Achtsamkeit für Superfrauen. 5-Minuten-Pausen vom Alltag.. Shonda Moralis
wie Männer.1 Wir Frauen verwenden viel Anstrengung darauf, unser Leben besser zu organisieren. Aber angesichts einer Überfülle an Aufgaben und Pflichten wissen wir oft nicht, wie wir das bewerkstelligen können, ja, wo wir überhaupt anfangen sollen. Obwohl Achtsamkeit in unserer Gesellschaft ein großes Thema ist, scheinen wir uns von dem Ziel, ein achtsames Leben zu führen, immer weiter zu entfernen. Je stärker wir versuchen, das Tempo herunterzufahren und zur Ruhe zu kommen, desto lauter ruft uns die Gesellschaft zu: Nur wer etwas tut, ist produktiv. Wir arbeiten nicht nur am Arbeitsplatz, sondern führen gleichzeitig einen Haushalt. Ständig jonglieren wir mit zahllosen Erledigungen, müssen an dies denken, dürfen jenes nicht vergessen. Kein Wunder, dass uns diese geballte Ladung an Herausforderungen aller Art manchmal über den Kopf wächst. Und für diese Momente, liebe Freundin, habe ich die kurzen, aber intensiven Pausen der Achtsamkeit erfunden, mit denen wir den Reset-Knopf drücken und uns bewusst auf die aktuelle Situation und Aufgabe konzentrieren können.
In ihrem Buch Drop the Ball. Achieving More by Doing Less (dt. Den Ball weiterspielen: Warum Frauen weniger von sich und mehr von anderen erwarten sollten) beschreibt Tiffany Dufu den Mythos vom perfekten Arbeitsalltag, der uns in TV-Serien wie Mad Men oder Leave it to Beaver (dt. Erwachsen müsste man sein) vorgespiegelt wird. Die Berufswelt geht davon aus, dass jeder, der Vollzeit arbeitet, irgendjemanden hat, der sein Zuhause organisiert. Doch eine McKinsey-Studie über Frauen am Arbeitsplatz von 2017 zeigt eine ganz andere Realität: „Bei Frauen, die einen Partner und Kinder haben, ist es 5,5-mal wahrscheinlicher, dass sie die Hausarbeit zum überwiegenden Teil oder sogar ganz übernehmen und nicht ihr männlicher Partner. Selbst wenn sie die Hauptverdiener sind, erledigen sie mehr Hausarbeit. Bei Frauen, die über die Hälfte des Familieneinkommens bestreiten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Hausarbeit übernehmen, 3,5-mal so hoch wie bei Männern in der gleichen Situation.“2 Unter diesen Umständen sind Überforderung und Erschöpfung vorprogrammiert. Und genau da kommen dir die Pausen der Achtsamkeit zu Hilfe.
Zu den Stressfaktoren im Alltag kommen die oft subtilen geschlechtsbedingten Ungerechtigkeiten, mit denen wir uns am Arbeitsplatz herumschlagen müssen. Weil sie kaum Chancen auf Führungspositionen in ihrem meist von Männern dominierten beruflichen Umfeld sehen, entwickeln viele von Natur aus kontaktfreudige und teamfähige Frauen ein ungutes Konkurrenzverhalten. Das ist wirklich schade. Um dem vorzubeugen, sollten wir auf erste Anzeichen achten, uns gegenseitig Anerkennung dafür zollen, dass wir alle diese Situation zu bewältigen haben, und gezieltes Networking betreiben, um einander die notwendige Unterstützung zu geben. Wenn wir ehrlich versuchen, uns gegenseitig zu verstehen und zu respektieren, anstatt uns als Konkurrentinnen zu betrachten, können wir voneinander lernen und ein Energiefeld generieren, das uns alle pusht. Um zu diesem kooperativen Miteinander zu finden, ist es notwendig, dass jede Einzelne von uns sich ihrer Person und ihrer Stärken bewusst ist. Die in Kapitel 2 beschriebenen Pausen der Achtsamkeit sind eine wertvolle Hilfe, wenn es darum geht, dieses Bewusstsein zu erlangen. Wann immer du eine Injektion Selbstvertrauen brauchst, sind die Empower-Übungen genau das Richtige.
In einer von Männern dominierten Arbeitswelt finden wir Frauen es oft schwierig, zu einer rücksichtsvollen und einfühlsamen Kommunikationsweise zu finden. Wir haben das Gefühl, permanent Druck aufbauen zu müssen, und haben Angst, Schwächen zu zeigen, die dann womöglich gegen uns verwendet werden. Wer Achtsamkeit praktiziert, hat es leichter, solche Anflüge von Selbstzweifel und Selbstkritik zu entdecken und zu bemerken, wann sie ihre Persönlichkeit unterdrückt, aus Angst, nicht akzeptiert oder nicht ernst genommen zu werden. Und wir müssen solche Verhaltensweisen erkennen, um sie zu ändern. Denn nicht Angst oder andere negative Gefühle sollten unser Handeln bestimmen, sondern das Bewusstsein, genau das zu tun, was die Situation erfordert. Unsere Träume und Ziele zu analysieren und in sinnvolle Häppchen zu teilen ist einer von vielen praktischen Tipps dazu, die du im Kapitel 3 findest.
In den Jahren meiner Achtsamkeitsarbeit mit Frauen – ob Mütter von anstrengenden Teenagern, Führungskräfte aus der Wirtschaft oder talentierte Künstlerinnen – habe ich gelernt, dass wir alle ähnliche Kämpfe durchstehen, egal, in welcher Lebensphase oder Berufssparte wir uns befinden. Auch wenn ich hier ein beinahe entmutigend düsteres Bild von der Situation der Frau gezeichnet habe, kann ich dir versichern, dass ich voller Hoffnung bin. Langsam, aber stetig ändern sich die Verhältnisse.
Der Wandel ist im Gange. Aber wir müssen etwas dafür tun. Das beginnt damit, dass jede für sich selbst versucht, ihre innere Stärke zu mobilisieren. Genau zu diesem Zweck habe ich dieses Buch geschrieben. Für dich. Für mich. Für uns Frauen, damit wir erkennen, was wir brauchen, um uns zu heilen, um stark und selbstsicher zu werden. Um zu einem Vorbild für nachfolgende Generationen wie auch für uns untereinander zu werden. Um mich herum sehe ich zahllose strahlende, kluge, mutige Frauen jeglichen Alters. Indem wir das Gute in uns selbst entdecken, sehen wir auch das Gute in den anderen. Wir alle profitieren von Achtsamkeit. Wir lernen, authentisch zu sein, selbstsicher zu sein, unsere Stimme zu erheben und unsere innere Stärke zu mobilisieren, um uns zu verwirklichen. Egal, ob wir eine Firma oder einen Haushalt managen, mit Achtsamkeit tun wir es auf die bestmögliche Art und Weise. Davon profitieren unsere Familien, unsere Kollegen und der Rest der Welt – Männer eingeschlossen.
Meine Generation hat die Aufgabe, die Macht und die Freiheit, die [von Generationen von Frauen vor uns] erkämpft wurden, zu nutzen, um die Welt besser und sicherer zu machen.
Kirsten Gillibrand, Politikerin
Achtsamkeit – was ist das überhaupt?
Fast alles funktioniert wieder, wenn man es für ein paar Minuten vom Netz nimmt – auch du.
Anne Lamott, Schriftstellerin
Wir alle kennen das: Wir steigen ins Auto, fahren eine uns gut bekannte Strecke – und merken plötzlich, dass wir uns nicht mehr erinnern können, eine bestimmte Kurve genommen oder ein auffälliges Objekt passiert zu haben. Wir laufen auf Automatik und nehmen unsere Umgebung gar nicht richtig wahr. Da stellt sich die Frage: Wo um Himmels willen waren wir? In Gedanken. Entweder in der Zukunft (Was-wäre-wenn-Szenarios entwerfen, unsere To-do-Liste durchgehen) oder in der Vergangenheit (mit einer kürzlich geführten Unterhaltung oder einem lange zurückliegenden Erlebnis beschäftigt), aber ganz offensichtlich nicht im Hier und Jetzt. Matthew Killingsworth hat festgestellt, dass unser viel beschäftigter Geist fast die Hälfte unserer wachen Zeit auf Wanderschaft geht.3 Achtsamkeit ist das exakte Gegenteil von Leben auf Autopilot. Sie richtet unsere Aufmerksamkeit auf das, was im Moment passiert, und lehrt uns, dem mit wohlwollender Akzeptanz zu begegnen.
Ein anderer Weg, das Prinzip der Achtsamkeit zu begreifen, ist das Dreieck des Bewusstseins. Stell dir ein Dreieck vor: Die drei Spitzen repräsentieren unsere körperlichen Wahrnehmungen, unsere Gedanken und unsere Gefühle. Sie sind miteinander verbunden und interagieren, meistens ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Ein Beispiel:
Jane ist Marketing-Koordinatorin in einem großen Krankenhaus. Sie schätzt die interaktiven, dynamischen Seiten ihrer Tätigkeit. Sie liebt die Vielfältigkeit der Aufgaben, die Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung und die Mischung aus individuellen Projekten und Arbeiten im Team. Ein Manko ist ihre Vorgesetzte Susan, ein launischer Typ. Sie kann großzügig und liebenswürdig sein, aber im nächsten Moment zornig, impulsiv und verletzend. Diese Unberechenbarkeit macht Jane zu schaffen. Sie arbeitet lange genug mit Susan zusammen (um genau zu sein: drei Jahre, sieben Monate und 23 Tage), um zu wissen, dass diese aggressiven Ausbrüche nie lange dauern. Früher oder später wird Susan wieder auf normal schalten. Aber jedes Mal hinterlässt sie Angst, gekränkte Egos und Ärger, der sich immer weiter aufstaut. Eines Morgens, als Jane sich auf eine wichtige Gruppensitzung später am Tag vorbereitet, stürmt Susan in ihr Büro. Sie ist hochrot im Gesicht und stößt zwischen zusammengebissenen Zähnen Bösartigkeiten hervor: „Tara hat ein Dokument verschickt, das gravierende Fehler enthält! Das geht nicht! Es setzt uns alle in ein schlechtes Licht! Eine Katastrophe!“
Peng.