Vorsicht Stufe (E-Book). Katharina Krall

Vorsicht Stufe (E-Book) - Katharina Krall


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werden kann.

      Den direkten Übergang von der Sekundarstufe I beziehungsweise der obligatorischen Schule in die Sekundarstufe II schaffen rund 30 Prozent der Lernenden eines Jahrgangs nicht auf Anhieb: «[Es] lässt sich für die Jahre zwischen 2000 und 2014 doch ein leichter Anstieg des Anteils der Jugendlichen feststellen, die weder sofort übergetreten sind, noch sich in einer schulischen Zwischenlösung befinden.» (Ebd., S. 105)

      Die Gründe für den Besuch eines Zwischenlösungsangebots sind vielfältig, da es keine schweizweite einheitliche Definition für solche Angebote gibt. Meistens dienen die Zwischenlösungen dazu, den Lernenden die Chancen auf eine anspruchsvollere Ausbildung zu ermöglichen.

      Basierend auf den Daten der TREE-Studie der Universität Bern kann man festhalten, «dass sich Jugendliche mit schulischen Zwischenlösungen bezüglich des weiteren Bildungsverlaufs zwar von jenen unterscheiden, die nach der obligatorischen Schule keine Zwischenlösung gewählt hatten, jedoch nicht von vergleichbaren Jugendlichen, die sich für einen Sofortübertritt entschieden hatten» (ebd., S. 107).

      Die Anzahl der Lernenden, die es trotz Zwischenlösung nicht zum Abschluss einer Ausbildung auf Sekundarstufe II schaffen, ist zwar klein, in den letzten Jahren aber leider gleichbleibend. Für diesen Anteil an Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Übergang von der obligatorischen Schulzeit zur Sekundarstufe II mit einem Abschluss auf dieser Ebene also eher eine offene Wunde als eine Nahtstelle. Das Gleiche gilt für die Lernenden, die den Übergang in eine Ausbildung bewältigen, bei denen es jedoch zu einem Lehrabbruch kommt.

      Der letzte Bildungsbericht aus dem Jahr 2018 erkennt ganz allgemein Schwierigkeiten von Jugendlichen beim Einstieg in die Berufswelt, vor allem geht es im Bildungsbericht um mangelnde fachliche Kompetenzen, die zum Scheitern der Jugendlichen in der Ausbildung beitragen. Barbara Stalder und Evi Schmid (2006, S. 51) haben für den Kanton Bern Lehrvertragsauflösungen, ihre Ursachen und Konsequenzen im Rahmen des Projekts LEVA untersucht. Ihre Untersuchung zeigt, dass sowohl aus Sicht der Berufsbildnerinnen und -bildner als auch aus Sicht der Lernenden Leistungsprobleme in der Schule und im Betrieb ein wichtiger Grund sind. Bei den befragten Lernenden ist das Scheitern an der Berufsfachschule sogar der wichtigste Grund.

      Dies gibt natürlich der Autorin als Lehrperson im Berufsvorbereitungsjahr sehr zu denken: Weder die obligatorischen neun Jahre auf der Sekundarstufe I noch ein Jahr in einer Zwischenlösung wie zum Beispiel im Berufsvorbereitungsjahr bereiten eine gewisse Anzahl Jugendlicher so auf die Berufslehre und die Berufsfachschule vor, dass sie dort bestehen können.

      Neben dieser Gruppe Jugendlicher, die es gar nicht erst in die Berufsfachschule schafft oder dort scheitert, gibt es noch eine weitere Gruppe, die nach Erachten der Autorin und des Autors noch nicht erfasst wurde beziehungsweise noch wenig Interesse hervorgerufen hat. Die Autorin lädt regelmässig ehemalige Lernende ins Berufsvorbereitungsjahr ein, wo sie von ihren Erfahrungen in der Ausbildung berichten. Diese Lernenden berichten sehr unterschiedlich von ihren Ausbildungen: Einige sind sehr erfolgreich in ihrer Ausbildung, einige haben die Lehre leider bereits abgebrochen, teilweise handelt es sich um schulisch starke Lernende, einige sind eher schwach. Manche fühlen sich wohl in ihrem Betrieb und ihrer Lehre, andere sind eher unzufrieden. Es handelt sich also um eine recht heterogene Gruppe, jedoch berichten all diese Lernenden in ähnlicher Art und Weise von ihrem Einstieg in die Berufsfachschule: Der Start ist für die Lernenden holprig, alles ist anders als erwartet, oft unpersönlicher, schneller, und die geforderte Selbstverantwortung überfordert die meisten Lernenden. Im besten Fall gewöhnen sie sich schnell an das neue System und sind nur kurz irritiert. Für die meisten bedeutet die Berufsfachschule aber zunächst frustrierende Erfahrungen und schlechte(re) Noten. Viele der Lernenden berichten, dass sie in den ersten drei Monaten überfordert waren, kämpfen mussten, und selbst die langfristig erfolgreichen Lernenden beschreiben diese erste Zeit in der Ausbildung und an der Berufsfachschule als anstrengend. Die meisten Lernenden denken in dieser Zeit auch über einen Lehrabbruch nach, vor allem weil sie das Gefühl haben, den Ansprüchen nicht zu genügen und deshalb zu versagen. Einige vollziehen dann auch den Lehrabbruch.

      Die Aussagen dieser Lernenden ergeben natürlich ein sehr subjektives Stimmungsbild. Aber ähnliche Erfahrungen macht auch die andere Seite, die Lehrpersonen an Berufsfachschulen. Vor allem die ersten drei Monate des ersten Lehrjahres werden als eine unbefriedigende Zeit beschrieben, in der sehr viel Zeit dafür verwendet werden muss, die Lernenden an die neue Schulsituation zu gewöhnen. Zeit, die häufig nicht zur Verfügung steht oder dann anderswo fehlt.

      Oftmals liegen zwischen den beiden Stufen die Sommerferien. Das Ende der Sekundarstufe I markiert auch das Ende der obligatorischen Schulzeit. Der Einstieg in die Berufswelt mit einer Berufsausbildung beginnt für viele Jugendliche unmittelbar nach der Sommerpause.

      Dadurch, dass sich die Lernenden oftmals vorwiegend ein Bild über den berufspraktischen Teil der dualen Ausbildung verschafft haben – insbesondere durch Absolvierung einer Schnupperlehre oder eines Praktikums –, kommt es zur Problematik, dass die Lernenden zwar auf den praktischen Teil der Berufsbildung vorbereitet sind, nicht aber auf die Berufsfachschule. Die Berufsfachschule als Lernort wird bei den Vorbereitungen auf die Sekundarstufe II oftmals ausgeblendet. Dadurch verfügen viele Jugendliche über eine mangelhafte Vorstellung darüber, mit welchen Themen sie am Lernort Berufsfachschule konfrontiert werden. Darunter verstehen wir nicht nur die Inhalte der Bildungsverordnung, sondern auch die Unterschiede zwischen den bisherigen Rahmenbedingungen während der obligatorischen Schulzeit und den Bedingungen an einer Berufsfachschule. Dies führt dazu, dass sie entsprechend viel Zeit aufwenden müssen, den Übergang an dieser Schnittstelle zu bewerkstelligen. Dies wirkt sich wiederum auch auf den Lernort Schule aus.

      Wir vertreten die Ansicht, und werden an anderer Stelle noch präziser darauf eingehen, dass die Berufsfachschulen bei der Unterstützung der Berufslernenden an der Schnittstelle den Fokus primär auf den fachlichen Bereich (Lerninhalte) legen. Wir möchten an dieser Stelle nicht missverstanden werden. Die Fokussierung auf die inhaltlichen Voraussetzungen der Betroffenen ist eminent wichtig und sollte auch beibehalten werden. Ja, die verschiedenen Massnahmen und Instrumente zur Früherfassung helfen dabei, die Jugendlichen adäquat zu unterstützen. Bei der Früherfassung geht es darum, herauszufinden, über welche Voraussetzungen die Lernenden bereits verfügen, um den gewählten Beruf erfolgreich zu erlernen (vgl. Grassi 2016, S. 50–62). Dabei verfügen die meisten Berufslernenden über die Fähigkeiten und Ressourcen, ohne zusätzliche unterstützende Massnahmen den gewählten Beruf zu erlernen. Ein Teil der Berufslernenden benötigt zusätzliche begleitende Massnahmen, die zu einem erfolgreichen Lehrabschluss führen. Diese Massnahmen sollten gemeinsam im Rahmen der Lernortkooperation erfolgen. Die letzte Gruppe erfüllt die Voraussetzungen für den Erwerb des gewählten Berufs nicht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und lassen sich oftmals nicht monokausal erklären.

      Neben den schulischen Voraussetzungen kommen sprachliche und soziokulturelle Aspekte hinzu. Manchmal liegt es an der mangelnden intrinsischen Motivation, weil der gewählte Beruf nicht der Wunschausbildung entspricht oder eine Unter- oder Überforderung im Zentrum steht. Bei der Früherfassung sollten daher in Zukunft auch Aspekte berücksichtigt werden, die über theoretische Komponenten wie Deutsch und Mathematik hinausgehen. Der Lernort Berufsfachschule leistet zwar bereits einen wichtigen Beitrag, wenn es darum geht, die Berufslernenden an der Schnittstelle zur Berufsausbildung inhaltlich abzuholen und zu unterstützen. Wir vertreten aber die Ansicht, dass es noch weiterer Anstrengungen bedarf, damit der Übergang in die Berufsfachschule optimiert werden kann.

      Wenn wir über eine Schwelle oder ein Hindernis schreiten, machen wir in der Regel Personen, die hinter uns gehen, darauf aufmerksam, damit sie behutsam weitergehen. Weshalb sollte dieses Prinzip an der Schwelle zum Übergang von der obligatorischen Schule zur Berufsfachschule seine Gültigkeit verlieren? Unserer Ansicht nach wird noch zu wenig unternommen, um die Berufslernenden auf Rahmenbedingungen an den Berufsfachschulen vorzubereiten. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören für uns unter anderem:

      •Schulstruktur


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