Wie lernt Kirche Partizipation. Группа авторов

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apostrophierten „neuen Wege“ vor Ort auch gegen etwaigen Widerstand beharrlich zu gehen. Das Rückgrat des Einzelnen und die persönliche Initiative der Einzelnen sind unabdingbar, für ehrenamtlich Engagierte wie für hauptberuflich Tätige. Ebenso unverzichtbar ist die Spiritualität des langen Atems. Aber im Bistum Aachen dürfen diejenigen, die mutig neue Kirchengestalten anvisieren, ihren Bischof hinter sich wissen.

      2. DIE STRATEGISCHE FUNKTION DES PROJEKTS „VERANTWORTUNG TEILEN“ IM DUKTUS DER DIÖZESANEN PASTORALENTWICKLUNG

      Mit dem Projekt „Verantwortung teilen“ soll ein Meilenstein gesetzt werden. Ein sowohl äußeres als auch inhaltliches Signal dafür ist die Einbindung des „Zentrums für angewandte Pastoralforschung“. Das ZAP soll nicht nur für fachliche Seriosität stehen, sondern insgesamt Glaubwürdigkeit vermitteln: Das Bistum meint es ernst! Verantwortung soll wirklich neu gedacht und dann auch in neuartiger Weise praktiziert werden. Dafür steht auch die finanzielle Investition, von der Anstellung der Mitarbeiterin bis hin zu einem hochwertigen Kursangebot für ehrenamtlich Engagierte, das für diese kostenfrei ist. Die von außen hinzukommende „Fremde“, d. h. die wissenschaftliche Mitarbeiterin des ZAP, die nun drei Jahre lang immer wieder im Bistum auftaucht – bei Akteuren vor Ort, in diözesanen Gremien, bei Kursen und Veranstaltungen – personifiziert zusätzlich diesen „spirit of change“. Fern der Illusion, ein Projekt dieser Art könne Welten bewegen, lebt die Strategie des Projekts auch von dieser seiner Signalwirkung. Inhaltlich geht es um zwei strategische Hauptstoßrichtungen des Projekts und Bildungsprogramms „Verantwortung teilen“:

      (a) Das erste und zentrale strategische Ziel ist es, mit relevanten Akteuren in möglichst vielen pastoralen Räumen einen bestimmten theologischen, pastoralen und pädagogischen Lernweg zu intensivieren und zu konkretisieren. Die leitenden inhaltlichen Linien für diesen Lernweg erschließen sich aus den vorigen Kontextualisierungs-Hinweisen:

      – echte Weggemeinschaft mit den Menschen im Sinne des konziliaren Communio-Gedankens intensivieren;

      – zu einer wirklichen „Pastoral im Plural“ ermutigen, die sich die Themen von den Lebensfragen der Menschen im Raum geben lässt, bei gleichzeitigem Blick für die Tiefenstruktur von Katholizität;

      – angesichts radikalen gesellschaftlichen und kirchlichen Wandels neu nach der eigenen „mission“, der Sendung fragen;

      – gut und lange genug hinhören und sich dabei bewusst auch fremden Lebenswelten aussetzen;

      – daraus, wo es angezeigt ist, mit den Menschen bedarfs- und bedürfnisorientiert vermehrt neuartige oder bisher unbekannte Gestalten und Präsenzformen von Kirche entwickeln bzw. gründen.

      Das Bildungsprogramm „Verantwortung teilen“ soll dabei so etwas wie der Antriebsriemen beim Motor sein: Es soll die Kraft des „inneren Motors“ tatsächlich „auf die Straße bringen“. Seit Jahren besprechen wir ausführlich die theologischen Topoi des gemeinsamen Priestertums und der Taufwürde, der Charismen und der Berufung. Es gibt viel neues Potenzial im Motor. Aber was ist mit der Kraftübertragung? Wie kommt die Energie auf die „Straße“? Wie findet die richtige (neue) Theorie ihre Praxis? Wenn die neue theologische Kraft wirken soll, muss sich der Leitungsstil in Gremiensitzungen ebenso ändern wie die Anlage der Sakramentenkatechese, bekommen diakonische Initiativen ein anderes Gepräge und Liturgien einen neuen Stil. Der Schritt von der Theorie in die Praxis fällt oft schon allein deswegen erkennbar schwer, weil neue Methoden, die der neuen Theologie entsprächen, nicht bekannt bzw. eingeübt sind.

      Der Schritt von der Theorie in die Praxis ist aber vor allem ein Schritt vom „Kopf“ in den „Bauch“. Damit wird ein höchst sensibler Aspekt thematisiert, nämlich das Terrain eines langjährig erlernten und biographisch gefestigten Habitus. Theologisches Ringen um eine Pastoral der Berufung, der Achtung der Taufwürde und der geteilten Verantwortung ist zunächst Auseinandersetzung auf der Sachebene. Sie wird mit Argumenten geführt, erzeugt mal Plausibilität, mal Dissens. Aber wie kann sie kulturprägend werden? Wie kann sie einwirken auf die Ebene, die es mit erworbenen Haltungen und Einstellungen zu tun hat? Christian Hennecke sagt mit Blick auf einen neuen Umgang mit Verantwortung in Kirche und Gemeinde: „Vielmehr zeigen sich die Konstitution von örtlichen Gemeinden […] und die Bildung örtlicher Verantwortlichkeit als Spitzen eines Eisbergs: Unter Wasser verbirgt sich ein Prozess des Paradigmenwechsels einer kirchlichen Kultur.“16 Das Paradigma wechseln zu sollen, irritiert den erworbenen Habitus. Pierre Bourdieu versteht unter „Habitus“, wie man sich allgemein gegenüber der Welt verhält.17 „Ein und derselbe Habitus drückt allen Lebensbereichen einen typischen Stempel auf, hinterlässt immer die gleiche Handschrift.“18 – und zwar langfristig:

      „So ist die einmal erworbene soziale Mitgift auch dann präsent, wenn in späteren Lebensphasen die Milieuzusammenhänge ‚gewählt’, neue soziale Beziehungen aufgebaut und Lebensentwürfe entwickelt und umgesetzt werden. […] Der Habitus entsteht also in einem bestimmten Milieu, aber er tendiert auch dazu, sich wieder ein Milieu zu suchen und zu schaffen, das seinen Neigungen und Gewohnheiten am ehesten entspricht. […] Da der Habitus also nicht einfach vom Himmel fällt, sondern sich in einem längeren biographischen Prozess entwickelt, ist klar, dass er nicht ad-hoc, sondern nur über anstrengende und zeitraubende Arbeit verändert werden kann.“19

      Es geht also um Prozesse des Ver-lernens und Um-lernens, und das im hier zur Debatte stehenden Fall im Kontext einer Organisation, die Meisterin im Schaffen von inneren und äußeren Traditionen ist. Da besteht durchaus die Gefahr, dass die Organisation Kirche, die theologisch strikt Mittel, nicht Zweck ist, unter der Hand sich selbst zum Zweck erhebt, indem sie ihren Selbsterhalt inszeniert. Bourdieu spitzt es organisationskritisch wie folgt zu:

      „Der von der Institution organisierte Glaube (an Gott, an das Dogma usw.) kaschiert tendenziell den Glauben in die Institution, das obsequium, sowie alle an die Reproduktion der Institution gebundenen Interessen.“20

      Die Botschaften der Institution wirken – sie wirken gerade auch in ihrer Widersprüchlichkeit, so z. B. Botschaften an Priester. Da wird dem ordinierten Amtsträger einerseits von ihrem Bischof gesagt, er solle mit den Leuten in den Gemeinden partnerschaftlich und respektvoll umgehen, denn sie alle seien Berufene und von Gott mit Talenten Ausgestattete. Andererseits wird von Rom 1997 die restriktive „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“21 veröffentlicht. Oder den Ordinierten wird zum „Jahr des Priesters“ 2009 im Papstbrief das Bild des Pfarrers von Ars vor Augen geführt. Der Priester des 3. Jahrtausends liest Sätze wie: „Nach Gott ist der Priester alles!“22 Welcher Habitus soll da nun eigentlich gestützt werden?

      Im kirchlichen Alltag wirken divergierende kirchlich-systemische Habitus-Konzepte ebenso wie biographisch erworbene je subjektive Haltungen kirchlicher MitarbeiterInnen. Zu rechnen ist in der Praxis durchaus mit Habitus-Konzepten, die wenig Ambiguitäts-Toleranz aufweisen, z. B. in den Beziehungssystemen: Kleriker – Nichtkleriker; professionelle Gemeindereferentin – nichtprofessionelle Ehrenamtliche; Erneuerer – Bewahrer. Gemein ist diesen Habitus, dass sie stark abgrenzend und absichernd sind. Sie stehen damit tendenziell einer Beziehung im Wege, die offen ist für Überraschungen, auch für Überraschungen des Evangeliums. Mit Blick auf ein Label wie „Verantwortung teilen“ sind demnach strategische Entscheidungen nötig, welche Habitus langfristig implementiert werden sollen – und wie demgemäß dann eine konsequente Kulturarbeit in Gestalt von Begleitung und Schulung für freiwillig wie beruflich in Kirche Engagierte auszusehen hat. Diese Entscheidung wurde durch das Bistum Aachen im Sinne der oben aufgeführten inhaltlichen Linien getroffen. Sie schlägt sich im Curriculum des Bildungsprogramms konkret im „Modul II – Pastorale Entwicklung (an-)leiten“ nieder.23

      (b) Hieraus leitet sich die zweite strategische Funktion des Projekts für das Bistum ab. Diese betrifft ganz allgemein formuliert das Verhältnis von freiwillig in der Kirche Engagierten und beruflich Tätigen oder Beauftragten. Vor dem Hintergrund der pastoralen Räume und des Projekts „Verantwortung teilen“ wird dieses Verhältnis operativ aufgegriffen als Verhältnis von den im Synodalgremium des pastoralen Raums freiwillig engagierten Mandatsträgerinnen und -trägern einerseits und den vom Bischof eingesetzten Seelsorgerinnen und Seelsorgern (Priester,


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