen zu den literarischen Zeugnissen des 13. und 14. Jahrhunderts aufgezeigt. Im dritten Teil der Arbeit werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Predigerbrüder herausgearbeitet, in der Predigtweise168,


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