Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book). Mirjam Kocher

Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book) - Mirjam Kocher


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(Vasile, Margaritoiu & Eftimie, 2011), das Bedürfnis nach einer gedeihlichen Lehrer/-in-Schüler/-in-Beziehung (Klassen et al., 2012) sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (McNeil, Hood, Kurtz, Thousand & Nevin, 2006; Palak & Papuda-Dolinska, 2015), relevant sein dürften.

      Ausgehend von einer umfassenden Durchsicht der vorhandenen Forschungsliteratur zu schulpraktischen Studien und aufbauend auf etablierten psychologischen Bedürfniskonzeptionen, wurden vier kontextspezifische Bedürfnisse von Studierenden im Schulpraktikum herausgearbeitet, die allgemeine Lernbedürfnisse mit spezifischen berufsbezogenen Bedürfnissen von Lehrpersonen zusammenführen (vgl. Dreer, 2016, 2018). Demnach werden die Bedürfnisse nach (1) Einführung in den Schulalltag, (2) Einbindung in die Lehrer(innen)- und Schüler(innen)schaft, (3) Selbsterprobung und (4) Selbstverwirklichung unterschieden. Eine Übersicht über die vier Dimensionen gibt Tabelle 1.

DimensionBezugskonzeptKurzbeschreibung
Einführung in den SchulalltagSicherheitsbedürfnisse (Maslow, 1943; Vasile et al., 2011)Bedürfnis,einen festen Platz an einer als angemessen eingeschätzten Schule zu erhalten nach räumlicher und organisationsbezogener Orientierung an der Schule
Einbindung in die Lehrer(innen)- und Schüler(innen)schaftSoziale Einbindung (Deci & Ryan, 2000; Klassen et al., 2012)Bedürfnis,in der Schulgemeinschaft akzeptiert zu werden; dazu gehört, als professionelle/-r Kollege/-in wertgeschätzt und respektiert zu werden als relevante Bezugsperson durch die Schüler/-innen wahrgenommen zu werden
SelbsterprobungAutonomie/Kompetenzerleben (Deci & Ryan, 2000; Meyer & Kiel, 2014)Bedürfnis,angemessenen und typischen Herausforderungen des Lehrberufs erfolgreich zu begegnen, dabei über Wahlmöglichkeiten zu verfügen und sich als Initiator/-in der eigenen Handlung zu fühlen
SelbstverwirklichungSelbstverwirklichung (Maslow, 1943; McNeil et al., 2006; Palak & Papuda-Dolinska, 2015)Bedürfnis,das individuelle Potenzial in Bezug auf die Aufgaben des Lehrberufs voll auszuschöpfen die eigene Persönlichkeit (individuelle Stärken, Interessen und Vorlieben) mit wichtigen Aspekten der Lehrtätigkeit bedeutsam und längerfristig in Verbindung zu bringen

      Die vorliegende Studie befasst sich mit der übergeordneten Frage, ob sich die auf theoretischer Grundlage unterstellte Bedeutsamkeit der identifizierten Bedürfnisdimensionen auch empirisch nachweisen lässt. Hierfür wurden folgende forschungsleitende Fragen formuliert:

      1.Stellen die dargestellten theoretischen Dimensionen auch auf empirischer Basis eigenständige Bereiche dar?

      2.Wie entwickelt sich bei angehenden Lehrpersonen die mittlere Bedürfniserfüllung in den vier verschiedenen Dimensionen im Zeitverlauf während ihres Orientierungspraktikums?

      3.Steht die Erfüllung von Bedürfnissen im Praktikum in Zusammenhang mit Indikatoren eines erfolgreichen Orientierungspraktikums?

      Die dargestellten Fragen wurden in einer explorativen längsschnittlichen Tagebucherhebung adressiert. Die Bedürfniserfüllung von Studierenden (n = 106) wurde im Verlauf eines zehntägigen Orientierungspraktikums zu fünf Messzeitpunkten (Tag 1, 3, 5, 7, 9) erhoben. Das Orientierungspraktikum ist eine der ersten schulpraktischen Phasen, die Studierende an der Universität Erfurt in allen Bachelor-Studiengängen, die zu einem Lehramt führen,[1] verbindlich zu absolvieren haben. Es besteht die Möglichkeit, die Schule, an der das Praktikum absolviert wird, frei zu wählen. Vor- und Nachbereitung erfolgen mit einer Vorlesung sowie Einführungs- und Auswertungsseminaren. Wesentliche Ziele für dieses Praktikum sind, dass die Studierenden den Lehrberuf kennenlernen und von der Schüler(innen)- in die Lehrer(innen)-perspektive wechseln (Dreer & Pannke, 2014). Entlang dieser Ziele wurden in der vorliegenden Untersuchung die Zufriedenheit der Lernenden, Lerngewinn, Perspektivwechsel sowie Lehrpersonen-Selbstwirksamkeit als Erfolgsindikatoren der Praxisphase erfasst.

      Die Studie umfasste 106 Teilnehmende, von denen relevante Daten zu sämtlichen Messzeitpunkten vorlagen. Zum Zeitpunkt der Erhebung befanden sie sich im dritten beziehungsweise fünften Fachsemester eines lehramtsrelevanten Bachelor-Programms und waren im Mittel 20,2 Jahre alt (SD 6.15). In der Stichprobe waren mehr Studierende mit dem Berufsziel Grundschullehramt (nGr = 72) als Studierende mit dem Berufsziel Lehramt an Schulen im Sekundarbereich (nSek = 34) repräsentiert, was grundsätzlich die Verteilung der Lehramtsstudierenden an der Universität Erfurt widerspiegelt.

      Das Erhebungsinstrument wurde als Paper-Pencil-Tagebuch konzipiert. Neben je einer Eingangs- und Abschlussbefragung, die beide unmittelbar vor und nach dem Praktikum zu bearbeiten waren, enthielt das Tagebuch identische Erhebungsbögen zur Erfassung der Bedürfniserfüllung zu fünf Messzeitpunkten (Tag 1, 3, 5, 7, 9), die jeweils unmittelbar nach dem Unterrichtstag an der Schule zu bearbeiten waren. Sämtliche Items zur Erfassung der Bedürfniserfüllung waren auf einer fünfstufigen Intervallskala (1 = «trifft voll zu» bis 5 = «trifft nicht zu») einzuschätzen. Eingangs- und Abschlussbefragung wurden im Kontext der Vor- und Nachbereitungsseminare durchgeführt, was die Zuverlässigkeit der erhobenen Daten erhöhte. Die Eingangsbefragung zielte auf die Erhebung demografischer Daten und weiterer Informationen, wie zum Beispiel, ob den Studierenden die Praktikumsschule bereits vor dem Praktikum bekannt war. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die eingesetzten Skalen.

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      Anmerkung: Skalierung für alle Items: 1 = «trifft voll zu» bis 5 = «trifft nicht zu».

      Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage zeigten die Ergebnisse einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, dass sich die vermutete vierfaktorielle Struktur in der Bedürfniserfüllung auch empirisch darstellt (CFI = 0.92, RMSEA = 0.05, SRMR = 0.5). Interkorrelationen der Skalen verwiesen des Weiteren auf Zusammenhänge in der Bedürfniserfüllung zwischen den vier Dimensionen in mittlerem bis hohem Maß (rmin = 0.47, rmax = 0.71).

      Ferner kann berichtet werden, dass im Durchschnitt eine mittlere bis hohe Bedürfniserfüllung während der Praxisphase erreicht werden konnte (vgl. Tabelle 3). Die mittleren Erfüllungsraten der Dimensionen «Einführung» und «Einbindung» lagen dabei deutlich über denen der Dimensionen «Selbsterprobung» und «Selbstverwirklichung».

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      Ebenfalls wurde erkennbar, dass zum ersten Messzeitpunkt Unterschiede im Vergleich der Erfüllungsraten der Bedürfnisdimensionen «Eingebundenheit» und «Selbsterprobung» sowie im Vergleich dieser mit «Einführung» und «Selbstverwirklichung» vorlagen (vgl. Abbildung 1). Zusätzliche Analysen hierzu ergaben, dass sich diese Unterschiede teilweise durch die Bekanntheit der Schule erklären ließen. Studierende, die eine Schule für ihr Praktikum wählten (n = 71, M = 2.20, SD = 0.85), die ihnen bereits vor dem Praktikum bekannt[2] war, zeigten gleich zu Beginn des Praktikums höhere Erfüllungsraten für das Bedürfnis


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