In Bildern sprechen. Hugo Caviola

In Bildern sprechen - Hugo Caviola


Скачать книгу
für die das nicht möglich ist – sie umfassen alles Zivilisierte am Menschen – in den Hintergrund treten. Black bezeichnet diesen Vorgang als «Gesetz der Projektion» (Black 1954, 72).

      Im Gegensatz zur Substitutions- und Vergleichstheorie schreibt Black der Metapher eine kognitive Funktion zu. Die Interaktionstheorie macht deutlich, warum Metaphern in vielen Fällen nicht ohne Verlust durch wörtliche Ausdrücke ersetzbar sind. Erläutern kann man Metaphern ebenso schlecht wie den Witz eines Witzes. Ihr Gebrauch zielt auf eine Wahrnehmungsänderung und kann neue Sichtweisen eröffnen.

      Kognitive Metapherntheorie

      Verbreitete Anerkennung geniesst heute auch die kognitive Metapherntheorie (Lakoff und Johnson 1980, Lakoff 1987, Liebert 1992). Nach diesem Ansatz ist unser gesamtes Denken in Alltag und Wissenschaft von metaphorischen Konzepten geprägt. Hinter der in der Einzeläusserung fassbaren Lexemmetapher machen Lakoff und Johnson abstrakte Konzepte, sog. Bereichsmetaphern, aus, die unbewusst unsere Wahrnehmung lenken und bestimmte Denkbahnen festlegen. Beispiel: Lexemmetaphern wie «Zeit sparen», «Zeit einsetzen», «Zeit gewinnen» verweisen auf die Bereichsmetapher «Zeit ist Geld», die im Hintergrund die Wahrnehmung und das Handeln steuert.

      Textsemantischer Ansatz nach Weinrich

      Metapher als Konterdetermination

      In den letzten Jahrzehnten hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Metapher nicht als einfaches Wort, sondern immer erst in Verbindung mit dem Text verstanden werden kann. Harald Weinrichs textsemantischer Ansatz (1967) trägt der Beobachtung Rechnung, dass jedes Wort seine präzise Bedeutung erst im Kontext seiner Verwendung gewinnt. Nach Weinrich führt jeder Begriff eine Determinationserwartung mit sich, die durch den Kontext bestimmt wird. Der weit gespannte Begriff «Landschaft», zum Beispiel, eröffnet im Verwendungszusammenhang «Skandinavien» eine eingeschränkte Erwartungshaltung (man denkt z.B. an Nadelwälder und Seen), die sich von jener im Verwendungskontext «Nordafrika» unterscheidet (man denkt z.B. an eine Sandwüste). Erscheint nun das Wort «Landschaft» metaphorisch im Zusammenhang mit dem Wort «Seele» wie etwa in einem Gedicht von Verlaine: «Votre âme est un paysage», so entsteht nach Weinrich eine Konterdetermination, «weil die tatsächliche Determination des Kontextes gegen die Determinationserwartung des Wortes gerichtet ist.»(Weinrich 1967) Die Metapher wird demnach bestimmt als ein Wort in einem konterdeterminierenden Kontext.

      Von der Metapher zum Begriff

      Metaphern lassen sich semantisch nach dem Grad ihrer Usualität unterscheiden.

      Neue Metaphern gelten im Allgemeinen als lebendig, frisch, kreativ, poetisch oder originell. Beispiele: «Der Schüler ist eine Trommel»; «Die Seele klonen».

      Durch häufigen Gebrauch kommt der metaphorische Übertragungseffekt zur Ruhe und Metaphern gehen als Zweitbedeutungen in den Wortschatz ein. Sie werden lexikalisiert. Auf diese Weise bringen Metaphern Polysemien hervor. Meist kann dann nur noch die Etymologie an den Ursprung des lexikalisierten Wortes erinnern, wie zum Beispiel im Wort «Schloss», denn sowohl Schloss als Gebäude als auch Schloss als Türverriegelung haben etymologisch mit Verschliessen zu tun, Verschliessen der Tür und Verschliessen des Tals.

      Derselbe Effekt tritt auch ein bei der Katachrese. Man hat kein Wort für einen Gegenstand und holt dann aus einem anderen Bereich ein Wort, das nun diese Funktion übernimmt, so zum Beispiel Motor«haube», Computer«maus», Berg«sattel». Konventionelle Metaphern werden meist als tot, schlafend oder erstarrt bezeichnet.

      Lebende und tote Metaphern

      Die Grenze zwischen konventionellen und neuen Metaphern ist fliessend. Tote Metaphern sind keine Metaphern mehr, sondern normale Wörter bzw. Begriffe.

      «Begriff» wird in diesem Lehrmittel im Rahmen eines dreiseitigen Modells verstanden, wie es von Ogden und Richards 1923 im semiotischen Dreieck entworfen wurde.

      Vom Zeichen, dem Laut- bzw. Schriftbild, führt kein direkter Weg zum Gegenstand. Diese Beziehung ist durch den Begriff vermittelt. Er bezeichnet die durch Merkmale ausdifferenzierte Vorstellung, die sich der Sprechende bzw. die Sprachgemeinschaft vom Bezugsobjekt macht. Das äussere Zeichen verweist auf den Begriff, der den reichen Bedeutungsraum von Denotation, Konnotationen und Assoziationen aufspannt, also auch Eigenschaften wie Vagheit und Polysemie einschliesst. Die Merkmale eines Begriffs werden im Sprachbenutzer bzw. der Sprachbenutzerin seit frühester Kindheit als Folge zahlloser Akte gelingender Kommunikation ausdifferenziert. Dies gilt vor allem für die Alltagsbegriffe. Fachbegriffe dagegen sind im Rahmen einer Terminologie durch ausdrückliche Definition normiert.

22316.jpg

      Begriffe sind klassenbildend

      Vom Zeichen her gesehen ist der Begriff Träger einer Bedeutung (also Gegenstand der Semantik), vom konkreten Gegenstand her dagegen Träger einer Deutung (also Gegenstand der Onomasiologie). Begriffe sind sowohl verallgemeinernd (d.h. klassenbildend) als auch abstraktiv, indem sie nicht-klassenbildende Merkmale ausblenden. Beispiel: Der Wal gehört zur Klasse der Säuger, seine Fischmerkmale werden ausgeblendet. Begriffe widerspiegeln zudem die in einer Sprachgemeinschaft gültige Welteinteilung, die ihrerseits kulturelle Bedürfnisse und Handlungskontexte zum Ausdruck bringt. Beispiele sind Unterscheidungen wie «Kraut» – «Unkraut»; «Haustier» – «Schädling». Wenn Metaphern «sterben», kann eine «Ummöblierung» dieser Begriffsordnung stattfinden. Beispiele: «Maus» (Tier und Computerteil), «surfen» (Wassersport und Suche im Internet). Unser Lexikonwortschatz besteht zu einem beträchtlichen Teil aus «toten» Metaphern.

       Semantische Theorien können erklären, wie Metaphern durch Bedeutungserweiterung alter Wörter neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit eröffnen. Sie machen verständlich, dass Metaphern (zwischen Aktiv- und Erloschensein) verschiedene Stufen semantischer Stabilisierung durchlaufen. Indem sie die in der Metapher wirksamen Vorgänge von Filterung und Projektion und damit die kognitive Wirkung von Metaphern beleuchten, können semantische Theorien die gedankenleitende Wirkung der Metapher beschreiben.

      Im didaktischen Zusammenhang ist es fruchtbar, die von Black angesprochene «Resonanz» der Metapher semantisch durch das Zusammenwirken von Denotation, Konnotation und Assoziation von Begriffen bzw. Wörtern einzuführen.

      Denotation entspricht der lexikalischen Bedeutung oder Hauptbedeutung, Konnotationen umfassen die allen Sprachbenutzenden normalerweise bekannten Nebenbedeutungen, Assoziationen individuelle Konnotationen (vgl. Löffler 1998, S. 60). Die beiden Letzteren kann man als «Implikationen» zusammenfassen.

      Beispiel: «Strasse»: Denotation = «von Menschen angelegte Fahrbahn»

      Konnotationen = «Lärm», «Öffentlichkeit», «Gestank»

      Assoziationen = «Ameisen», «Fluss», «frieren»

      c. Pragmatische Theorien der Metapher

      Im didaktischen Zusammenhang stösst man häufig auf folgende Fragen: «Für wen ist eine Metapher eine Metapher? Welche Rolle spielen Kontext- und Sprechzusammenhang, individuelle Erfahrungen und Vorwissen?» (Nieraad 1977, S. 3)

      Metapher als ­Sprachgebrauch

      «Fünf Flaschen im Keller sind relativ wenig, fünf Flaschen im Aufsichtsrat relativ viel.» Witze dieser Art machen deutlich, dass es schwierig ist, Regeln für das Identifizieren von Metaphern anzugeben. Pragmatische Theorien der Metapher tragen dem Umstand Rechnung, dass Metaphorizität nicht im Sprachsystem (langue), sondern im Sprachgebrauch (parole) begründet ist. Sie beschreiben Metaphern im Kontext ihres Anwendungszusammenhangs. Was für sie die Metapher ausmacht, ist nicht eine Bedeutung, die (in aktiven ­Metaphern) ohnehin nicht genau fassbar ist, sondern ihr Appellcharakter (Davidson 1976). Man kann ­diesen als Interpretations- oder Deutungsappell verstehen, der durch die widersprüchliche Aussageform der Metapher ausgelöst wird. Nach Kurz gibt die Metapher eine Abweichung vom üblichen Sprachgebrauch zu verstehen und signalisiert zugleich, dass diese Abweichung sinnvoll


Скачать книгу