Der neue Taschen-Knigge. Herbert Schwinghammer

Der neue Taschen-Knigge - Herbert Schwinghammer


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Wenn Sie bei einer Reise in die Länder dieses Kontinents auch private Kontakte pflegen wollen, wobei das Essen eine große Rolle spielt, sollten Sie sich noch zu Hause Stäbchen besorgen und fleißig üben. Bei Ihren Gastgebern in Fernost werden Sie angesichts Ihrer Geschicklichkeit im Umgang mit den Stäbchen freudiges Erstaunen hervorrufen.

       Gewusst wie

      Es werden zum Essen zwei Holzstäbchen gereicht. Das erste Stäbchen legen Sie in der Mitte des oberen Drittels in die Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, wobei die Mitte des Stäbchens auf dem Ringfinger in Höhe des Fingernagels zu liegen kommt. Der Daumen übt dabei leichten Druck nach unten auf das Holz aus, sodass es sich nicht mehr bewegen kann. Das zweite Stäbchen nehmen Sie wie einen Stift zwischen Daumen und Zeigefinger, indem der Daumen die unbewegliche Führung bildet und der Zeigefinger den beweglichen Partner darstellt. Die Enden der beiden Stäbchen müssen nebeneinander liegen. Das Ende des beweglichen oberen Stäbchens kann nun gegen das Ende des unbeweglichen unteren geführt werden. Auf diese Weise werden die Speisen eingeklemmt oder auf die beiden Enden gehäuft. Verschieben sich die Stäbchen beim Essen gegeneinander, sodass die Enden nicht mehr nebeneinander liegen, stoßen Sie beide auf Teller oder Schälchen sanft wieder zurecht.

      Das Essschälchen, das in der Regel statt eines Tellers gereicht wird, darf in die Nähe des Mundes geführt werden, weil so der Weg der Speisen zum Mund nicht mehr weit ist und beim Essen die aufrechte Haltung gewahrt werden kann.

       Essen mit den Fingern im orientalischen Raum

      In manchen Teilen Asiens und insbesondere in der arabischen Kultur gehört das Essen mit den Fingern zur traditionellen Art, das Essen einzunehmen. Dies ist durchaus mit Feinheit und Eleganz möglich; selbst in höchsten gesellschaftlichen Kreisen würde das europäische Besteck Verwunderung und Ablehnung hervorrufen. Es wird nur mit der rechten Hand gegessen, die linke bleibt unter dem Tisch, weil sie als unrein gilt. Selbstverständlich funktioniert dies nur mit der landesüblichen Kost, wobei klebriger Reis eine wichtige Rolle spielt. Zwischen dem Zeigefinger und dem Ringfinger der rechten Hand wird ein Kügelchen aus klebrigem Reis gerollt, wobei das Kügelchen an diesen Fingern kleben bleiben muss. Mit dem Daumen werden kleine Fleischstückchen oder Gemüsestücke gegen das Reiskügelchen geschoben und so zum Mund geführt. Auch Sauce kann auf diese Weise aufgenommen werden. In Indien ist das Essen mit den Fingern ebenfalls weit verbreitet, wobei allerdings kein Reis, sondern hauchdünnes Fladenbrot aus Reis, Linsen oder Kichererbsenmehl als Grundlage dient.

       Essen mit den Fingern im abendländischen Raum

      Bei uns ist das Essen mit den Fingern bei gehobenen Anlässen oder Festivitäten nur in klar definierten Situationen möglich – und dann immer nur mit einer Hand. Dies ist der Fall, wenn die Speisen nicht oder nur schwer mit Messer und Gabel zu essen sind. Das Essen wird nicht in kleinen Happen mit der Gabel zum Mund geführt, sondern es wird ein größeres Stück in die Hand genommen und davon abgebissen. Vor allem Geflügel wird oft mit den Fingern gegessen, wenn es nicht knochenfrei portioniert wurde, sondern Keulen und Flügel im Ganzen serviert werden (s. Seite 77 ff.). Auch einige Meerestiere werden mit den Fingern gegessen (s. Seite 65ff.).

       Fingerschälchen

      Das Essen mit den Fingern ist aber nur dann Etikette, wenn die Enden von Keulen mit Papierbanderolen versehen sind, sodass die Finger das Fleisch nicht berühren, oder wenn bei jedem Gast Fingerschälchen mit lauwarmem Wasser bereitgestellt werden. Dazu werden Zitronenscheiben gereicht. Diese presst man leicht zusammen und streift mit ihnen das Fett von den Fingern. Anschließend werden die Finger im Schälchen abgespült und mit der Serviette getrocknet. Das kleine Wasserschälchen zum Reinigen der Finger wird auch „Fingerbowle“ genannt.

       Der Gebrauch von Gläsern

      Auf einer traditionell eingedeckten Tafel finden Sie drei Gläser pro Gedeck, wobei das größte entweder das Bier oder das Rotweinglas ist. Wenn das Bier direkt vom Fass kommt, wird im Restaurant das Bierglas immer erst nach der entsprechenden Bestellung gefüllt. Im gleichen Zuge werden die Weingläser, die nicht gebraucht werden, abgedeckt. Dies ist zwar nicht gerade die feine Art, spart aber das Spülen von nicht benutzten Gläsern. Denn alle Gläser, ob benutzt oder nicht, müssen gespült werden, wenn sie auf dem Tisch stehen bleiben. Wenn Sie von Bier auf Wein umsteigen, bekommen Sie wieder ein Weinglas serviert. Bei einer privaten Einladung wird der Gastgeber, so genug Platz auf dem Tisch ist, alle Gläser im Gedeck stehen lassen.

       Das Glas erheben

      Alle Gläser, die bei einer klassisch eingedeckten Tafel Verwendung finden, haben einen Stiel. In der Mitte des Stiels fasst man das Glas an, weil damit unschöne Fingerabdrücke am Glas und die Erwärmung des Weins durch die Hand verhindert werden. Kommen doch einmal Gläser ohne Stiel zum Einsatz oder werden Getränke in Silberbechern gereicht, dann wird das Gefäß in der Mitte angefasst und nicht oben am Rand. Für jedes Getränk gibt es ein eigenes Glas.

       Allgemeine Regeln am Tisch

      Rund ums Essen gibt es eine Reihe von Regeln, die nicht direkt mit der Einnahme des Essens zu tun haben, die aber dazu dienen, dem Essen einen stilvollen Rahmen zu geben. Manche erscheinen dem zivilisierten Menschen als Selbstverständlichkeit, sollen hier aber der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Andere geraten leicht in Vergessenheit, weil sie einem vielleicht unwichtig erscheinen mögen. In der entsprechenden Situation können sie aber an Bedeutung gewinnen.

       Selbstverständlichkeiten

      →Vor dem Essen sucht man die Toilette auf und wäscht sich die Hände.

      →Am Tisch sollte man Haltung bewahren: Auch zwischen den Gängen ist eine aufrechte Sitzhaltung angebracht. Die Ellbogen kommen mit dem Tisch nie in Berührung.

      →Dass laute Verdauungs- oder Körpergeräusche absolut verpönt sind, und nicht nur beim Essen, gehört eigentlich zum gesellschaftlichen Grundwissen.

      →Zu diesen allgemein anerkannten Tabus zählen auch Verrichtungen wie das Kauen von Fingernägeln und das Nasenbohren mit den Fingern.

      →Erlaubt ist natürlich das Säubern der Nase mit dem Taschentuch, wenn man sich dabei vom Tisch abwendet und die Aktion nicht allzu lange ausdehnt. Besser wäre es, zu diesem Zweck kurz aufzustehen und sich ein paar Schritte vom Tisch zu entfernen.

      →Auch das Schmatzen und Schlürfen ist kein Zeichen dafür, dass es besonders gut schmeckt, sondern gilt als grobe Unhöflichkeit gegenüber den anderen Personen am Tisch.

      →Tabu ist auch das Kauen von Kaugummi zwischen den Gängen.

       Servieren und Abtragen

      Alle Tätigkeiten des Servierens und Abdeckens sind nicht Sache des Gastes, sondern ausschließlich die des dafür anwesenden Personals. Dazu gehören auch „hilfsbereite“ Handreichungen, die zwar nett gemeint sein können, aber von gut ausgebildetem Servicepersonal in der Regel nicht erwünscht sind. Stellen Sie nach einem Menügang keine Teller zusammen, sondern lassen Sie sie so stehen, wie sie eingedeckt waren. Aufeinander getürmte Teller lassen sich nur schwer zwischen den Köpfen der Gäste hindurch balancieren – vor allem dann, wenn darauf noch jede Menge Besteck liegt. Die Bedienung tut sich mit einzelnen Tellern leichter, von denen mehrere fachgerecht hinter den Gästen aufgenommen und abgetragen werden. Auch das Annehmen von vollen Gläsern mit der Hand kann problematisch sein, ganz abgesehen davon, dass damit ein Verstoß gegen die Etikette begangen wird. Eine gute Bedienung wird es erst gar nicht dazu kommen lassen – aber nehmen Sie die Teller beim Servieren nicht mit der Hand an, denn sie können sehr heiß sein.

      Der Servierwagen ist für den Gast tabu, auch wenn er direkt hinter ihm steht und beispielsweise zum Nachfassen verführt. Ebenso werden die Warmhalteglocken, die möglicherweise auf dem Tisch über einer Schale oder Platte stehen, nur durch das Servicepersonal geöffnet. Ob direkt vom Tisch oder vom Servierwagen: Der Wunsch des Nachfassens wird unauffällig signalisiert und keinesfalls eigenmächtig erfüllt. Werden diese Regeln nicht eingehalten und wird infolge dessen etwas verschüttet oder


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