Die Eucharistie als Opfer der Kirche. Michael Hesse
5. Ausblick
Wir müssen an dieser Stelle festhalten, dass die Opferthematik im Zeitalter der Reformation an Schärfe gewann. Jetzt wurden konkrete Fragestellungen aufgeworfen: Wie ist das Kreuzesopfer Christi mit einem Opfer der Kirche vereinbar. Ebenso wird hier schon deutlich, dass unser Thema ein Brennpunkt ökumenischer Diskussion darstellt. Wenden wir nun aber zunächst den Blick auf die unmittelbare Antwort der damaligen katholischen Seite auf die reformatorischen Vorwürfe.
§4 Die Antwort des Trienter Konzils
Die Sichtweise der reformatorischen Vordenker konnte auf katholischer Seite nicht unbeantwortet bleiben. Dabei ist es nicht erst das Konzil von Trient, das sich den Angriffen auf die katholische Lehre vom Opfercharakter der Messe widmet.
1. Vorbereitung und Situation des Konzils
Bereits 1520 verfasst Thomas Murner (1475-1537) die Schrift „Christliche und Brüderliche Ermahnung“. Er erkennt die Konsequenzen der lutherischen Umdeutung, kann jedoch die theologische Frage nicht bewältigen. Ebenfalls ist Johannes Eck († 1543) zu nennen, der sich ebenfalls mit der reformatorischen Lehre kritisch auseinandersetzt. In seinen Schriften ist sozusagen die vortridentinische Messopferlehre überliefert. Doch auch Eck gelingt es nicht, die Einheit in Differenz bei Kreuz- und Messopfer ausreichend sicherzustellen.128
Die theologische Anfrage Luthers zur Gegenwart des Kreuzesopfers wird schließlich von Kaspar Schatzgeyer (1463-1527) aufgegriffen, wohl auch erstmals in angemessener Form beantwortet. Er hebt die besondere Eigenart des neutestamentlichen Opfers hervor und stellt fest, dass die Messe nur als Repräsentatio der Passion ein Opfer sein kann, was eine wirkliche und nicht allein eine bildliche Gegenwärtigsetzung meint. Wenig Beachtung erlangt Kardinal Cajetan († 1534) mit seinem auf Thomas von Aquin aufbauenden Messopfertraktat von 1531 gegen die lutherische Lehre, in der er die Lehre von Thomas von Aquin vertieft.129
Zu diesem Zeitpunkt treten sogenannte Kommunionvermahnungen auf katholischer Seite in den Vordergrund, die die Eucharistie als Opfer betrachten. Ihr Beitrag zur Lösung der theologischen Opferfrage ist jedoch sehr gering.130
Als am 13. Dezember 1545 nach langen Vorbereitungen und Verhandlungen endlich das Konzil eröffnet wird, da befinden sich die Konzilsväter in einer schwierigen Lage. Wenige Gebiete sind von der Reformation unberührt geblieben. Das religiöse und liturgische Leben in den katholisch bzw. teilweise katholisch gebliebenen Gebieten liegt am Boden. In dieser Situation sieht sich das Konzil starken theologischen Angriffen ausgesetzt und zu einer liturgischen Reform aufgerufen. Wenn letzteres nicht durch das Konzil geleistet wird, so schafft es zumindest Grundlagen dafür. Erst die zweite Sitzungsperiode 1551-1552 erreicht die Verabschiedung des Dekretes über die Eucharistie. Die Messfeier als Messopfer steht jedoch erst in der dritten Sitzungsperiode zur Debatte.131 Wenn sich die vorliegende Arbeit mit der Eucharistie als Opfer der Kirche befasst, so dürfen wir nicht den Fehler begehen, diesen Aspekt getrennt von der Frage der Realpräsenz Christi in den gewandelten Gaben von Brot und Wein und der Frage der Transsubstantiation zu betrachten. Faktisch ist dies jedoch durch das Konzil von Trient geschehen, indem es in den drei unabhängig voneinander entstandenen Dekreten immer auf die einzelnen Fragen der Reformation eingeht.132
Die scholastische Formel „ex opere operato“, von den Reformatoren verworfen, wird durch das Konzil ausdrücklich verteidigt.133 Dabei bleibt die Frage zu stellen, ob die Verwerfungssätze des Konzils wirklich die Gegenseite treffen oder nicht?134
2. Die eucharistische Opferlehre des Tridentinums
Die Konzilsväter verabschieden in der 13. Sitzung vom 11. Oktober 1551 das Dekret über das Sakrament der Eucharistie, begonnen hatte man mit der Untersuchung eventueller eucharistischer Häresien aber schon im März 1547.135 Das Dekret vom Oktober 1551 erörtert die Realpräsenz und die Transsubstantiationslehre. Nachfolgend beschäftigen sich die Konzilsväter, also getrennt von Realpräsenz- und Transsubstantiationslehre, mit den Fragen zum Opfercharakter der Messe und verabschieden schließlich erst in der 22. Sitzung am 22. September 1562 die „Lehre und Kanones über das Messopfer“ mit acht Lehrkapiteln und neun Kanones.136 Ein schwieriges Unterfangen für die versammelten Konzilsväter kommt damit zu einem Abschluss. Dazu kann aus heutiger Perspektive gesagt werden, dass den Konzilsvätern und auch den Reformatoren für die Behandlung des Opfercharakters „eine sakramententheologische Leitidee, die es ermöglicht hätte, die Stiftungshandlung Jesu bzw. die Eucharistiefeier der Kirche im Sinn zeichenhaftsakramentaler Vorwegnahme bzw. als vergegenwärtigende Gedächtnisfeier von Tod und Auferstehung des Herrn darzustellen“137, fehlte. Im äußeren Erscheinungsbild des Konzils zeigt sich die offensichtliche Trennung von Sakrament und Opfer.138 Dass das Konzil so verlief, hat seinen Urgrund in den beiden „Eucharistiestreiten“ der vorrausgegangenen Jahrhunderte, in denen es um die Sakramentalität ging. Die Konzilsväter bleiben weiterhin verwurzelt in der Vorrangstellung der Eucharistie als Sakrament vor der Eucharistie als Opfer. Der Opfercharakter ist einfachhin weiterhin wie selbstverständlich eingebunden.139
Der zentrale Abschnitt aus dem ersten Lehrkapitel des Dokuments von 1562, in dem es um die Einmaligkeit des Kreuzesopfers geht, lautet dementsprechend:
„Dieser unser Gott und Herr also hat zwar sich selbst ein für allemal auf dem Altar des Kreuzes [semel se ipsum in ara crucis] durch den eingetretenen Tod Gott, dem Vater, opfern wollen (vgl. Hebr 7,27), um für jene (daselbst) ewige Erlösung zu wirken; weil jedoch sein Priestertum durch den Tod nicht ausgelöscht werden sollte (vgl. Hebr 7,24), hat er beim letzten Abendmahle, ‚in der Nacht, da er verraten wurde’ (1 Kor 11,23), um seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares (wie es die Natur des Menschen erfordert) Opfer hinterlassen, durch das jenes blutige (Opfer), das einmal am Kreuze dargebracht werden sollte, vergegenwärtigt werden [repraesentaretur], sein Gedächtnis bis zum Ende der Zeit fortdauern und dessen heilbringende Kraft für die Vergebung der Sünden, die von uns täglich begangen werde, zugewandt werden sollte, sich auf ewig als Priester nach der Ordnung des Melchisedek (vgl. Ps 110,4; Hebr 5,6;7,17) eingesetzt erklärend, seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott, dem Vater, dargebracht und sie unter den Zeichen derselben Dinge den Aposteln … dargereicht …“140
Die Konzilsväter argumentieren biblisch und heben hervor, dass das sichtbare Opfer des Abendmahles ein Opfer ist, das das einzige und eine Kreuzesopfer Christi repräsentiert (repraesentarentur - DH 1740) und zugleich das Gedächtnis dieses einmaligen Kreuzesopfers ist und somit die Applikation (applicaretur - DH 1740) der daraus resultierenden Früchte des damaligen Opfers Jesu Christi durch die Zeiten hindurch ist.141 Die abschließenden Kanones dieses umgangssprachlich als „Messopferdekret“ titulierten Konzilstextes stellen im 1.Kanon fest:
„Wer sagt, in der Messe werde Gott kein wahres und eigentliches Opfer [verum et prorium sacrifium] dargebracht, oder dass die Opferhandlung nichts anderes sei, als dass uns Christus zur Speise gegeben werde: der sei mit dem Anathema belegt.“142
Ebenso deutlich lautet der 3.Kanon:
„Wer sagt, das Messopfer sei lediglich ein Lob- und Dankopfer oder ein bloßes Gedächtnis des am Kreuz vollzogenen Opfers, nicht aber ein Sühnopfer; oder es nütze allein dem, der es empfängt; und man dürfe es auch nicht für Lebende und Verstorbene für Sünden, Strafen, zur Genugtuung und für andere Nöte darbringen: der sei mit dem Anathema belegt.“143
Der 4. Kanon unterstreicht schließlich:
„Wer sagt, dem am Kreuze vollbrachten heiligsten Opfer Christi werde durch das Messopfer eine Lästerung zugefügt, oder es werde jenem durch dieses Abbruch getan: der sei mit dem Anathema belegt.“144
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