Teacher Leadership - Schule gemeinschaftlich führen (E-Book). Nina-Cathrin Strauss
umfasst. Dies widerspricht den Forderungen einiger Kommentatorinnen und Kommentatoren, die den hybriden Teacher Leader fordern (Margolis 2012). Es wirkt ein wenig wie ein Glaubensakt, wenn gute Lehrpersonen aus dem Klassenzimmer entfernt werden und damit die Hoffnung verbunden wird, dass sie die Art von Führungsqualitäten entwickeln, welche die Effektivität der Praxis ihrer Kolleginnen und Kollegen verbessern.
Im Kontext des englischen Systems gibt es derzeit keine professionellen Standards für Teacher Leaders, obschon sie aus dem Inhalt des nationalen Zertifizierungsprogramms – der National Professional Qualification for Middle Leadership (NPQML) – abgeleitet werden können. In den 2011 herausgegebenen Berufsstandards für Lehrer in England sind acht Kategorien von Erwartungen aufgeführt. Eine Lehrperson muss
1 hohe Erwartungen setzen, die Schülerinnen und Schüler inspirieren, motivieren und herausfordern;
2 gute Entwicklung und Leistung von Schülerinnen und Schülern fördern;
3 gutes Fach- und Curriculumwissen demonstrieren;
4 gut strukturierten Unterricht planen und durchführen;
5 Unterricht an die Stärken und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler anpassen;
6 Prüfungen akkurat und produktiv einsetzen;
7 eigenes Verhalten effektiv für ein gutes und sicheres Lernklima einsetzen;
8 breitere professionelle Verantwortlichkeiten wahrnehmen.
Viele Schulleitungen in England haben sich darauf geeinigt, dass der letzte Punkt in dieser Liste – bekannt als Standard 8 – als wesentlich für die Beförderung einer Lehrkraft in eine mittlere Führungsposition anzusehen ist. In dem Dokument wird Standard 8 wie folgt beschrieben: einen positiven Beitrag zum allgemeinen Leben und Ethos der Schule leisten; effektive professionelle Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen entwickeln, die wissen, wie und wann sie Rat und fachliche Unterstützung in Anspruch nehmen können; Hilfspersonal effektiv einsetzen; Verantwortung für die Verbesserung des Unterrichts durch eine angemessene professionelle Entwicklung übernehmen und auf Rat und Feedback von Kolleginnen und Kollegen reagieren; und effektiv mit den Eltern in Bezug auf die Leistungen und das Wohlergehen der Schülerinnen und Schüler kommunizieren.
Ich habe einige Bedenken gegenüber solchen Versuchen, Standards und andere damit verbundene Anforderungen festzuschreiben. Diese Bedenken beziehen sich darauf, dass solche Aufstellungen zwar wie bei den Teachers’ Standards des Department of Education als «Leitfaden» angeboten werden können oder dass sie «den Dialog zwischen den Anspruchsgruppen des Lehrberufs darüber anregen, welches Wissen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen Lehrpersonen benötigen, um Führungsrollen zu übernehmen» (Teacher Leadership Exploratory Consortium 2011, 3), im Fall der Teacher Leader Model Standards aber wahrscheinlich letztlich dazu benutzt werden, die Lehrkräfte zur Rechenschaft zu ziehen. Natürlich kann es vernünftig erscheinen, dass Lehrkräfte mit Führungsaufgaben und zusätzlichem Gehalt Rechenschaft ablegen müssen. Und eine solche Auflistung von Anforderungen liefert wohl auch eine bessere Grundlage für ein Instrument zur Rechenschaftslegung, als einfach nur das Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler zu messen und eine trügerische Verbindung zwischen Schülerleistung und Lehrkraft herzustellen. Dennoch fühle ich mich nicht wohl dabei. Meine zweite Sorge ist, dass Spezifikationen wie die US-Modellstandards oder die Queensland-Master-Teacher-Liste potenziell einschränkend sind. Es gibt Dimensionen von Führung, die von solchen Listen einfach nicht abgedeckt werden können.
Informelle Teacher Leadership
Zuweilen wird in der Literatur auch die Idee der informellen Teacher Leadership erwähnt. So verweist etwa der Bericht von York-Barr und Duke auf «informelle Positionen, Rollen und Kommunikationskanäle in der täglichen Arbeit der Schulen» (York-Barr u. Duke 2004, 263). Die Idee einer informellen Position scheint ein wenig widersprüchlich zu sein. York-Barr und Duke stellen in ihrem Bericht auch die Überlegung an, dass Führung eine potenzielle Chance für alle ist. Sie zitieren Neuman und Simmons, die erklärten, dass in effektiven Schulen «jedes Mitglied der Schulgemeinschaft die Verantwortung – und Autorität – hat, geeignete Führungsrollen zu übernehmen» (Neuman u. Simmons 2000, 9). Dies führt uns aber nur zur Idee der formellen Teacher-Leadership-Rollen zurück. Vielleicht ist das nur eine Frage der Semantik, aber ich denke, es ist wichtig, zu unterscheiden, ob man eine Rolle als «Peer-Coach» oder «Critical Friend» hat oder einfach nur Teil der Berufsgemeinschaft ist. York-Barr und Duke bemühen sich auch um diese Differenzierung:
«Manchmal sind Lehrkräfte in formellen Führungspositionen tätig, zum Beispiel als Gewerkschaftsvertretung, Abteilungsleitung, Lehrplanspezialisten, Mentorinnen oder Mitglieder eines standortbasierten Managementteams. Zu anderen Zeiten wird Führung auf informelle Weise demonstriert, zum Beispiel durch Coaching von Kolleginnen und Kollegen, um Unterrichtsprobleme zu lösen, durch die Förderung der Beteiligung von Eltern, in der Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen in Kleingruppen und Teams, durch die Anleitung reflektierter Praxis oder durch die Vermittlung einer Vision für Verbesserungen.» (York-Barr u. Duke 2004, 263)
Ihr Beispiel der «informellen Formen» von Führungsaufgaben ist vielleicht zu Beginn des Berufslebens besonders hilfreich, da es Wege aufzeigt, wie junge und unerfahrene Lehrkräfte beginnen können, Führungsaufgaben in einer Art und Weise zu übernehmen, die ein geringes Maß an Rechenschaftspflicht mit sich bringt. Nach Woods und Roberts (2013, 2018) können Führungsaufgaben und Führungsarbeit als verteilt gelten, wenn alle Mitglieder einer professionellen Gemeinschaft einander gegenseitig beeinflussen, zur Entwicklung der professionellen Kultur beitragen und durch ihre Einstellungen, Rückmeldungen und Handlungen einen Unterschied in der Weiterentwicklung der Praxis machen. Es handelt sich um Führung, auch wenn sie nicht unbedingt bewusst, prinzipiengeleitet oder in ihrer Absicht strategisch ist. Bei seinen Recherchen in Kirgistan konzentrierte sich Nurbek Teleshaliyev (2016) auf erfahrene Lehrkräfte, die den Übergang zur Unabhängigkeit des Landes nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion überstanden hatten. Er stellte fest, dass die von ihm als «Lehrkräfte mit einem großen L» bezeichneten Lehrpersonen durch ihre informelle Führung einen speziellen Beitrag leisteten. Hier spricht zum Beispiel eine noch wenig erfahrene Lehrkraft über eine solche Lehrerin:
«Marina hilft allen Lehrkräften, nicht nur mir. Sie ist sehr freundlich, wer auch immer sie um Hilfe bittet. In unserer Schule haben wir Lehrkräfte, die anderen nur widerwillig helfen oder sagen, dass sie die Antwort nicht kennen würden. Marina ist ein ganz anderer Fall: Sie ist immer bereit, bei allem zu helfen, sie hört den Leuten zu und gibt Hilfestellung bei der Klassenbetreuung, beim Schreiben von Dokumentationen.» (Teleshaliyev 2016, 192)
Teleshaliyevs Schlussfolgerung ist, dass im kirgisischen Bildungssystem die Gelegenheit verpasst wurde, das Potenzial der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit für die Verbesserung der Schule zu nutzen. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt die Schaffung formaler Führungsrollen für Lehrkräfte.
Non-Positional Teacher Leadership
Um auf die Frage zurückzukommen, wer aus der Gemeinschaft der Lehrpersonen Führungsaufgaben übernehmen kann, möchte ich darauf hinweisen, dass die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Teacher Leadership nicht unbedingt sehr sinnvoll ist. Meine eigene Arbeit hat sich auf die Idee nichtpositioneller Teacher Leadership konzentriert, eine Konzeptualisierung, welche die Bedeutung der Position einer Lehrperson relativiert. Mit anderen Worten: Es ist nicht der wichtigste Faktor, ob Teacher Leaders eine Position haben oder nicht. Diese Konzeptualisierung hat Val Hill (2014) eloquent erörtert, ein Lehrer, der als Vermittler innerhalb des HertsCam-Netzwerks arbeitet.
«In HertsCam vertraten wir die Ansicht, dass dies der Entwicklung von Führungskapazitäten inakzeptable Grenzen setzt. Ein vielversprechenderer Ansatz war für uns, auf Hoyles Idee der ‹erweiterten Professionalität› (Hoyle 1974, 2008) aufzubauen und vorzuschlagen, dass Führung eine Dimension der Professionalität aller Lehrkräfte sein könnte. Folglich plädierten wir für einen Ansatz zur Teacher Leadership, der nicht davon ausgeht, dass Führung mit Positionen in der Organisationshierarchie der Schule verbunden ist. Stattdessen wird das Potenzial aller Lehrpersonen anerkannt, Führung