Die Katholizität der Kirche. Dominik Schultheis

Die Katholizität der Kirche - Dominik Schultheis


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als Kontextualisierung und Inkulturation

       2.4Mission als Befreiungshandeln und diakonischer Dienst

       2.5Mission als dialogisches Geschehen

       Schlussbetrachtung

       Literaturverzeichnis

      0. Einleitung

      Die Katholizität der Kirche gehört neben der Einheit, Heiligkeit und Apostolizität zu den vier Attributen, mit denen das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis (381 n.Chr.) die wahre Kirche Jesu Christi qualifiziert und gegenüber häretischen Gruppen abgrenzt: „Wir glauben […] an die eine heilige katholische und apostolische Kirche“ (DH 150). Wenn heute von der „katholischen“ Kirche gesprochen wird, dann zumeist in einem konfessionellen, von anderen christlichen Denominationen abgrenzenden Sinne. Ursprünglich dient „katholisch“ jedoch nicht als Konfessionsbezeichnung, sondern als Wesenseigenschaft: Kirche ist „katholisch“ meint, dass sie allumfassend, universal und allgemein ist und dies in einem sowohl quantitativen als auch qualitativen Sinne. Katholizität zeigt an, dass wahre Kirche im Gegensatz zu schismatischen und lokalen Abspaltungen durch die Zeiten hindurch und über den ganzen Erdkreis verbreitet ist, dass sie zu allen Menschen, Völkern, Kulturen und Rassen aller Zeiten und Orte gesandt ist, das Evangelium zu verkünden, und dass sie zur Bewältigung dieser Aufgabe im Besitz aller notwendigen Gnadengaben ist. Katholische Kirche „verkündet den ganzen Glauben und das ganze Heil für den ganzen Menschen und die ganze Menschheit.“3

      Während alle christlichen Denominationen einig darin sind, dass sie „katholisch“ und folglich wahre Kirche Jesu Christi sind, so zeigt sich doch ein weites Spektrum, was die jeweiligen Konfessionen unter ihrer „Katholizität“ verstehen und noch mehr: mit welcher inhaltlichen Füllung und mit welcher Gewichtung sie den Begriff „katholisch“ bzw. „Katholizität“ verwenden. Das aber wirft die Frage auf, was genau das Referenzobjekt ist, auf das sich die dritte nota bezieht: Welcher Kirchenbegriff ist vorausgesetzt, wenn von der Katholizität „der“ Kirche die Rede ist? Oder anders gefragt: Welche Wirklichkeit von Kirche, ist Trägerin dieses Wesensmerkmals (Frage nach dem Seinsgrund der Katholizität)?

      Wenn jede christliche Konfession gleichermaßen Katholizität für sich in Anspruch nimmt, den Begriff aber unterschiedlich mit Inhalt füllt, ist danach zu fragen, woran genau man „eine der Konfessionskirchen im Bekenntnis zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche als deren Repräsentation oder Verwirklichung erkennen“4 kann? Inwieweit lassen sich die von der Kirche aussagbaren Wesenseigenschaften empirisch erfassen, so dass auch von außen gesagt werden kann, dass diese oder jene Wirklichkeit von Kirche eine konkrete Existenzform der einen Kirche Jesu Christi ist (Frage nach dem Erkenntnisgrund der Katholizität)? Auch wird in derartige Überlegungen die Frage mit einbezogen werden müssen, in welcher inneren Korrelation die vier Wesensmerkmale zueinander stehen. Denn „Katholizität ist die Eigenschaft der Kirche, durch die sie als die eine (→ Einheit) und stets ihrem Ursprung verbundene (→ Apostolizität) und dank der Macht der heiligenden Gnade (→ Heiligkeit) universale Kirche existiert.“5

      Es gibt noch weitere Fragenhorizonte, die eine Reflexion über die Katholizität aufreißen. Bevor ich mich solchen Fragen widme und den Versuch einer Bestimmung der Katholizität der Kirche in der deutschsprachigen systematischen Theologie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil betreibe, scheint eine kurze Analyse des Begriffes „katholisch“ und seiner geschichtlichen (konfessionellen) Entwicklung angezeigt. Hierzu wurden in früheren Studien zur Katholizität bereits umfangreiche Erkenntnisse geliefert. Verwiesen sei etwa auf Arbeiten von Henri de Lubac, Yves Congar, Urs von Balthasar, Wolfgang Beinert, Peter Steinacker u.v.a.m.6 Um den Problemhorizont genauer entfalten zu können, vor dem ich meine Untersuchung aus „(römisch-)katholischem“ Blickwinkel anstelle, sollen die unterschiedlichen konfessionellen Konnotationen des Begriffs „katholisch“ mit in den Blick genommen werden. Denn das (römisch-)katholische Verständnis der Katholizität lässt sich nicht widerspruchsfrei entfalten, wenn nicht die Positionen der anderen Denominationen zumindest ansatzweise präsent sind. Dass dies im Rahmen dieser Untersuchung nur ansatzweise geschehen kann, versteht sich von selbst. Ess können nur einige – notgedrungen selektive – Schlaglichter auf diesen weiten Themenkomplex geworfen werden, die am Ende womöglich mehr Fragen aufwerfen als sie Antworten liefern.

       1. Profane Bedeutung des Begriffs „katholisch“

      Auch wenn sich der Begriff „katholisch“ in adverbialer Form („καθόλον“) sowohl in der Septuaginta als auch im NT finden lässt7, ist er kein originär theologischer Terminus, sondert entspringt dem profanen Bereich der griechischen Antike.

       1.1Herkunft des Begriffs

      Etymologisch leitet sich der Begriff „katholisch“ vom griechischen Adjektiv καθολικός ab, das aus dem ursprünglicheren Adverb καθόλον gebildet wurde. Das aus der Präposition κατά (mit Genitiv: „von … herab“; „in … hinein“) und dem Adjektiv ὅλος („ganz“) zusammengesetzte Wort lässt sich wörtlich übersetzen mit: „auf ein Ganzes bezogen“, „vom Ganzen her“, „ein Ganzes betreffend“ und kann auf die Grundbedeutung: „umfassend“, „vollständig“, „vollkommen“ subsumiert werden.8 Griechische Antonyme sind etwa ἴδιος („eigen“, als Adverb ἴδιον: „für sich“) und μέϱικος („einzeln“, „zum Teil“). Als lateinische Synonyme lassen sich nennen: „communis“ („gemeinsam“, „im Allgemeinen“), „universalis“ („allgemein“), „totus“ („ganz“, „voll“, „in vollem Umfang“), „perpetualis“ („allgemeingültig“).9

      Da die Begriffe καθολικός und καθόλον in der philosophischen Terminologie in reicher Bedeutungsvielfalt anzutreffen sind, seien nachfolgend die wichtigsten Linien ihrer Verwendung in der antiken Profanliteratur nachgezeichnet.

       1.2Verwendung in der philosophischen Terminologie

      In der griechischen Philosophie sind sowohl das Adverb καθόλον als auch das Adjektiv καθολικός häufig anzutreffen, erstmals belegt bei Platon (5./4. Jh. v. Chr.).10 Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch und damit in die Logik und Metaphysik finden beide Begriffe durch Aristoteles (4. Jh. v. Chr.). Bei ihm bezeichnen καθόλον bzw. καθολικός den Allgemeinbegriff, einen allgemeinen Satz oder das Objekt einer Wissenschaft, welche Allgemeines behandelt.11 Im aristotelischen Sinne können beide Begriffe demnach übersetzt werden mit: „sich auf ein Ganzes beziehend“, „im allgemeinen“. Zeno (4./3. Jh. v. Chr.) überschreibt eines seiner Werke mit dem Wort καθόλικα, das ins Deutsche mit „Über die Universalien“ bzw. „Über die allgemeinen Prinzipien“ übersetzt werden kann.12

      Polybios (2. Jh. v. Chr.) verwendet das Adjektiv καθολικός unter anderem im Sinne von „vollkommen“, „allumfassend“, „vollständig“, „allgemein“, „in Fülle bestehend“, „in sich vollständig“, womit in metaphysischem bzw. geschichtlichem Zusammenhang eine organische Ganzheit bzw. ein geistesgeschichtlicher Zusammenhang ausgesagt werden soll.13 Bei Rhetorikern und Naturwissenschaftlern wie etwa Philon (1. Jhd. n. Chr.) wird der Begriff im Sinne von „generell“, „allgemein“ im Gegensatz zu „partikulär“ gebraucht.14

      Bei


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