Rückkehr zu Gott. Jörg Gabriel
ging das Kloster in den Besitz des Ordens über. In das Kloster zog auch ein Brüderkonvent. In den folgenden Jahren (bis 1221) gründete Dominikus noch weitere drei Frauenklöster: zwei in Spanien, in Madrid und Segovia (1218)425; in Rom wird Dominikus von Papst Honorius III. (1216 – 1227) beauftragt, das Benediktinerinnenkloster S. Maria in Trastevere zu reformieren. Hierzu soll im Auftrag des Papstes ein ganz neues Kloster (S. Sisto) errichtet werden, in das die Benediktinerinnen überführt und nach den Richtlinien des Klosters von Prouille reformiert werden sollen. Eine vierte Gründung in Bologna kam 1227 unter Dominikus Nachfolger Jordan von Sachsen (+1237) zustande.426 Sie verlief allerdings nicht ohne Widerstand, denn die Brüder sträubten sich gegen ein weiteres Frauenkloster.427 Papst Honorius III. forderte schließlich eindringlich und „in schroffem Ton“428, das S. Agnes Kloster in Bologna in den Orden zu inkorporieren.
Das Generalkapitel zu Paris (1228) lehnte sodann die Neuaufnahme von Frauenklöstern unter strengem Gehorsam und bei Strafe der Exkommunikation ab.429 Was führte zu solch einem Beschluss? Er richtete sich nicht gegen die schon bestehenden Frauenklöster, sondern er zielte vor allem auf die Verhältnisse in Deutschland: Der weibliche Zudrang zum Orden hatte in den nördlichen Provinzen des Ordens so stark zugenommen, dass – wie Jordan von Sachsen in einem Brief schreibt – die Predigerbrüder „fremde, eintrittswillige Frauen ... zu leichtfertig zum Haareabschneiden, zum Einkleiden und zu den Enthaltsamkeitsgelübden zuzulassen pflegten.“430 Schon Dominikus warnte auf dem Sterbebett, „verdächtigen Umgang mit Frauen, vor allem aber mit jungen Mädchen zu meiden.“431
Als die Predigerbrüder in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nach Deutschland kamen, fanden sie bereits zahlreiche Frauen- gemeinschaften vor, z.B. Klausnerinnen, denen sich der Orden sodann annahm. Aber es schlossen sich ihnen infolge der Predigttätigkeit weitere Frauen an, viele stammten aus adligen Familien, die als Gemeinschaften Nähe zum Dominikanerorden suchten.432 Nach geltendem Recht unterstanden die religiösen Frauengemeinschaften, solange sie nicht als selbstständige Klöster anerkannt waren, dem zuständigen Diözesanbischof und der ordentlichen Pfarrgeistlichkeit. Die Bischöfe sträubten sich gegen die Loslösung der Frauengemeinschaften aus dem Pfarrverband. Gegen diese Widerstände setzten sich die Frauen mit Hilfe der päpstlichen Kurie zur Wehr.433
Weitaus heftiger aber war der Widerstand von Seiten des Ordens. Er richtete sich gegen die Aufnahme von Frauenklöstern in den Ordensverband.434 Denn die Beschlüsse des Generalkapitels von 1228 blieben in Deutschland wirkungslos. Die Dominikaner verstießen dort ganz offen gegen den Beschluss, keine neuen Frauenklöster zu gründen und in den Orden zu inkorporieren. Aus diesem Grund erfolgte der Kapitelsbeschluss (vor 1236), sich aus der Frauenseelsorge, der cura mulierum, völlig zurückzuziehen und die Beziehungen zu den bereits bestehenden Frauenklöstern aufzukündigen.435 Daraufhin legten die Dominikaner die Leitung des Frauenklosters in Prouille nieder. Die Frauen Prouilles und auch die des Klosters in Madrid beschwerten sich daraufhin bei der Kurie in Rom. Papst Gregor IX. (1227 – 1241) wies den General des Dominikanerordens in einer päpstlichen Bulle zurecht und forderte, unverzüglich die Seelsorge in diesen Klöstern wieder zu übernehmen.436
In Deutschland wurde auch dieser Beschluss des Generalkapitels nicht beachtet. Das lag jedoch u.a. daran, dass dieser auch innerhalb der Ordensleitung keine einmütige Zustimmung fand. Der General des Ordens, Jordan von Sachsen, nahm an den Kapiteln, auf denen jener Beschluss gefasst worden sein muss, krankheitshalber nicht teil. Das Generalkapitel von 1236 – wieder unter seiner Leitung – lehnte ihn ab. Somit wurde dieser Beschluss wieder hinfällig.437 Aber damit war der Widerstand keinesfalls gebrochen. Die Gegner argumentierten, „dass alle solche Verpflichtungen die Ordensbrüder an der Erfüllung ihrer wesentlichen Aufgaben, der Predigt und der Kontemplation behindere.“438 Aus diesem Grund ließ sich der Orden 1239 von Gregor IX durch eine Bulle zusichern,
„dass er zur Übernahme von Seelsorgeverpflichtungen in Nonnenklöstern und bei anderen religiösen Frauen, ebenso zur Aufsicht und Visitation in Klöstern und Kirchen, zur Durchführung von Rechtshändeln und zur Verkündigung von Bannbullen künftig nicht mehr durch päpstliche Bullen verpflichtet werden dürfe, es werde denn die vorliegende Zusicherung ausdrücklich durch eine ‚Abrogationsklausel‘ außer Kraft gesetzt.“439
Trotz dieser Zusicherung zog sich der Orden nicht aus der Verantwortung gegenüber den Frauengemeinschaften und Frauenklöstern zurück. Zu Lebzeiten Gregors blieben die Verhältnisse in der Schwebe.
Das änderte sich nach seinem Tod 1241. Zur selben Zeit wurde ein neuer Ordensgeneral gewählt, der Deutsche Johannes von Wildeshausen. Johannes nutzte die Vakanz nach dem frühen Tod Papst Cölestins IV. (+1241), um klare Verhältnisse zu schaffen. Das Generalkapitel von 1242
„verhängte Strafen über alle Brüder, welche Nonnen oder anderen religiösen Frauen die Sterbesakramente gereicht, sich in ihre Leitung eingemischt oder Visitationspflichten bei ihnen übernommen hatten, und verbot allen weiteren Verkehr mit ihnen.“440
Der Ordensgeneral ließ darüber hinaus die Brüderkonvente aus den Frauenklöstern S. Sisto, Prouille und Madrid abziehen. Der neue Papst Innozenz IV. (1243 – 1254) war jedoch nicht gewillt, diesen Kapitelbeschluss hinzunehmen. Er begann Gegenmaßnahmen einzuleiten: Anstoß für diese gab das französische Kloster Montargis, in der Nähe von Orleans, das Anschluss an den Orden suchte.441 Da der Orden die Inkorporation verweigerte, wandte sich die Gründerin des Klosters, Amicie von Joigny, an die Kurie, die sich gerade in Lyon aufhielt. Mit einer Bulle vom 8. April 1245 verfügte der Papst die Inkorporation.442 Die Bulle – die auch die Franziskaner betraf – beinhaltete:
„Die Frauen werden sub magisterio et doctrina des Ordensgenerals und des betreffenden Provinzials gestellt; sie haben Anteil an allen den Orden verliehenen Privilegien. Der General und der Provinzial haben die sollicitudo et cura animarum in den Frauenklöstern zu übernehmen, persönlich oder durch geeignete Vertreter die Visitationspflicht zu erfüllen; die freie Wahl der Priorin oder Äbtissin steht aber dem Kloster allein zu. Sie haben bei den Nonnen Beichte zu hören und die Sakramente zu reichen. Weil aber die Ordensbrüder nicht verpflichtet sind, dauernd in den Frauenklöstern zu residieren, so sollen Ordens- instanzen geeignete Kapläne anstellen, die in dringenden Fällen die Beichte hören und die Sakramente spenden können. Die Klöster dürfen Besitz und Einkommen haben, auch wenn es die Gewohnheit oder die Statuten des betreffenden Ordens bisher anders bestimmt hatten.“443
Die Bulle enthielt für die Dominikaner zwei Zusätze: Bestimmungen der Ordens-Konstitutionen oder anderer päpstlicher Bullen, die der Verpflichtung zur Seelsorge in Frauenklöstern entgegenstehen, werden außer Kraft gesetzt; sodann werden die Ordensinstanzen beauftragt, in den Frauenklöstern, die dafür in Betracht kommen, die Ordenskonstitutionen einzuführen.444 Die päpstliche Bulle von 1245 hatte weitreichende Folgen:
„Dadurch war gleichsam der Damm gebrochen, der die Frauenklöster bis dahin außerhalb des Ordens gehalten hatte. Der Vorgang des Klosters Montargis war für die deutschen Frauengemeinschaften beispielgebend, und in rascher Folge erwirkte sich eine nach der andern durch die Kurie in Lyon die Aufnahme in den Orden.“445
Im Laufe von fünf Jahren (bis 1250) musste der Orden in Deutschland mindestens 32 Frauenklöster übernehmen.446 Auf die Dominikaner in Deutschland kamen Aufgaben zu, die nur sehr schwer zu bewältigen waren:
„Bedenkt man ..., dass während des ganzen Generalats Johann von Wildeshausen – 1241 bis 1252 – nur 4 neue Männerklöster in Deutschland entstanden sind und nur 24 in sämtlichen Ordens- provinzen, so lässt sich ermessen, welche außerordentliche Bürde dem Orden durch diese massenhafte Inkorporation übertragen wurde.“447
Der Orden musste sich auf diese Situation rasch einstellen.448 Die Ordensleitung war nicht gewillt, die Bestimmungen so einfach hinzunehmen. Die Dominikaner lehnten eine vollständige Inkorporation der Frauenklöster ab, weil sie sich „in der Erfüllung der Hauptaufgabe ihres Ordens, in der Predigt“449 behindert sahen.
Da die Frauenklöster, die von Dominikanern betreut wurden, zwar nach gleichartigen