Die Eucharistie als Opfer der Kirche. Michael Hesse

Die Eucharistie als Opfer der Kirche - Michael Hesse


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zum AT]. Ihre Stiftung fällt mit der Einsetzung der Eucharistie zusammen. Jesus Christus, der Stifter des Neuen Bundes, hat dieses Opfer selbst eingeführt. Brot und Wein, die aus der Schöpfung genommen sind, bilden die Materie des Opfers; diese werden in das Fleisch und Blut Jesu Christi verwandelt … Die Kirche handelt so, wie Christus einst gehandelt und nachzutun befohlen hat.“37

      Für Irenäus ist der Grundgedanke, dass der Zugang Gottes zu den Menschen auf die danksagende Antwort der Menschen wartet. Diese wird durch die Vermittlung Jesu Christi in der Eucharistie Wirklichkeit. In Jesus Christus selbst, als dem Stifter des Neuen Bundes, wurzelt bei Irenäus der Opfergedanke der Eucharistie.38 Ein wichtiger Aspekt, den Irenäus aufzeigt, ist die Bedürfnislosigkeit Gottes. Gott hat kein Bedürfnis nach den menschlichen Gaben, sondern die Menschen haben das Bedürfnis, Gott etwas zu opfern. Die Gaben von Brot und Wein sind jene, welche Christus hernahm. Sie bezeichnen die Schöpfertätigkeit Gottes. Sie werden dargebracht, damit an ihnen die Dankbarkeit erwiesen wird. So können wir bei Irenäus festhalten, dass das Opfer des Neuen Bundes aus den Elementen Brot und Wein besteht, die den Dank ausdrücken, der dem Vater dargebracht wird. Sie sind aber zugleich darauf ausgelegt, Fleisch und Blut des Erlösers zu werden. Leib und Blut Christi bilden somit die wahre Gabe, die Gott dargebracht wird. Die Kirche opfert sich unter den sakramentalen Symbolen selbst, unter denen Christus gegenwärtig geglaubt wird. Dabei wird die Kirche in das Opfer des Christus passus hineingenommen und von Gott in diesem Akt definiert, wie sie sich in ihm zugleich selbst definiert. Die Kirche vollzieht den Auftrag des Stifters, indem sie in seinem Namen und seiner Vollmacht handelt. Dabei bleibt die Kirche nicht beim Christus passus stehen, sondern sie opfert sich im eucharistischen Opfer unter den natürlich sichtbaren Symbolen von Brot und Wein als Hingabe an Gott.39 Der Beitrag von Irenäus zum Verständnis des Abendmahls besteht in der Zusammenführung von verschiedenen Traditionen. Es kommt zur umfassenderen Betrachtung der Eucharistie zugleich als Opfer der Kirche und als an die Heilsereignisse erinnerndes Opfer Jesu Christi.

       1.3 Ausblick

      Wir können somit festhalten, dass sich in der frühen Kirche ein zweifacher Aspekt der Opferthematik der Eucharistie herausgebildet hat, der jedoch nicht philosophisch reflektiert ist. Die althergebrachten Opfertermini werden teilweise undifferenziert verwendet und dennoch in neue Zusammenhänge gestellt. Die umfassende Erinnerung an das Opfer Jesu Christi und die Eucharistie als Opfer der Kirche stehen nebeneinander. Ihr innerer Bezug ist zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend reflektiert. Wir müssen daher im folgenden Punkt nachfragen, welche theologischen und philosophischen Gedankengänge und Reflexionen in der Folgezeit in das christliche Opferdenken aufgenommen werden.

       2. Der philosophische Denkansatz

      Bei den Kirchenvätern setzt in der Folgezeit eine Reflektion über bestimmte Aspekte des christlichen Gottesdienstes ein. In erster Linie geht es um die Begrifflichkeiten von „Danksagung“, „Gedächtnis“ und „Opfer“. In der Traditio apostolica (um 220) erscheinen diese Begriffe als die Synthese der Eucharistieauffassung der ersten zwei Jahrhunderte. Demnach handelt es sich bei einem Gedächtnis, wie es die Traditio apostolica versteht, um die Vergegenwärtigung der erinnerten Heilstat im liturgischen Tun der Kirche, ganz im Sinne des alttestamentlichen Verständnisses.40 Doch die Theologen dieser Zeit erkennen alsbald, dass ein solches Verständnis unbedingt einer philosophischen Durchdringung der Thematik bedarf.

       2.1 Das platonische Bilddenken

      So tritt neben das biblische Vergegenwärtigungsverständnis nun das platonische Bilddenken. Die eucharistischen Gaben Brot und Wein werden in der Traditio apostolica 21 als Abbilder (‘αντίτυπος bzw. similitudo) des Leibes und Blutes Christi verstanden. Katabatisch ist das „Gedächtnis“ danksagendes Empfangen der von Gott geschenkten und in den eucharistischen Symbolen vergegenwärtigten Heilstat. Anabatisch entspricht dies der antwortenden Hingabe, dem Selbstopfer der Kirche. Beide Bewegungsrichtungen konstituieren in der frühen Theologenzeit gemeinsam das Opfer der Kirche. Johannes Chrysostomus († 407) betont später die Identität des Opfers der Kirche mit dem Kreuzesopfer Christi in Bezug auf Opfergabe und Opferhandlung. Die Eucharistieauffassung der (syrischen) Patristik lässt sich demnach mit Anamnese (άνάμμσνησις) beschreiben, im Sinne kommemorativer Aktualpräsenz der liturgischen Vergegenwärtigung des ganzen Heilswerkes Jesu Christi durch die Kirche.41 Das ursprüngliche Verständnis der in der Kirche immer wieder vollzogenen einen Stiftung Christi, geht mit Selbstverständlichkeit von der Gleichzeitigkeit des einzigen Opfers Christi und des jetzt opfernden Handelns der Kirche bei der Eucharistiefeier aus. Dieses Verständnis existiert bis zum Zeitalter der Reformation weiter.42 Die lateinischen Kirchenväter sprechen von „memoria“ als kultischer Vergegenwärtigung des einen und einzigen Opfers Jesu Christi. Die Begriffe „figura“, „similitudo“ und „sacramentum“ bringen das nunmehr wirksame platonische Bilddenken eindeutig zum Ausdruck.43

       2.2 Der Beitrag von Ambrosius - Hieronymus - Augustinus

      Bei Ambrosius von Mailand († 397), dem ersten der drei Kirchenlehrer, die wir befragen wollen, lesen wir zum Messopfer:

      „Wenn Christus jetzt nicht zu opfern scheint, so wird er doch auf Erden geopfert, weil sein Leib geopfert wird; ja er selbst opfert offenkundig in uns, er, dessen Wort das dargebrachte Opfer heiligt.“44

      Weiter schreibt er zur anamnetischen Seite des eucharistischen Tuns:

      „Sooft das Opfer dargebracht wird, wird der Tod des Herrn, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt versinnbildet (lat.: significetur) und die Vergebung der Sünden.“45

      Ebenso befasst sich Hieronymus († 419) mit dem zentralen Geheimnis der Eucharistie. In zweifacher Weise möchte Hieronymus den Leib und das Blut Jesu Christi verstanden wissen. Einmal eucharistisch, d.h. geistlich und göttlich, und einmal historisch, d.h. die Kreuzigung bedenkend. Das Verhältnis der beiden Dimensionen wird jedoch nicht näher bestimmt, aber als Problem erkannt.46

      Augustinus († 432) spricht schließlich davon, dass die Eucharistie als „similitudo“ des Opfers Christi und nur wegen dieser „similitudo“ die Benennung als „Opfer der Kirche“ zukommt.47 Er geht dabei so vor, dass das eucharistische Opfer sofort auf das Selbstopfer der Kirche bezogen ist, und somit auf das Opfer der Christen bzw. das Mitgeopfertwerden der Kirche mit Christus als seinem Leib.48

      „Wenn ihr Leib Christi und seine Glieder seid, ist euer Mysterium (das Mysterium, das ihr seid) auf dem Tisch des Herrn niedergelegt: ihr empfangt euer Mysterium. Auf das, was ihr seid, antwortet ihr: Amen.“49

      Augustinus knüpft bewusst das Band zwischen Eucharistie und dem Bild des mystischen Leibes Christi, der Kirche. Die Stellung Jesu Christi im Messgeschehen gibt Augustinus mit „ipse offerens, ipse et oblatio“ an.50 Augustinus geht es in seinem theologischen Denken weniger um die Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi und betont vielmehr den Opfercharakter der Eucharistie (vgl. De civ. Dei X, 6 bzw. X, 20). Er macht die res sacramenti vom menschlichen Bemühen abhängig. Daher ist ihm jedes Werk, welches der Gottgemeinschaft dient, alles Tun für Gott und Mitmenschen und das äußere Opfer sacramentum des inneren Opfers, d.h. die Kirche bringt in dem, was sie darbringt, sich selbst dar. Zugleich besteht der wesentliche Bezug der eucharistischen oblatio zum einmaligen Kreuzesopfer Jesu darin, dass dessen memoria, dessen sacramentum vor Augen gestellt wird. Somit bewirkt nach Augustinus die liturgische memoria die Aktualpräsenz der einzigen damaligen Heilstat. Die Heilstat des Hauptes des Leibes setzt sich in dieser augustinischen Auffassung in den Gliedern, im Tun der Kirche als Leib Christi, fort.51

      Die Opferhaftigkeit betonen nach Augustinus später auch die Päpste Leo der Große († 461) und Gregor der Große († 604). Gregor tituliert mit Vorliebe die Eucharistie


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