Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage). Geri Thomann

Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage) - Geri Thomann


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Hochstapler» verstehen und verhalten.

      Kompetenz ist im dargelegten Verständnis also «eine generative Kraft, welche permanent aus Ressourcen neue Tätigkeiten kreiert» (Furrer 2000, S. 12). «Kompetenz» wird im Alltag und situativ entwickelt, «Performanz» macht diese unter förderlichen individuellen und kontextuellen Bedingungen sichtbar und «Ressourcen» können in Bildungsangeboten vermittelt bzw. erzeugt werden (ohne dass daraus «von selbst» Kompetenzen erwachsen). In diesem Sinne könnten Kompetenzen nicht – wie es manche «Kompetenzprofile» in Ausbildungskonzepten in Aussicht stellen oder suggerieren – «trocken» antrainiert werden.

      Dieser Kompetenzbegriff hat sich beispielsweise in Arbeiten zur Selbst- und Fremderfassung von Kompetenzen im Bereich des informellen Lernens in Frankreich und der Westschweiz durchgesetzt. Ich verweise hierbei auf die so genannte Kompetenzenbilanz und die biografische Portfoliomethode des Projektes der «éspace de femmes pour la formation et l’emploi, effe» (2001) oder das «Schweizerische Qualifikationsprogramm zur Berufslaufbahn, CHQ».

      Zum Glück lassen sich künftige Anforderungen nicht so präzise vorhersehen, wie es für die Entwicklung von Lehrplänen und die darin enthaltenen Formulierungen von Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen als «passe partouts» notwendig wäre.

      Transfer von Wissen oder Kompetenzen geschieht, wie Le Boterf treffend beschreibt, nicht in einem generellen kausalen «Nürnberger Trichter»-Prinzip.

       Warten auf Erleuchtung

      «Was kann ich tun, um schneller zur Erleuchtung zu kommen?» fragte ein Jünger seinen Weisheitslehrer.

      «Mit der Erleuchtung ist es wie mit dem Sonnenaufgang», antwortete der Meister.«Du kannst nichts anderes tun, als warten, bis sie sich ereignet.»

      «Wozu nützen denn all die Gebete und frommen Übungen, die ich täglich verrichten soll?»

      «Die habe ich dir bloss deshalb empfohlen, um sicher zu gehen, dass du nicht schläfst, wenn die Sonne aufgeht.» (aus: Imhof 1995)

       2.4Standards

      Oelkers und Oser (2000) nennen berufliche Handlungskompetenzen «Standards»:

       «Unter Handlungskompetenz versteht man jene professionellen Fähigkeiten, die es ermöglichen, im Schulalltag unter Bedingungen von situativen Zwängen richtig zu agieren und zu reagieren. Wir bezeichnen diese Kompetenzen dann als Standards, wenn ihre Erfüllung dergestalt ist, dass jemand ohne diese professionelle Ausbildung nicht in der Lage ist, sie in zufriedenstellender Weise zu realisieren». (Oelkers/Oser 2000, S. 56)

       «Standards stellen professionelle Fähigkeiten und gleichzeitig Niveauansprüche hinsichtlich ihrer situativen Sichtbarmachung dar». (Oser 1997, S. 210)

      Bei solchen Standards handelt es sich um Wissensbestände, die notwendigerweise angeeignet werden und dabei auch einem handlungsorientierten Gütemasstab standhalten sollen. Standards müssen damit intersubjektiv verhandelt und ausgewählt werden – ganz im Sinne einer Professionsdefinierung. Gleichzeitig sind sie Massstab und «Messlatte».

      Nur Experten verfügen über Standards, die in komplexen und unterschiedlichen Situationen zur Anwendung gelangen (vgl. Oser 1997, S. 27).

      Standards sind keine «standardisierbaren» Skills, weil ihr Einsatz reflexiv und unter Anwendung diverser Theorien in je unterschiedlichen Situationen geschieht.

      Ebenso wenig sind Standards allgemeine Schlüsselqualifikationen, weil sie professionsbezogen sind und Theorie, Empirie, Evaluation, Praxis und Reflexion zusammenbringen.

      Ob und wie in Ausbildungssituationen (an)gelernte oder geübte Standards mit der Zeit in der Praxis in Le Boterf’schem Sinne zu Kompetenzen oder gar zu Performanzen werden, bleibt vorläufig dahingestellt. Ich verweise dafür auf meine Ausführungen zur Experten-Novizenforschung (in diesem Kapitel 3.2).

      Analog zu Standardgruppen für die Lehrerbildung (nach Oelkers/Oser 2000) formuliere ich für die Ausbildung von Ausbildenden folgende Standard-Gruppen. Sie sind mitleitend für die Themenauswahl in vorliegendem Buch:

      1.Selbsteinschätzung, Selbstwahrnehmung, Selbstmanagement

      2.Planung, Gestaltung und Evaluation von Unterricht

      3.Leitung und Führung von Gruppen und Individuen

      4.Beurteilung und Qualifikation

      5.Kommunikation mit Lernenden und anderen relevanten Bezugspersonen

      6.Beratung von Lernenden/Begleitung von Lernprozessen

      7.Organisationales Denken und Handeln

      8.Fachliche und fachdidaktische Kenntnisse

      Bei dieser Auswahl lasse ich mich unter anderem von Weinerts Unterscheidung zwischen (Klassen-)Führungswissen, unterrichtsmethodischem Wissen, diagnostischem Wissen und Sachwissen leiten (Weinert et al., in: Alisch et al. 1989); ich ergänze seine Unterteilung um den Aspekt des «Wissens um sich und seine Rolle» (vgl. Dann, in: Reusser/Reusser-Weyeneth1994, S. 166) und um das im Speziellen im Felde der Erwachsenenbildung thematisierte Kontextwissen (vgl. Döring 2008, S. 39 und Siebert 2000, S. 7 ff.).

      Andere Autoren äussern sich über die Kompetenzebenen von Lehrenden in ähnlicher Weise (vgl. etwa Dubs 1995, S. 20, Messner/Reusser 2000, S. 277 und Dick 1996, S.122).

      Für meine Ausführungen formuliere ich jeweils zu Beginn der Kapitel spezifische Standards.

      Die Kapitel in meinem Buch entsprechen den Standardgruppen 1–7, Gruppe 1 wird zusätzlich repräsentiert durch die Reflexionsfragen in den jeweiligen Kapiteln. Gruppe 8 berücksichtigt meine Ausführungen nicht; hier ist Ihre fachspezifische Transferkompetenz gefragt.

      Die Diskussion über den Lernerfolg in Weiterbildungen unterscheidet etwa zwischen «Veranstaltungserfolg» und «Transfererfolg»; Ersterer kann als «Wirksamkeit», Zweiter als «Nachhaltigkeit» bezeichnet werden (vgl. Baumgartner-Schaffner 2001).

      Vorliegendes Buch kann Ihnen also in der «Kompetenz-Sprache» als Ressource und als Anregung, Ressourcen zu kombinieren, dienen. Inwiefern sich jedoch im Sinne der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit Kompetenzen in der täglichen Ausbildung ausformen, ist schwer zu beurteilen, darf aber selbstverständlich gehofft werden …

      Form und Auswahl der Inhalte situieren sich in der ersten Auflage des vorliegenden Buches ungefähr zwischen Anforderungen des «eidg. Fachausweises Ausbildner/in» (ehemals SVEB II) und der eidg. Erwachsenenbildner/in HF (wobei meine Ausführungen die Organisation stärker betonen). Für die vorliegende fünfte Auflage wurden die Teile «Organisation gestalten» und «Beraten» stark ausgebaut, Aspekte des Digital Learnings neu integriert. Bezüglich der allfälligen Effekte basiert jedoch Ausbildungswissen und erst recht «Buchwissen» immer auf Vermutungen; die spezifische Ausbildungskultur und der Praxisalltag vor Ort bestimmen mehr, als sich Ausbildungsverantwortliche oder gar Lehrmittelautoren erträumen.

       2.5Der «Rollenstrauss» von Ausbildenden

      Als Ausbildnerinnen und Ausbildner bewegen wir uns während unserer alltäglichen Arbeit in einer Vielzahl von Rollen. Der Begriff Rolle entstammt ursprünglich dem Theater, wo er den in einer (Schrift-)Rolle vorgegebenen Text bezeichnet. Aus soziologischer Sicht wird unter Rolle das «Bündel» von expliziten und impliziten Erwartungen verstanden, die beispielsweise an uns in unserer Funktion als Ausbildner/in gerichtet werden. Die Rolle ist demnach eine Art interpretierbares Bindeglied zwischen Individuum und Organisation, persönliche Anteile und institutionell-gesellschaftliche Vorgaben treffen sich in der Rolle. Verhaltenserwartungen werden zwar an Individuen herangetragen, beziehen sich dennoch stets auf die soziale Position, welche sie einnehmen. So genannte Bezugsgruppen senden demnach Positionsinhabern Rollen, wobei Inhaber von Positionen auch «Selbstsender» sein können, d. h., sich selbst Rollen zuweisen.

      Das Handeln in Rollen lässt immer gewissen Interpretationsspielraum zu. Rollenerwartungen führen zu Rollenkonflikten,


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