Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens


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das in Ordnung, vielen Dank! Dass Robert Adelhofer das Buch nicht bekommen soll, das haben sie so gesagt?«

      »Die Rosa Adelhofer hat sowieso die ganze Zeit geweint, und als ich von dem Buch erzählt habe, wollten sie es beide nicht sehen. Der Max Adelhofer hat nur gesagt, dass Robert das nicht in die Finger kriegen darf, damit er es nicht in seiner Sendung verwendet. Das spricht Bände.«

      »Gut, ich nehme es mit und schaue es mir gründlich an.« Katharina steckte die Kladde ein. »Das heißt, für Sie ist der Fall Adelhofer Geschichte?«

      Nina Obermann wischte mit dem letzten Stück Kartoffelknödel über den Teller und steckte es sich in den Mund.

      »Na ja, die Obduktion hat genau die Verletzungen bestätigt, die bei einem Sprung entstanden sein müssen. Keine Spuren von Fremdeinwirkung. Reichlich Alkohol im Blut, der zu den leeren Flaschen in seinem Zimmer passt. In der Scheune haben wir eine umfassende Beweisaufnahme und Spurensicherung gemacht, haben Fingerabdrücke von Robert und den Adelhofer-Eltern genommen, und: nichts, absolut nichts. Die einzigen Spuren, die wir gefunden haben, sind von Lukas. Überall seine Fingerabdrücke. Auf den Glasscherben, auf dem NATO-Draht, Fußabdrücke von ihm auf dem Boden der Scheune, Faserspuren im Stroh, aus dem er runtergestürzt ist. Keine anderen Spuren oder unbekannte Fingerabdrücke, nichts.«

      »Sie haben Fingerabdrücke von den Eltern genommen? Wie haben die reagiert?«

      Nina Obermanns Miene wurde ernst: »Es war schrecklich, dass wir der alten Frau Adelhofer das antun mussten, dafür hasse ich meinen Beruf. Sie war wie erstarrt. Und die ganze Zeit hat sie gemurmelt: ›Wir ham doch unsern Buben ned umbracht, wir ham doch unsern Buben ned umbracht.‹ Der alte Bauer hat ihr die Wange gestreichelt und nichts gesagt. Und wie nicht anders zu erwarten, haben wir keinerlei Fingerabdrücke von den beiden in der Scheune gefunden.«

      Katharina überlegte: »Ist das nicht seltsam, dass vom alten Adelhofer keine Fingerabdrücke in der Scheune zu finden sind? War er nicht öfter dort? Könnte es sein, dass jemand gründlich Fingerabdrücke beseitigt hat?«

      Nina Obermann grinste: »Bei Ihnen muss man gescheit achtgeben, dass Sie einem nicht den Job streitig machen. Wenn’s Ihnen bei ›Fakten‹ zu blöd wird, die Polizei kann schlaue Frauen brauchen. Jetzt im Ernst: Das habe ich mich natürlich auch gefragt. Der alte Adelhofer sagt, dass er seit Jahren nicht in der Scheune war. Die Adelhofers haben keine Landwirtschaft mehr, leben von der Rente und der Vermarktung des Sohnemanns. Der Einzige, der oft in der Scheune war, war der Lukas. Das bestätigen unabhängig voneinander seine Mutter, sein Vater und sein Kumpel Alfred Birnhuber.«

      Katharina horchte auf: »Alfred Birnhuber ist …«

      »Der, der uns angerufen hat, als er mitgekriegt hat, dass der Lukas nicht bei der Pressekonferenz war.« Nina Obermann grinste Katharina an. »Übrigens würde er gern mit Ihnen sprechen, soll ich Ihnen ausrichten. Er hat uns jedenfalls zur Scheune geschickt, weil er einen Verdacht hatte. ›Robertfreier Raum‹ hat der Lukas die Scheune genannt, sagt der Birnhuber.«

      »Robertfreier Raum?« Katharina zog fragend die Augenbrauen hoch.

      »Ja, ein Herz und eine Seele waren sie wohl schon lange nicht mehr, die beiden Adelhofer-Brüder. Die Vermarktung auf dem Hof hat dem Lukas wohl noch den Rest gegeben, sagt zumindest der Alfred. Er hätte sich oft bei ihm ausgeweint darüber, dass niemand sieht, dass Robert ohne ihn, den Bruder, niemals diese Karriere gemacht hätte. Und dass man sich für ihn mindestens genauso interessieren müsste wie für Robert. Aber er war halt kein Menschenfänger wie der Robert. Das hat sich Alfred wohl in den letzten Jahren ständig angehört.«

      Nina Obermann schaute auf die Uhr: »Ich würde gern noch weiter mit Ihnen plaudern, aber beautiful Robert darf man nicht warten lassen.« Sie rollte die Augen.

      »Bevor Sie fragen: Ja, ich werde Ihnen von dem Treffen mit Adelhofer berichten.«

      »Warum fahren Sie überhaupt zu ihm, wenn der Fall abgeschlossen ist?«

      »Ich will ihm unsere Ermittlungsergebnisse mitteilen, das gehört sich so zum Abschluss. Und nachdem ich sowieso in München zu tun hab, habe ich ihm die Fahrt nach Rosenheim erspart.« Nina Obermann winkte die Kellnerin heran, die mit Unverständnis reagierte, als Katharina auf ihre Nachfrage verneinte, das »Krusterl« probiert zu haben. Kopfschüttelnd steckte sie ihr Trinkgeld ein, während Katharina der Kommissarin zur Tür folgte.

      »Nett war’s mit Ihnen, Frau Langenfels, und denkens an unsere Vereinbarung, was Lukas’ Buch betrifft, bitte. Normalerweise bin ich nicht so freundlich zu Journalisten.«

      »Versprochen, Frau Obermann, Sie können sich hundertprozentig auf mich verlassen. Eine Frage noch: Wo finde ich diesen Alfred Birnhuber?«

      »Anscheinend jeden Tag ab 17 Uhr beim Seewirt in Gstadt, freitags ab 12. Servus Frau Langenfels.«

      Katharina beschloss, zu Fuß in die Redaktion zurückzugehen. Zum einen, um ihre Gedanken zu sortieren, und zum anderen bewegte sie sich sowieso viel zu wenig. Mit Alfred Birnhuber müsste sie in den nächsten Tagen reden. Gstadt am Chiemsee war zwar nicht gerade der perfekte Rechercheort für eine alleinerziehende Mutter aus München, aber in diesem Fall hatte sie Glück: Freitag war Oma-Tag. Svenja freute sich seit Wochen darauf, nach der Schule zur Oma zu dürfen. Katharinas Mutter war – manchmal leider, meistens Gott sei Dank – keine von den Omas, die zu Hause saßen und darauf warteten, dass ihre Enkel zu Besuch kamen. Stattdessen musste Katharina mit ihrer Mutter Susanne Wochen im Voraus einen Termin vereinbaren.

      Vor zehn Jahren hatte Susanne ihrer Tochter mitgeteilt, dass sie sich von ihrem Vater scheiden lassen würde. Nachdem Katharina auf eigenen Füßen stand, hatte ihre Mutter genug gehabt vom Leben an der Seite eines eher wortkargen Polizisten. Katharina wunderte das nicht, sie selbst hatte auch nie richtig Zugang zu ihrem Vater gefunden. Seitdem er im Ruhestand war und die meiste Zeit auf Mallorca lebte, bestand ihr Kontakt aus zwei bis drei Telefonaten im Jahr und Geburtstagspostkarten.

      Ihre Mutter hatte kurz nach der Trennung verkündet, dass sie nun eine Heilpraktikerinnen-Ausbildung mache und wieder Hartschmidt heiße, ihr Mädchenname.

      Heute hatte Susanne Hartschmidt eine florierende eigene Praxis – und wenig Zeit.

      Aber diesen Freitag würde Svenja bei ihr sein und Katharina konnte in aller Ruhe an den Chiemsee fahren.

      Für heute stand erst etwas anderes an: Fotodateien durchsuchen mit Birgit.

      Als Katharina in Birgit Wachtelmaiers Büro eintraf, stand die Archivarin von »Fakten« an einem kleinen Beistelltisch neben ihrem Schreibtisch und rührte lustlos in einem Messbecher. Vermutlich ein Schlankheitsdrink, Eier-Diät ade, mutmaßte Katharina. Birgit trug auch heute schwindelerregend hohe Pumps – diesmal aus schwarzem Samt –, dazu eine schwarze Marlene-Dietrich-Hose, für ihre Verhältnisse ungewohnt einfarbig. Dies änderte sich allerdings oberhalb der Gürtellinie. Sie hatte eine giftgrüne, transparente Chiffon-Bluse an, darunter ein orangefarbenes Top. Die hellblauen Spitzenträger des BHs konnte man erahnen. Birgit lächelte ihre Freundin erfreut an: »Du kommst genau rechtzeitig zum Mittagessen! Auch einen Sojadrink? Total gesund, aus dem Reformhaus. Meiner ist Vanille, ich kann dir ansonsten eine herzhafte Geschmacksrichtung anbieten, Salami, Schinken, Chili …«

      »Nein, danke, Birgit, ich habe keinen Hunger. Hast du im Netz noch irgendetwas Interessantes gefunden in Sachen Adelhofer?«

      Birgit setzte sich an den Computer, nahm einen Schluck von ihrem Drink, verzog das Gesicht und legte los: »Eine normale Recherche habe ich ja schon gemacht, da kamen die besagten Facebook- und Instagram-Bilder raus, ohne Ende Artikel und Blogs, die sich mit Adelhofer beschäftigen, Homestorys vom Hof am Chiemsee, übrigens aus den letzten Jahren so gut wie keine Fotos mehr mit den beiden Brüdern allein. Höchstens auf irgendwelchen Events, ich suche die interessantesten raus und schicke sie dir. Ich glaube, dass Robert und Lukas keinen Draht mehr zueinander hatten, ehrlich gesagt.«

      Katharina nickte. »Das meint die Obermann von der Kripo auch.«

      Birgit klopfte sich grinsend auf die Schulter und fuhr fort: »Viel spannender als diese normale Netzrecherche wären Infos, die Menschen verschlüsselt


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