Rückkehr zu Gott. Jörg Gabriel
religiösen Ideen zu verwirklichen.“164 In Norberts Klöstern dominierten die Frauen nicht, sondern sie lebten in Prémontré unter der Leitung des Abtes als „Inklusen“ oder „Conversen“. Am Chorgebet waren sie anfangs nicht beteiligt, übernahmen jedoch häusliche Arbeiten. Aber dennoch:
„Der Zustrom von Frauen aller Stände, besonders auch des Adels, muss auffallend groß gewesen sein, so dass Herrmann von Laon schon in der Jahrhundertmitte von 1000 Frauen in den Prämonstratenserklöstern des Bistums Laon, 10000 im ganzen Orden reden kann.“165
Die immer größer werdende Zahl von Nonnen mag dann auch der Grund gewesen sein, warum sich der neue Orden (vor 1200) von seiner ursprünglichen Bestimmung wieder entfernte und sich mehr den monastisch-eremitischen Strukturen der älteren Mönchsorden anglich, so dass die Seelsorge und die Verpflichtungen gegenüber den neugegründeten Frauenklöstern nach und nach aufgegeben wurden. Frauen wurden zudem durch Ausschluss aus dem Ordensverband sowie durch das Verbot, neue Doppelklöster zu gründen oder neue Frauenklöster im Ordensverband aufzunehmen (Inkorporation), gänzlich ausgeschlossen.166 Die Lücke, die nun entstand, füllten zunächst die Zisterzienser, denn es zeigte sich,
„dass diese prämonstratensischen Frauenklöster keineswegs nur ein Ergebnis der Ordenspropaganda gewesen waren, sondern der Niederschlag einer starken religiösen Frauenbewegung, die nicht erlosch, als der Orden von Prémontré sich ihr verschloss, sondern immer stärker anschwoll und sich neue Formen suchte.“167
III. Frauenklöster im Zisterzienserorden
Die religiösen Frauengemeinschaften suchten Anschluss an den Zisterzienserorden. Um 1200 beschloss dieser deshalb, Frauenklöster im Ordensverband aufzunehmen.168 Doch bereits auf dem Generalkapitel 1212 wurde darüber geklagt, die Frauenklöster lägen zu nahe bei den Männerklöstern.169 Zudem werde die strenge Klausur – Bedingung, um zum Zisterzienserorden gehören zu dürfen – nicht eingehalten.170 Problematisch war auch die Überfüllung der Klöster, so dass sich der Orden genötigt sah, nach Inspektion von Besitz und Einkünften der neuen Klöster jeweils die Höchstzahl von Nonnen festzulegen.171 1220 wurde schließlich beschlossen, künftig keine Frauenklöster mehr zu inkorporieren. Dieses Verbot betraf jedoch nur bereits bestehende Klöster; Neugründungen dagegen waren immer noch möglich, sofern die Nonnen in strenger Klausur lebten und das Kloster wirtschaftlich eigenständig bestehen konnte. Allerdings sollten sich keine Ordensbrüder mehr ständig in den Klöstern aufhalten, weder in den bestehenden noch in den neugegründeten, zwecks seelsorglicher Betreuung oder Verwaltung des Klosters.172 Auf dem Generalkapitel von 1228 wurde endgültig festgelegt, überhaupt keine Frauenklöster mehr in den Orden aufzunehmen. Zudem weigerte sich der Orden, die seelsorgliche Betreuung und die Visitationspflichten weiter wahrzunehmen. Ordensangehörigen wurde es strengstens verboten, diesen Beschluss nicht zu befolgen.173 Nur der Papst konnte veranlassen, ein neues Frauenkloster zu gründen bzw. im Ordensverband aufzunehmen. „Grundsätzlich konnte der Orden solche päpstliche Anweisungen zur Inkorporation nicht ablehnen.“174 Aus diesem Grund fanden immer noch Frauenklöster die Möglichkeit, in den Orden inkorporiert zu werden. Deshalb beschloss das Generalkapitel von 1230, den Papst über den Willen des Ordens zu unterrichten und um Zusicherung zu bitten, dass „künftig päpstliche Verfügungen über die Inkorporation von Frauenklöstern nur dann wirksam werden sollten, wenn darin der entgegenstehende Ordensbeschluss ausdrücklich außer Kraft gesetzt wird.“175 Eine Inkorporation sollte also nur verbindlich sein, wenn diese „Abrogationsklausel“, die ausdrückliche Außerkraftsetzung des Ordensbeschlusses, der päpstlichen Verfügung beigefügt sei. Die Kurie gewährte diesen Wunsch, unterließ es jedoch auch, den Orden zu neuen Inkorporationen bzw. Neugründungen zu zwingen.176
Neben der großen Anzahl von Laien, vor allem von Frauen, die sich für ein religiöses Leben nach dem Evangelium interessierten, hatte also auch der monastisch-eremitische Rückzug der Zisterzienser wie der Prämonstratenser zur Folge, dass sich das religiöse Leben der Laien weitgehend ohne genügend kompetente geistliche Begleitung entfalten musste.177 Die Laien mussten nun neue Wege und Formen finden. Und die neuen Bettelorden – Dominikaner und Franziskaner – waren noch in ihrer Entstehungsphase. So entstanden, meist in der Nähe von Hospitälern und Leproserien, neue Gemeinschaften von Jungfrauen und Witwen, die ein geistliches Leben führen wollten, aber zugleich praktische Werke der Nächstenliebe verrichteten. Aus diesen Bewegungen ging das Beginentum (um 1170) hervor.178 Das entstehende Beginenwesen – über das wir im Zusammenhang mit der religiösen Frauenbewegung noch sprechen werden – war jedoch nur die eine Seite der Medaille; auf der anderen Seite suchten viele die Nähe zu den als ketzerisch verurteilten Bewegungen, die seit dem 12. Jahrhundert immer mehr zunahmen.179
Sicherlich war der Rückzug der Zisterzienser und Prämonstratenser durchaus folgenreich. Man darf bei aller Kritik180 jedoch nicht vergessen, dass die Zisterzienser nicht aus der Wanderprediger-Bewegung hervorgegangen sind, sondern aus einer Erneuerungsbewegung des benediktinischen Mönchtums. Das eigentliche Ziel war also nicht die Sorge um Frauenklöster, sondern ein monastisch-eremitisches Leben. Und ganz außer Acht lassen darf man auch nicht, dass Norbert von Xanten zunächst einmal ein eremitisches Leben führen wollte. Allerdings ist sein Orden – im Gegensatz zu den Zisterziensern – aus der Wanderprediger-Bewegung hervorgegangen.
138 Vgl. u.a. Grundmann 1977, 38-50. 442-452. 487-524; Ders. 1978, 38-92.
139 Vgl. Angenendt 2005, 54. 224f.; Kempf 1999, 519.
140 Kempf 1999, 519.
141 Kempf 1999, 518. Vgl. Mt. 8,20: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Oder Lk 10,1-12: Christus schickt seine Jünger zu zweit, aber ohne Geldbeutel und Vorratstasche zum Predigen: „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! ... Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,4.9). Vgl. McGinn 1999, Bd. 3, 25: „Kein Ideal stand höher im Mittelpunkt des Spätmittelalters als dasjenige der vita apostolica, d.h. der Wunsch, so zu leben, wie Christus und seine Apostel gelebt hatten.“
142 Vgl. Grundmann 1977, 41f.: „Robert von Arbrissel … erhielt im Februar 1096 von Urban II. die Erlaubnis zur Wanderpredigt; Bernhard von Thiron, der sich um 1101 an Robert anschloss, soll in Rom von Paschalis II. mit dem Amt eines predicator publicus betraut worden sein; ein Mann namens Heinrich (von Lausanne), der vorher Mönch gewesen war, erwirkte 1101 von Bischof Hildebert von Le Mans die Erlaubnis zur Predigt in dessen Diözese; Norbert von Gernepp (Norbert von Xanten), aus freiherrlichem Geschlecht, Kanoniker von Xanten, auf einer Fritzlarer Synode wegen unberechtigter Predigttätigkeit angeklagt, wurde im November 1118 durch Papst Gelasius II. zur Wanderpredigt ermächtigt.“
143 Vgl. Morrison 1993, 208: „Radikale Nonkonformisten wie Heinrich von Le Mans (um 1116-1145), Arnold von Brescia (1155 hingerichtet) und wohl auch Tanchelm vom Antwerpen (1115 erschlagen) begannen ihre Predigt innerhalb der Gregorianischen Reform und endeten mit einer Verurteilung der hierarchischen Kirche, weil diese das Evangelium durch weltlichen Pomp und Habsucht verraten hatte.“
144 Vgl. McGinn 1999, Bd. 3, 27: „Die neue Etappe im Verständnis der vita apostolica ist untrennbar mit dem Aufsprießen volkstümlicher Häresien im 12. und 13. Jahrhundert verbunden.“ Vgl. Borst 2007, 199 – 286; Morrison 1993, 208.
145 Vgl. v. Brockhusen 1998, 456f.
146 Grundmann 1977, 43.
147 Grundmann 1977, 45.
148 Vgl. Grundmann 1977, 46. Heinrich von Lausanne bspw. „hat sich zwar auf einer Synode in Pisa 1134 verpflichtet“, so Grundmann (45), „seine Tätigkeit als Wanderprediger aufzugeben und Mönch in Citeaux zu werden, er hat aber diese Verpflichtung nicht eingehalten; seine Anhänger in klösterliche Gemeinschaften zusammenzuschließen und einen Orden zu gründen, das hat er, so viel wir wissen, nie versucht. Eben