Geschichte der Kapverdischen Inseln (E-Book). Daniel Moser-Léchot

Geschichte der Kapverdischen Inseln (E-Book) - Daniel Moser-Léchot


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      Venezianische, genuesische und portugiesische Kaufleute beteiligten sich in den nordafrikanischen Häfen von Tunis, Bone, Alger, Oran, Ceuta, Tanger, Massa und Saffi am Handel mit dem Gold des Sudans, mit Gewürzen, sowie mit Sklavinnen und Sklaven aus Schwarzafrika. Zwei Drittel des europäischen Goldbedarfs wurden durch die Produktion im Sudan gedeckt. Die jährlichen Goldexporte von Afrika nach Europa betrugen etwa 6000 Kilogramm, während aus Südamerika später nur etwa 4000 Kilogramm stammten.

      Neben Gold, Gewürzen, Sklavinnen und Sklaven war die Bekämpfung der Piraterie ein weiteres Motiv zur Eroberung der Hafenstadt Ceuta.2 Die Eroberung von Ceuta 1415 stellte den ersten Versuch Portugals dar, direkten Anschluss an den afrikanischen Goldhandel zu gewinnen. Wegen eines marokkanischen Bürgerkrieges war die militärische Lage günstig. An der Eroberung war auch Prinz Heinrich der Seefahrer beteiligt – eine der wenigen Seefahrten, die der Seefahrer tatsächlich unternommen hat. Neben Ceuta eroberten die Portugiesen später weitere Orte in Marokko, so Alcacer Ceguer (1458–1550), Arzila (1471–1550), Tanger (1471–1661) und im Süden Mazagão (1514–1769, arabisch El Jadida). Anfangs des 16. Jahrhunderts kamen noch fünf weitere Orte für wenige Jahrzehnte dazu.3

      Die Anfänge der portugiesischen Eroberungen in Afrika gehen also nicht auf den Versuch zurück, einen Seeweg nach Indien zu finden – wie dies häufig in Schulbüchern dargestellt wird. Es ging um den Anschluss an den afrikanischen Goldhandel.

      Auch der Sklavenhandel spielte eine gewisse Rolle: Die Sklaverei war in Europa bis ins Spätmittelalter nie ganz verschwunden. Sklavinnen und Sklaven arbeiteten in den Hafenstädten Venedig und Genua in den Haushalten; in der Algarve, in Südspanien, in Süditalien und auf Sizilien auch in der Landwirtschaft, vor allem auf den Zuckerrohrplantagen.4

      Bereits nach 1422 begann Heinrich der Seefahrer Schiffe an die marokkanische Küste auszusenden und erreichte vorerst das Cabo Não (südlich des heutigen Agadir), 1434 das wegen seiner Untiefen, Strömungen und Stürmen gefürchtete Kap Bojador. Dies wurde erst mit vertieften Kenntnissen der Windsysteme und Strömungen zwischen dem afrikanischen Festland und den Kanarischen Inseln möglich. Zudem wurde in Portugal der Schiffstypus der Karavelle weiterentwickelt: Mit dem Lateinsegel konnte auch gegen den Wind gesegelt werden und das Steuerruder in der Mitte des Hecks erleichterte das Lenken des Schiffes. Da an der Atlantikküste des nördlichen Afrikas häufig ein Nordostpassat weht, waren diese technischen Voraussetzungen vor allem für die Rückfahrt nach Portugal wichtig.

      1441 umfuhr Nuno Tristão das Cabo Branco (im heutigen Mauretanien, an der Grenze zur Westsahara) und nahm die ersten schwarzen Sklavinnen und Sklaven gefangen. 1444 erreichte er die Mündung des Senegalflusses.

      Gomes Eanes de Azurara nannte 1448 in seiner «Chronik der Entdeckung und Eroberung von Guinea» fünf Gründe für die Entdeckungsfahrten der Portugiesen entlang der westafrikanischen Küste:

      1) Um Kenntnisse über das Land hinter den Kanarischen Inseln und hinter Kap Bojador zu gewinnen;

      2) um Handelsware aus diesen Ländern nach Portugal und Waren aus Portugal in jene Länder zu bringen, was den Bürgerinnen und Bürgern von Portugal grossen Gewinn bringen würde;

      3) um Kenntnisse über die Stärke des Feindes zu gewinnen und zu erkunden, wie weit sein Einfluss ginge;

      4) um Christen zu finden, die helfen würden, gegen den Feind zu kämpfen, wie auch

      5) um den richtigen Glauben auszubreiten und Seelen zu retten.5

      Azurara betonte bereits an zweiter Stelle die Chancen des Handels mit den neu entdeckten Ländern und ging erst an fünfter Stelle auf die christliche Mission ein. Bis zur Personalunion mit Spanien (1580–1640) waren für Portugal die Handelsbeziehungen stets wichtiger als die Mission.

      Mit Punkt 4 nahm Azurara eine Idee auf, die seit der Zeit der Kreuzzüge durch das christliche Europa geisterte: In Afrika den sagenhaften Priesterkönig Johannes zu finden, um gemeinsam gegen die Muslime zu kämpfen.6

      Um 1455 entstand in Arguim (arabisch Arguin, im heutigen Mauretanien) eine erste Festung mit einer Handelsfaktorei. Neben den Sklavinnen und Sklaven waren die Malagueta (eine Pfefferschote), Elfenbein, Moschus und Papageien wichtige Handelsgüter. In den nächsten Jahren fuhren Schiffskonvois der westafrikanischen Küste entlang nach Süden. 1444 entdeckte Dinis Dias die Insel Gorée beim heutigen Dakar. 1471 fuhren die Portugiesen bis zur Goldküste (heute Ghana) und errichteten 1482 die Festung São Jorge Elmina; damit hatten sie direkten Zugang zu den Goldminen der Ashanti.7

      Die portugiesischen Entdeckungs- und Eroberungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste sind in einem Gesamtzusammenhang zu sehen (s. Abb. 1).

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      Die «Naturalis Historia» (lib. 6, Kapitel 36) von Plinius dem Älteren (23–79 n. Chr.) erwähnt Inseln im Atlantik: Gorgonas und Hesperidas.8 Die Hesperiden oder die «Fortunatae Insulae» werden meist den Kanarischen Inseln zugeordnet, ebenso das «Atlantis» der Antike. Albuquerque verweist jedoch ebenfalls auf Sagen, nach denen bereits die Phönizier, die Karthager und andere Völker die Kapverdischen Inseln gekannt hätten. Diese Seefahrer unternahmen allerdings meist nur Küstenfahrten – die Kapverdischen Inseln liegen immerhin 500 Kilometer von der westafrikanischen Küste entfernt. Der Nordostpassat und der Kanarenstrom führten dazu, dass die Fahrt nach Süden verhältnismässig rasch vor sich ging, aber die Rückkehr nach Europa erst mit der Segeltechnik «gegen den Wind» möglich wurde.

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      Abb. 2: Nachbau 2008 einer portugiesischen Karavelle aus dem 15. Jahrhundert. Masse: 12–18 m Länge, 5 m Breite, 1,5 m Tiefe. Besatzung: 20–25 Männer. Das dreieckige Lateinsegel und das Steuerruder Backbord erlauben das Segeln gegen den Wind.

      In der portugiesischen und kapverdischen Historiografie taucht immer wieder die Frage auf, ob die Inseln bereits vor ihrer Entdeckung besiedelt waren oder nicht. Auf den Inseln São Nicolau und Santo Antão findet man die sogenannten rotchas scribidas (beschriebene Felsen). Ihr Ursprung ist nach wie vor ungeklärt. Einzelne Autorinnen und Autoren sehen darin von Sklaven angebrachte berberische Schriftzeichen, andere interpretieren sie als Naturphänomene. Schlüssige Beweise für eine Besiedlung der Inseln vor der Ankunft der Portugiesen stellen sie nicht dar.

      In Salamansa auf der Insel São Vicente fand man 2005 Siedlungsspuren mit afrikanischer Keramik und europäischen Gebäuderesten. Vorerst dachte man an eine kleine Siedlung aus der Zeit vor der Entdeckung durch die Portugiesen. Mithilfe von C14-Messungen wurden sie indessen ins 17. Jahrhundert datiert.9

      In der portugiesischen und kapverdischen Historiografie kam es zu einem «Historikerstreit» um die Entdeckung der Kapverdischen Inseln. Es stehen sich zwei Hauptthesen gegenüber: Entweder wird der Venezianer Cadamosto als Erstentdecker der Inseln 1456 betrachtet,10 oder die Entdeckung wird auf den Genuesen Antonio da Noli und den Portugiesen Diogo Gomes 1460 zurückgeführt.11 Einige vermuten auch, dass die Kapverdischen Inseln bereits 1445 durch den Portugiesen Vicente Dias entdeckt wurden und dass


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