Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne. Regina Mathy
Bestehen eines gemeinsamen Rechtsträgers
Bekenntnisverschiedene Kirchen entscheiden sich in diesem Falle, über eine bloße Zusammenarbeit in einer Einrichtung hinaus gemeinsam einen eigenen und umfassenden Rechtsträger zu schaffen. Der Rechtsträger hat seinerseits die Verantwortung für Eigentum, Finanzierung, Personal, Geschäftsführung und Leitung.185
a) Rechtsformwahl
Religionsgemeinschaften können für ihre Einrichtungen sowohl Rechtsformen des Privatrechts, des öffentlichen Rechts sowie des Kirchenrechts wählen. Für die Wahl der Rechtsform spielen gesellschaftsrechtliche, arbeitsrechtliche, betriebswirtschaftliche, haftungsrechtliche, finanzielle und ggf. auch steuerrechtliche Faktoren eine Rolle.186 Fundierte Erhebungen zu Rechtsformen ökumenischer Rechtsträger gibt es bisher keine. Insofern liegt es nahe, sich im ersten Schritt an den Trägerrechtsformen katholischer oder evangelischer Einrichtungen zu orientieren187, um im nächsten Schritt Rechtsformen bisher bekannter ökumenischer Rechtsträger anhand von Beispielen darzustellen.
(i) Rechtsformen kirchlicher Einrichtungen
Als Träger von Einrichtungen kommen die DiCV bzw. die DW in Betracht. Diese sind in der Regel in der Rechtsform des eingetragenen Vereins (e.V.) organisiert.188 Abhängig von den Vorgaben innerhalb des jeweiligen DiCV bzw. des DW werden Einrichtungen unmittelbar vom Verband getragen oder verselbstständigt. Daneben werden Einrichtungen häufig von Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbänden bzw. Ordensgemeinschaften getragen. Diese agieren regelmäßig in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Einrichtungen können als unselbstständiges Sondervermögen der Körperschaften unterhalten werden und orientieren sich demnach an dem „Mutterrechtsträger“.189 Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, rechtlich eigenständige juristische Personen zu gründen190 – in der Praxis in der Regel in Form eines e.V. oder einer GmbH.191 Zudem können kirchliche Träger als Stiftungen – sowohl des öffentlichen als auch des Privatrechts – organisiert sein. Bisher waren häufig historische Gründe für die Rechtsform des Rechtsträgers ausschlaggebend.192
(ii) Rechtsformen ökumenischer Rechtsträger
Deutschlandweit sind die Bahnhofsmissionen ein prominentes Beispiel für eine aktive ökumenische Zusammenarbeit. Bereits 1910 wurde die „Konferenz für kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland“ gegründet, um die konfessionsübergreifende Arbeit zu koordinieren. Im Außenauftritt verzichtet die Bahnhofsmission auf jede konfessionelle Unterscheidung.193 Ende 2017 waren 59 von 103 Bahnhofsmissionen in Deutschland in Doppelträgerschaft.194 Bei der Mehrzahl der Einrichtungen in Doppelträgerschaft handelt es sich um einen gemeinsamen Betrieb der Caritas, IN VIA, der katholischen Kirche und einen weiteren Träger aus dem Bereich der Diakonie bzw. der evangelischen Kirche, beispielsweise eine evangelische Kirchengemeinde. Die hauptberuflich tätigen Mitarbeiter unterfallen entweder den AVR-Diakonie oder den AVR-Caritas, da der Anstellungsträger in der Regel einer der genannten konfessionellen Träger ist.195 Eine ökumenische Rechtsträgerschaft im engeren Sinne liegt nur bei zwei Bahnhofsmissionen vor.196 Tatsächlich ist dies bei vielen „ökumenischen“ Einrichtungen der Fall.
Vielfach werden Einrichtungen von einer katholischen und einer evangelischen Kirchengemeinde gemeinsam getragen; häufig ist Rechtsform der Trägerschaft die des e.V.197 Diesen Trägervereinen gehören häufig die Kirchengemeinde selbst, der Pfarrer oder andere Gemeindemitglieder an.198 Steht der Gemeinde ein größeres Vermögen zur Verfügung, kann sie auch eine Stiftung gründen. Zudem besteht die Möglichkeit der Gründung einer GmbH, deren Gesellschafterin die kirchliche Körperschaft ist.199 In der Praxis werden viele Einrichtungen von Caritas und Diakonie, d.h. in der Regel dem jeweiligen DiCV und dem jeweiligen DW getragen, so beispielsweise die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche Bad Tölz (Bayern).200 Auch hier ist der e.V. meist die gewählte Rechtsform. Möglich ist auch eine kombinierte Trägerschaft von Wohlfahrtsorganisationen und Kirchengemeinden.201 Die arbeitsrechtlichen Hintergründe dieser Aktivitäten sind häufig unklar. Letztlich handelt es sich jedoch in der Regel lediglich um gemeinsame Einrichtungen, die Anstellungsträgerschaft haben – wie bei der Bahnhofsmission – die beteiligten Träger inne.
Prominentes Beispiel für die Ökumenische Zusammenarbeit ist die Vereinbarung der Arbeitsgemeinschaft für Ökumenische Sozialstationen in der Diözese Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz (Landeskirche) in Partnerschaft mit dem DiCV Speyer und dem DW der Evangelischen Kirche der Pfalz.202 Die Arbeitsgemeinschaft fungiert nicht als Rechtsträger der jeweiligen Einrichtung, sondern als Spitzenverband und unterstützt die Ökumenischen Sozialstationen durch Dienstleistungen (vgl. § 2 Abs. 1 der Vereinbarung). Die Trägerschaft der Sozialstationen liegt bei den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden sowie den jeweiligen Krankenpflegevereinen. Die Einrichtungen agieren ebenso in der Rechtsform eines e.V.
Die Christophorus gGmbH203 ist eines der wenigen Beispiele für eine Ökumenische Trägerschaft im engeren Sinne. Sie leistet diakonisch-caritative Hilfen für die Region Würzburg. Im Unterschied zu vielen anderen ökumenischen Einrichtungen, bei denen es sich lediglich um einen gemeinsamen Betrieb handelt, agiert sie als Anstellungsträger, d.h. die Mitarbeiter sind unmittelbar bei der Christophorus gGmbH angestellt. Nach eigenen Angaben handelt es sich um den ersten ökumenischen Zusammenschluss niederschwelliger Dienste und Einrichtungen in der Rechtsform der gGmbH.204
Die gemeinnützige Christophorus Gesellschaft, diakonisch-caritative Hilfen für die Region Würzburg mbH wurde am 17. April 2000 gegründet. Sie ging hervor aus mehreren Einrichtungen, die auf Grundlage einer Zusammenarbeit von Caritas, Diakonie, Stadt Würzburg und Landkreis agierten. Basis dieser Kooperationen war eine als GbR organisierte Arbeitsgemeinschaft. Die GbR fungierte nicht als (ökumenischer) Anstellungsträger, sondern lediglich als gemeinsamer Betrieb. Es erfolgte ein Betriebsübergang der vormals bestehenden Einrichtungen auf die Christophorus gGmbH. An der Christophorus gGmbH sind zu 51% die katholische Kirche (41% der DiCV, 10% eine kirchliche Stiftung) sowie zu 49% das DW beteiligt. Es gelten die AVR-Diakonie Bayern einheitlich für alle Mitarbeiter. Die Entscheidung für das evangelische kirchliche Arbeitsrecht hängt mit der vorherigen Struktur der Einrichtungen zusammen, in denen mehrheitlich die evangelischen Loyalitätspflichten sowie die AVR-Diakonie Bayern galten. Es besteht zudem eine Mitarbeitervertretung, welche nach MVG-EKD gebildet wurde.205 Die Gesellschafterversammlung setzt sich aus Vertretern des DW Würzburg, Vertretern des DiCV Würzburg sowie einem Vertreter für die Kirchenstiftung St. Johannes in Stift Haug zusammen. Zudem besteht ein Beirat, der den Geschäftsführer und die Gesellschafter in finanziellen und konzeptionellen Fragen berät. Die Christophorus gGmbH ist außerordentliches Mitglied im DW Bayern sowie assoziiertes korporatives Mitglied beim DiCV.
In unseren Nachbarländern können ökumenische Rechtsträgerschaften teilweise auf eine längere Tradition zurückblicken; so beispielsweise in der Schweiz, wo insbesondere zahlreiche Alters- und Pflegeheime in ökumenischer Rechtsträgerschaft, mit gleichberechtigter Beteiligung mehrere Kirchengemeinden, zu finden sind.206
Im Folgenden werden die in Frage kommenden Rechtsformen hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile überblicksartig beleuchtet207:
b) Rechtsformen des Privatrechts
Auch für Religionsgemeinschaften gilt der numerus clausus der staatlichen Gesellschaftsformen. Die Rechtsformen haben jede für sich Vor- und Nachteile. Eine pauschalierte Empfehlung für sämtliche ökumenische Einrichtungen kann es nicht geben – vielmehr bedarf es einer Einzelfallentscheidung, die insbesondere auch den Zweck der jeweiligen Einrichtung berücksichtigt. In der Praxis sind der rechtsfähige Verein, die GmbH und die Stiftung von besonderer Relevanz. Dem nicht rechtsfähigen Verein sowie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Rechtsformen caritativer und diakonischer Trägerschaften kommt eine geringere Bedeutung zu.208 Möglich ist auch eine Rechtsträgerschaft durch eine Aktiengesellschaft