Teacher Leadership - Schule gemeinschaftlich führen (E-Book). Nina-Cathrin Strauss
mit anderen Netzwerkmitgliedern verwendet. Ergänzend zu den sechs Netzwerkveranstaltungen, findet jährlich an einem Samstag eine internationale Konferenz statt.
Die Internationale Initiative (ITL) begann 2008, als sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kroatien, Griechenland, Portugal, Spanien und der Türkei für HertsCam interessierten (Frost 2011). Erweitert wurde ITL, als die Open Society Foundations (OSF) ihr Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf dem Balkan in das Projekt einbrachten. Die OSF finanzierte eine Reihe internationaler Workshops, welche die Gründung von Teacher-Leadership-Gruppen in 15 Ländern unterstützten.
Eine weitere Tätigkeit von HertsCam sind Veröffentlichungen, die es ermöglichen, dass Lehrkräfte sich für Teacher Leadership einsetzen. Material, das in der Zeitschrift «Teacher Leadership» veröffentlicht wurde, ist frei verfügbar (www.teacherleadership.org.uk).
Die hier skizzierten HertsCam-Programme sind nur einige von vielen, die Teacher Leadership unterstützen. So gibt es zum Beispiel ein erfolgreiches Programm in Ontario, das Lehrkräfte befähigt, ihr eigenes Lernen zu gestalten (Lieberman, Campbell u. Yashkina 2016). Das Programm wird durch eine Zusammenarbeit zwischen dem Bildungsministerium von Ontario und der Ontario Teachers’ Federation großzügig finanziert. Die Teilnehmenden sind allesamt erfahrene Lehrkräfte, die sehr positive Rückmeldungen zu ihren Erfahrungen gegeben haben. Auch in den USA gibt es verschiedene Programme für Teacher Leadership, wie sie im Artikel von Berg, Carver und Mangin (2014) teilweise skizziert wurden. Eine weitere Quelle für Informationen über Programme in den Vereinigten Staaten ist das «International Journal of Teacher Leadership».
Zentrale Lehren aus HertsCam
Die erste Lehre lautet, dass Führung durch Lehrerinnen und Lehrer und andere im Bildungswesen Tätige unabhängig von ihrer formellen Position ausgeübt werden kann. Voraussetzung ist, dass sie eine angemessene Form von Unterstützung erhalten. Formelle Auswahlverfahren und Anreizsysteme sind nicht unbedingt ermächtigend.
Die zweite Lehre besagt: Wenn das Ziel darin besteht, Lehrkräfte zu bestärken und sie in die Lage zu versetzen, eine Führungsrolle zu übernehmen, dann ist die stärkste Form der Unterstützung eine, die auf Ermöglichung (facilitation) beruht. Eine solche Unterstützung respektiert das berufliche Wissen und die Fachkenntnisse der Lehrpersonen und ermöglicht es ihnen, durch den Rückgriff auf gut ausgearbeitete Instrumente über ihre eigenen Wertmaßstäbe und Anliegen nachzudenken und ihre eigenen Entwicklungsprojekte zu planen, um bestimmte Aspekte der Praxis in ihren Schulen zu verbessern.
Drittens können die Lehrpersonen, unabhängig davon, ob sie eine formale Position innehaben oder nicht, in der Berufspraxis ihrer Schule einen bedeutenden Unterschied machen. Dazu müssen sie für die Gestaltung von Entwicklungsprojekten gefördert werden. Solche Projekte haben den Vorteil, dass sie praxisnah sind, weil sie sich auf bestimmte Aspekte der Praxis konzentrieren und zeitlich begrenzt sind.
Die vierte Lehre ist, dass die Lehrkräfte selbst Fachwissen als Moderatorinnen und Moderatoren entwickeln können, indem sie ausgehend von gegenseitigem Respekt und gemeinsamer professioneller Praxis handeln. Wenn Moderatorenteams aus erfahrenen Lehrkräften bestehen, bedeutet dies, dass die Bereitstellung von Unterstützung selbstgenerierend ist und zu geringen Kosten kontinuierlich erneuert werden kann.
Die fünfte Lektion schliesslich ist, dass es für Lehrkräfte selbst möglich ist, ihre eigene unabhängige Organisation zu leiten – was die Möglichkeit schafft, Programme wie die hier skizzierten durchzuführen. Die Aktivität von Lehrerinnen und Lehrern kann den Aufbau und die Aufrechterhaltung organisatorischer Strukturen, wie sie hier veranschaulicht werden, einschließen.
Implikationen für die Profession
Abschließend möchte ich einige Folgerungen aus der Diskussion um Teacher Leadership hervorheben. Wir alle sind leider vertraut mit dem Phänomen der Lehrkräfte, die in den Beruf eintreten und ihn nach ein oder zwei Jahren wieder verlassen, sei es wegen der Bürokratie, der Arbeitsbelastung oder des Gefühls, sich ständig rechtfertigen zu müssen, statt geschätzt und gefeiert zu werden. Da helfen nicht nur bessere Fähigkeiten zum Zeitmanagement oder dass man sich um Stellen in weniger anspruchsvollen Schulen bewirbt, sondern gefordert ist der Aufbau von Resilienz und der feste Glaube an die persönliche Wirksamkeit (Bandura 1997; Bangs u. Frost 2015). Beides hängt mit der Bildung professioneller Identität zusammen, und es ist zu hoffen, dass alle, die sich für den Lehrberuf entscheiden, Gelegenheit erhalten, über die Art der Professionalität nachzudenken, die sie sich aneignen wollen.
Es ist notwendig, den Unterricht als «bequemen Beruf» zu entmystifizieren und sich der Realität zu stellen, dass der Beruf sehr anspruchsvoll ist. Dabei geht es nicht nur um Zeit und Energie; es ist auch eine Herausforderung, sich in den Dienst anderer zu stellen. Selbst dann, wenn diese anderen die Schulbildung als Zumutung empfinden. Man muss die Realität des Unterrichts an staatlichen Schulen mit klaren Augen sehen. Kinder sind gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet, und einige ärgern sich vielleicht darüber oder haben aus anderen Gründen Schwierigkeiten, sich zu beteiligen. Wer sich darauf vorbereitet, Lehrerin oder Lehrer zu werden, muss einen gut entwickelten Sinn für pädagogische Zielsetzungen haben, beruhend auf dem Wunsch, soziale Gerechtigkeit zu fördern und zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung beizutragen. Haben Lehrkräfte die Gelegenheit, über solch grundlegende Fragen nachzudenken, erkennen sie mit größerer Wahrscheinlichkeit in sich selbst die Handlungsfähigkeit (agency), die erforderlich ist, um den so wichtigen Unterschied zu machen (Edwards 2015). Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, dass Teacher Leadership als Dimension der Professionalität von Lehrpersonen Zeit und Raum erhält, sich zu entfalten.
Literatur
Anderson, Emma, Paul Barnett, Liza Thompson, Amanda Roberts und Viviene Wearing. 2014. «Teachers are doing it for themselves: knowledge-building in HertsCam.» In Transforming education through teacher leadership, hrsg. v. David Frost, 119–128. Cambridge: Leadership for Learning.
Atebe, Isaac. 2009. The actual and expected role of the head of department as perceived be head teachers and secondary schools heads of department in Kakamega East District, Kenya. Masterarbeit. Nairobi: Kenyatta University.
Bandura, Albert. 1997. Self-efficacy: The exercices of control. New York: W.H. Freeman.
Bangs, John. 2017. «Teacher leadership and its place in the global discourse.» In Empowering teachers as agents of change: A non-positional approach to teacher leadership, hrsg. v. David Frost, 168–173. Cambridge: University of Cambridge.
Bangs, John, und David Frost. 2015. «Non-positional teacher leadership: distributed leadership and self-efficacy» In Flip the system: Changing education from the ground up, hrsg. v. Jelmer Evers u. René Kneyber, 91–106. London: Routledge.
Barcan, Alan. 2010. «Public schools in Australia from the late 1970s to the late 1980s: the seeds of change.» Educational Research and Perspective 37: 1–37.
Bass, Bernhard. 1985. Leadership and performance beyond expectations. New York: Academic Press.
Bass, Bernhard. 1999. «Two decades of research and development in transformational leadership.» European Journal of Work and Organizational Psychology 8 (1): 9–32.
Bass, Bernhard, und Bruce Avolio. 1994. Improving organizational effectiveness through transformational leadership. Thousand Oaks, CA: Sage.
Bennett, Nigel, Christine Wise, Philip Woods und Janet Harvey. 2003. Distributed leadership: a review of literature. Nottingham: National College for School Leadership.
Berg, Jill Harrison, Cynthia Carver und Melinda Mangin. 2014. «Teacher leader model standards: implications for preparation, policy, and practice.» Journal of Research on Leadership 9: 195–217.
Bush, Tony. 2008. «From management to leadership: semantic or meaningful change?» Educational Management Administration &