Der neue Taschen-Knigge. Herbert Schwinghammer
ist, dass das Büfett zu früh abgeräumt sein kann. Es kann vorkommen, dass bestimmte Speisen dann nicht mehr vorhanden sind; aber auch das kann ein guter Gastronom voraussehen, denn die Erfahrungen in der Bewirtschaftung verschiedener Veranstaltungen gleichen sich.
Am besten lässt es sich steuern, wenn das Büfett pro Gang neu bestückt wird. Dann ist es ganz normal, dass nach dem ersten Durchgang nur noch wenig vorhanden ist, denn es kommt ja der nächste Gang. Allerdings sollte der Vorspeisengang schon so reichlich bemessen sein, dass auch die Letzten in der Schlange ihren Anteil abbekommen.
Wenn genügend Platz vorhanden ist, sollte man das Büfett so organisieren, dass es bei gleichem Angebot sowohl von links wie auch von rechts an zwei Seiten anzusteuern ist – das verkürzt die Wartezeiten um die Hälfte, und es wird trotzdem nicht mehr gegessen.
Eines höherklassigen Hotels unwürdig wäre es, wenn man ein Frühstücksbüfett anbieten würde, dessen Hauptattraktion – beispielsweise Lachs am Stück – schon nach einer Stunde abgeräumt ist und nicht wieder gleichwertig nachgereicht wird. Hotelgäste, die noch innerhalb der offiziellen Frühstückszeit später kommen und nur noch Brötchen und Marmelade vorfinden, sollten dies nicht hinnehmen und sich beschweren.
Ein weiterer schwerer Organisationsfehler vonseiten des Veranstalters ist es, bei schwer zu handhabenden Speisen – beispielsweise Braten mit Soße – nicht genügend Plätze zur Verfügung zu stellen, an denen man den Teller abstellen und problemfrei davon essen kann.
Insgesamt hält ein Büfett also sowohl für den Gast als auch für den Gastgeber einige Fallstricke bereit, die mit Besonnenheit und Erfahrung gut zu umgehen sind. Grundsätzlich gilt, dass die Bereitstellung eines Büfetts in erfahrene Hände gehört, da die Organisation sowohl hinsichtlich der Menge als auch der räumlichen Situation nicht einfach ist. Denn Suppen, Eintöpfe und Speisen mit Saucen anzubieten, die gemeinhin mit Besteck gegessen werden, ohne dass alle Gäste die Möglichkeit haben, ihren Teller auf einem (Steh-)Tisch abzusetzen, stellt einen groben Bewirtungsfehler dar.
Die Übersicht bewahren
Für Sie als Gast kann ein Büfett richtig heikel werden, wenn Sie unter Beobachtung stehen und die Einschätzung Ihrer Person für Sie von Wichtigkeit ist. Verhalten Sie sich am Büfett eher defensiv, lassen Sie anderen Gästen den Vortritt, überlegen Sie schon vorher, ob Sie in der Lage sind, die aufgenommenen Speisen im Stehen essen zu können, vermeiden Sie überladene Teller, seien Sie vorsichtig mit Saucen – denn weder auf dem Boden noch auf dem Rücken eines anderen Gastes sind sie erwünscht –, und beobachten Sie schon vorher, ob Sie Ihren Teller zum Essen abstellen können oder nicht und wählen Sie entsprechend die Speisen aus. Wenn Sie im Stehen essen müssen, empfiehlt es sich, auf alles zu verzichten, wozu Sie Besteck brauchen. Häppchen, Kanapees oder Ähnliches dürfen Sie am Büfett mit den Fingern von der Platte aufnehmen, ohne die anderen Lebensmittel zu berühren. Auch beim Essen dürfen Sie sie mit der Hand zum Mund führen. Vergessen Sie am Büfett nie, eine Serviette mitzunehmen, vor allem dann, wenn Sie im Stehen essen und die Speisen in die Hand nehmen müssen.
Zwischen den Gängen
Zwischen den Gängen sollte sich die Tafel nicht auflösen, außer wenn notwendige Dinge erledigt werden müssen, und dazu zählt eigentlich nur der dringende Gang zur Toilette. Völlig unmöglich ist es, wenn Sie sich in den Essenspausen am Tisch die Haare kämmen oder das Make-up korrigieren.
Hüten Sie sich davor, zwischen den Gängen zu telefonieren, denn mit solchem Handeln bringen Sie Ihre Ignoranz gegenüber dem Gastgeber und den anderen Gästen zum Ausdruck. Überhaupt sollte das Handy während des ganzen Abends aboder zumindest stummgeschaltet sein. Sollten Sie vergessen haben, Ihr Handy auszuschalten, dann entschuldigen Sie sich und schalten es unverzüglich aus.
Gespräche bei Tisch
→Tischgespräche während des Essens sind nur mit den unmittelbaren Nachbarn erlaubt, weil lediglich mit ihnen in normaler Lautstärke kommuniziert werden kann.
→Man sollte unbedingt vermeiden, hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln oder zu flüstern. Dies ist zum einen unhöflich und zum anderen unpraktisch, denn Sie brauchen Ihre Hände ja zum Essen.
→Ein unmögliches Verhalten legt man an den Tag, wenn man vor oder hinter dem Kopf des direkten Nachbarn ein Gespräch mit dem übernächsten Nachbarn führt.
→Zwischen den Gängen kann es bei den Gesprächen am Tisch schon etwas lauter sein als während des Essens, wobei aber Nörgelei über die Qualität des Essens selbstverständlich nicht gut ankommt.
Versäumnisse von Küchen- und Servicepersonal
Dass sich selbst in sehr guten Restaurants oder in der heimischen Küche einmal ein Fehler einschleicht, ist normal und muss nicht lautstark kommentiert werden. Ein dezenter Hinweis ist genauso wirkungsvoll. Der Gastgeber hat sich bestimmt mit der Auswahl des Restaurants oder in seiner eigenen Küche viel Mühe gegeben – deshalb ist es peinlich, wenn Versäumnisse an die große Glocke gehängt werden.
Das Haar in der Suppe
Das Haar in der Suppe – in vielen Filmen und Witzen ausgiebig behandelt – sollte durch die Kochmützen, die vom Küchenpersonal getragen werden, eigentlich unmöglich sein. Es kann aber auch auf anderem Weg in das Essen gelangen, nicht zuletzt beim Servieren. Im Restaurant lässt sich das Malheur relativ leicht ausbügeln, indem man eine Bedienung ohne großes Aufsehen zu sich winkt und die Suppe gegen eine andere austauschen lässt. Bei einem privaten Essen sollten Sie entweder das Haar unauffällig auf dem Tellerrand deponieren oder die Suppe kommentarlos stehen lassen. Letzteres bietet sich an, weil es zum einen nicht leicht ist, mit einem Löffel ein Haar aus der Suppe zu fischen, und weil andererseits der Appetit auf diese Suppe vermutlich ohnehin vergangen ist.
Sonstige Qualitätsmängel
→Heiße Suppe: Ist die Suppe zu heiß, um sie sofort zu essen, rührt man leicht mit dem Löffel, bis sie sich etwas abgekühlt hat. Ausgiebiges Pusten gehört nicht zur feinen Art.
→Zähes Fleisch: Lässt die Qualität des Fleisches zu wünschen übrig, indem es so zäh ist, dass Sie es nicht kauen können, dann haben Sie nur die Möglichkeit, es unauffällig vom Mund auf den Tellerrand zu befördern. Dabei könnte ein Problem entstehen, denn die klassischen Regeln verlangen, dass Sie die Gabel vor den Mund halten, das durchgekaute Fleisch mit den Lippen vorsichtig darauf ablegen und es dann auf den Tellerrand legen. Dies gehört sicherlich nicht zu den unauffälligsten und ästhetischsten Tätigkeiten während des Essens und ist Beweis dafür, dass nicht alle klassischen Regeln heutzutage noch gesellschaftsfähig sind. Überlegen Sie also, ob Sie in diesem Fall nicht die Regeln durchbrechen wollen, weil es einfacher und unauffälliger ist, eine Sekunde lang die Finger zu benutzen und sie anschließend an der Serviette zu säubern. Keinesfalls sollte die Serviette zum Mund geführt und das Fleisch darin untergebracht werden, denn die Serviette wäre damit für den Rest des Essens unbrauchbar.
→Kork im Wein: Ein Fehler des Service ist es, wenn eine Weinflasche unsachgemäß geöffnet wird und dabei Brösel des Korkens in den Wein gelangen. Finden Sie solche Korkstückchen in Ihrem Wein, so versuchen Sie gar nicht erst, diese mit Löffel, Gabel oder Messer herauszufischen. Lassen Sie sich in einem neuen Glas aus einer anderen Flasche einschenken.
→Schmutzige Gläser: Lippenstiftreste oder sonstige Flecken am unbenutzten Glas sollten in einem guten Restaurant eigentlich nicht vorkommen. Fragen Sie ohne viel Aufheben nach einem neuen Glas, das man Ihnen sicher anstandslos sofort bringen wird.
Die hohe Kunst des Essens
Viele Essmanieren haben sich etwas gelockert – so darf heute beispielsweise mehr mit den Fingern gegessen werden. Andere Regeln werden dagegen noch genauso strikt befolgt wie früher. Doch ein Trend ist klar erkennbar: Der Genuss wird überall höher eingeschätzt als die allzu dogmatische Einhaltung