Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens
herausgeben. Noch mal mein herzliches Beileid, für Sie und Ihre Eltern.«
Samstagnachmittag, Frauenchiemsee
»Aha, das ist er wirklich auf den Fotos?«
»Ich würde sagen, ja. Wir hatten es vermutet, die Fotos sind zwar unscharf, trotzdem ist eigentlich klar, dass es sich um Robert handelt. Außerdem hat sein Gesicht Bände gesprochen.«
Oliver saß im Biergarten auf der Fraueninsel, ganz der Anwalt im Wochenende: dunkelblaue Bermudashorts, rosa Polohemd und teure Männer-Flipflops. Auf seinem Kopf trug er die Baseballkappe eines namhaften italienischen Sport-Labels. Er hatte Messer und Gabel sinken lassen, während Katharina von ihrem Gespräch mit Adelhofer erzählte. »Wo hat Birgit diese Fotos noch mal entdeckt?«, hakte er nach.
»Das war in diesem Fall nicht schwierig. Auf Fanclubseiten auf Facebook und Instagram gibt es jede Menge Fotos von Begegnungen mit Robert. Auf einigen sieht man ihn undeutlich in einer Menge von Autogrammjägerinnen an der Kampenwand unterhalb vom Gipfel. Sie halten alle ihre Smartphones hoch, drum ist er nicht gut erkennbar.«
Katharina schaute versonnen auf Olivers Teller.
Mit dem Schweinsbraten und den Knödeln war er inzwischen fertig. Die Kellnerin brachte gerade einen großen Becher Spaghettieis. Vorne am Wasser saß Svenja auf dem Steg und hatte offenbar eine interessante, circa achtjährige Männerbekanntschaft gemacht. Eigentlich hätte Katharina ihrer Tochter gern kurz Hallo gesagt. Als könnte Oliver Gedanken lesen, riet er:
»Lass es sein, Svenja hat gerade sowieso keine Augen für dich.«
Tatsächlich war ihre Tochter so vertieft ins Gespräch mit dem rothaarigen Wuschelkopf, dass Mütter nur stören würden.
»Bei diesem ausgefallenen Männergeschmack muss sie sich später wenigstens nicht mit anderen Mädels um den Gleichen kloppen«, seufzte Katharina.
Nachdem sie beschlossen hatte, Olivers Beispiel zu folgen und heute Kalorien Kalorien sein zu lassen, bestellte sie ebenfalls den Schweinsbraten mit Knödeln, Rotkraut und »viel Kruste«.
»Hat Birgit sich bei dir gemeldet?«, fragte sie Oliver, der mit weiten Teilen seines Gesichts im Eisbecher verschwunden war, um noch den letzten Rest rauszuschlecken.
»Nein, du müffteft doch beffer wiffn, wo fie fteckt«, ertönte es undeutlich aus der Glasschale.
Weiter kamen sie nicht, denn Svenja hatte offenbar bereits genug von ihrem rothaarigen Flirt. Sie kam ohne Schuhe und mit nassen Füßen an den Tisch und forderte in klarem Befehlston: »Ich will auch Schweinsbraten und Spaghettieis.«
»Hallo, Svenja«, blieb Katharina freundlich und drückte ihrer Tochter einen Kuss auf den Wuschelkopf. »Warum hast du deinen Freund nicht mitgebracht?«
»Der ist nicht mein Freund. Der ist saudoof. Und außerdem heißt er Konstantinus. Voll arschblöder Name.«
Oliver und Katharina warfen sich einen Blick zu und wechselten das Thema. Svenja würde ohnehin nicht mehr erzählen über ihren Ärger.
»Was haben Oliver und du Schönes gemacht, mein Schatz?«, fragte Katharina liebevoll, nachdem die Kinderportion Schweinsbraten bestellt war.
»Wir haben im Klosterladen Marzipan gekauft und wir waren baden. Ich bin Olli davongeschwommen.« Svenja kicherte bei der Erinnerung daran.
»Olli?«, fragte Katharina mit hochgezogenen Augenbrauen in Richtung Oliver. »Wenn ich dich Olli nennen will, sprichst du drei Tage nicht mehr mit mir, und Svenja darf das?«
»Svenja ist eben was Besonderes«, grinste Oliver und streichelte seinem liebsten Pflegekind über die heute zu zwei Zöpfen gefassten braunen Wuschelhaare.
»Logisch ist Svenja was Besonderes«, tönte es hinter Katharina. »Bei dieser Mama cool zu bleiben, da muss man was Besonderes sein, gell Svenja?«
Svenja strahlte vor Stolz darüber, dass eine Erwachsene sie als cool bezeichnete, während sich Birgit Wachtelmaier auf den letzten freien Stuhl am Tisch setzte.
»Oh, Schweinsbratentag. Bin dabei«, sagte sie mit einem Blick über den Tisch, auf dem Olivers leerer und Katharinas gut gefüllter Teller standen.
»Passt die Eier-Diät nicht zum kleinen Schwarzen?«, fragte Katharina grinsend. »Wobei«, sie warf einen prüfenden Blick über Birgits Freizeitoutfit – knallrote Turnschuhe, gelbe Leggings, darüber schwarze Leinenshorts und dies kombiniert mit einem giftgrünen, tief dekolletierten T-Shirt, unter dem ein orangefarbener Spitzen-BH hervorlugte – »du siehst wieder normal aus.«
Svenja hatte inzwischen den Nächsten an der Angel – am Nachbartisch saß ein circa zehnjähriger bayerischer Bursch mit Lederhose und kariertem Hemd, verspeiste genüsslich seinen Schweinsbraten, flirtete mit Svenja … und sie zurück. Sie grinsten sich an, schauten weg, grinsten sich wieder an. Bis Svenja die Sache in die Hand nahm und zu ihrer Mutter im Aufstehen sagte: »Du, Mama, sag der Kellnerin bitte, sie soll meinen Schweinsbraten an den Nachbartisch bringen.«
Sprach’s und saß neben ihrem neuen Schwarm, schüttelte dessen Eltern artig die Hand und war flugs in ein Gespräch mit Ludwig vertieft. So hatte sich der braungelockte Nachwuchs-Casanova jedenfalls eben vorgestellt.
»Na, in Sachen Männeraufriss könntest du von deiner Tochter echt noch was lernen«, kommentierte Birgit.
»Danke für den Tipp. Und, was ist noch passiert auf der Beerdigung?«
»Mmh, vielen Dank.« Birgit strahlte die Kellnerin an, die ihr ihren Schweinsbraten, bestehend aus zwei großen Bratenscheiben mit lecker duftender dicker brauner Sauce, zwei ebenfalls recht überdimensionierten Kartoffelknödeln und einer beachtlichen Schale Rotkraut, vor die Nase stellte.
»Die Kinderportion bitte für die Partnerin des jungen Herrn am Nachbartisch«, bat Birgit schmunzelnd die Bedienung. Während sie ihre Knödel zerlegte, begann sie, über Schweinsbratenrezepte zu philosophieren: »Der Arnulf wollte ihn nur mit Biersauce, finde ich auch nach wie vor am besten. Man kann alternativ Brühe nehmen. Das Wichtigste ist sowieso, den Braten stundenlang mit der Schwarte nach unten in Flüssigkeit zu legen, sonst wird sie nie knusprig. Mmh, genau so haben die das hier gemacht. Köstlich.«
Oliver warf Katharina einen verwirrten Blick zu, sie machte unauffällig eine beschwichtigende Geste in seine Richtung.
»Birgit?«, fing sie vorsichtig an.
»Ja? Willst du noch ein Stück, könnte ich verstehen, der ist zum Reinlegen, hier, nimm.« Birgit hielt ihrer Freundin eine Gabel mit einem ansehnlichen Bratenstück vor die Nase.
»Danke, ich bin satt. Könnten wir noch mal kurz über die Beerdigung sprechen?«
»Logisch. Die meisten Botox-Tanten sind abgedüst, als Robert weg war. Nur diese fürchterliche Heike Ballinger von ›Szene‹ stand noch eine Weile mit dem Wedel herum und es ging offenbar um die nächste Sendung von Adelhofer. Der Wedel hat der Heike auf die Schulter geklopft und ›gut gemacht‹ gesagt.«
»Wusste ich es, dass das geplant war«, sagte Katharina und berichtete Oliver und Birgit von ihrer Beobachtung am Grab. »Alle haben gehört, warum es ohne Unterbrechung mit Roberts Sendung weitergehen wird, und viele der Kollegen werden es brav schreiben und den untadeligen Ruf des Robert Adelhofer weiter zementieren«, erläuterte Katharina entnervt. »Und ich muss mir die Sendung natürlich reinziehen.«
Während Birgit weiter den Schweinsbraten in sich hineinschaufelte, berichtete Katharina ihr von dem Gespräch mit Adelhofer und seiner Reaktion auf die vermeintlichen Fotos aus den Bergen.
Birgit wischte sich den Mund ab und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Das ist doch ein Beweis, dass er lügt.«
»Das glaube ich auch, aber so richtig gut erkennt man ihn auf den Fotos nicht.« Ein breites Grinsen ging über Birgits Gesicht. »Er ist es, Wahrscheinlichkeit 98,6 Prozent.«
Katharina und Oliver starrten Birgit verwundert an.
»Tja, ihr