Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne. Regina Mathy
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2. Gemeinsamer Betrieb mehrerer Rechtsträger
Als Grundlage einer ökumenischen Zusammenarbeit kommt auch der gemeinsame Betrieb mehrerer Rechtsträger in Betracht. Prominentes Beispiel aus der Praxis für einen gemeinsamen Betrieb einer ökumenischen Einrichtung sind 59 von 103 Bahnhofsmissionen in Deutschland.288 Diese stehen in Doppelträgerschaft von katholischer Seite, d.h. einem Träger aus dem Bereich der Caritas, In Via oder der katholischen Kirche sowie einem weiteren Träger von evangelischer Seite, d.h. einem Träger aus dem Bereich der Diakonie oder einer evangelischen Kirchengemeinde. In den örtlichen Bahnhofsmissionen arbeiten Teams von Mitarbeitern beider Träger zusammen, die dem Arbeitsrecht des jeweiligen Anstellungsträger unterfallen.
Auch die Zusammenarbeit im Ökumenischen Bildungszentrum Santaclara in Mannheim erfolgt in Form eines gemeinsamen Betriebs.289 Dienstverhältnisse der in der Erwachsenenbildung tätigen Mitarbeiter bestehen jeweils zu den beiden an der Einrichtung beteiligten Kirchen, d.h. auf katholischer Seite zur Erzdiözese Freiburg und auf evangelischer Seite zum Stadtdekanat Mannheim bzw. der Landeskirche Baden. Santaclara ist kein eigenständiger Anstellungsträger. Dementsprechend gilt für die der katholischen Kirche zugeordneten Mitarbeiter die GrO, für die der evangelischen Kirche zugeordneten Mitarbeiter die LoyalitätsRL-EKD. Die zuständige Mitarbeitervertretung ist auf katholischer Seite die des Bildungswerkes der Erzdiözese Freiburg, auf evangelischer Seite die des Stadtdekanats. Die Zusammenarbeit erfolgt auf Basis eines Kooperationsvertrages.290 Hierin geregelt ist ebenso, welchem Anstellungsträger Mitarbeiter zuzuordnen sind, die nicht unmittelbar in der (konfessionellen) Erwachsenenbildung tätig sind – beispielsweise Mitarbeiter in Verwaltung, Sekretariat und Hausreinigung.
a) Gemeinsamer Betrieb i.S.d. BetrVG
Unter einem Betrieb i.S.d. BetrVG versteht man die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.291 Ein Betrieb kann auch von mehreren Rechtsträgern als „gemeinsamer Betrieb“ geführt werden, vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG.292 Eine abschließende Definition für den gemeinsamen Betrieb existiert nicht, § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG gibt vielmehr vor, wann ein gemeinsamer Betrieb fingiert wird.293 Nach ständiger Rechtsprechung des BAG liegt ein gemeinsamer Betrieb vor, „(…) wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Das setzt voraus, dass sich die Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, die sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten erstreckt.“294 Entscheidend ist nach Ansicht des BAG, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird.295
Im Falle eines gemeinsamen Betriebs bestehen die beteiligten Rechtsträger weiter selbstständig fort. Es erfolgt eine gemeinsame Planung und Organisation durch die beteiligten Rechtsträger auf Basis einer Führungsvereinbarung.296 Der gemeinsame Betrieb selbst konstituiert kein gemeinsames Unternehmen.297 Die Mitarbeiter bleiben weiterhin bei ihrem jeweiligen Ursprungs-Betrieb beschäftigt und werden von den beteiligten Trägern entsandt.298 Es muss demnach zwischen der Anstellungsträgerschaft und der Betriebsträgerschaft differenziert werden. Der einheitliche Leitungsapparat nimmt Teile der Arbeitgeberfunktion wahr, hierzu zählt insbesondere das arbeitsvertragliche Weisungsrecht.299
Regelmäßig wird für den gemeinsamen Betrieb die Rechtsform der GbR gemäß § 705 BGB gewählt.300 Der gemeinsame Betrieb ist abzugrenzen vom Gemeinschaftsunternehmen. In diesem Falle besteht zwischen der von mehreren Unternehmen gegründeten Gesellschaft und den Arbeitnehmern eine unmittelbare arbeitsvertragliche Beziehung.301
Das BetrVerf-ReformG 2001302 hat durch § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG klargestellt, dass Betriebsräte auch in gemeinsamen Betrieben mehrerer Unternehmen gewählt werden können.303 Der Betriebsrat agiert dabei unabhängig von der arbeitsvertraglichen Bindung der jeweiligen Mitarbeiter. Da die Ausübung der betrieblichen Leitungsmacht den beteiligten Trägerunternehmen gemeinschaftlich obliegt, besteht das Mitbestimmungsrecht beim Betriebsrat des gemeinsamen Betriebs und nicht beim jeweiligen Betriebsrat der beteiligten Unternehmen.304
b) Gemeinsame ökumenische Einrichtung
Auch bei der Zusammenarbeit im kirchlichen Bereich ist – etwa im Wege der strategischen Allianz – die Schaffung einer gemeinsamen ökumenischen Einrichtung durch zwei kirchliche Rechtsträger denkbar. Hierdurch wäre eine ökumenische Zusammenarbeit möglich, wobei gleichzeitig die hiermit verbundenen arbeitsrechtlichen Probleme vermieden würden.305 Die arbeitsvertragliche Beziehung besteht zwischen dem Mitarbeiter und dem jeweils entsendenden konfessionellen Rechtsträger. Ein gemeinsamer Betrieb ermöglicht eine klare Abgrenzung der für den jeweiligen Mitarbeiter geltenden Loyalitätspflichten und der Arbeitsrechtsregelung – schließlich gilt das beim entsendenden Träger angewandte Regelwerk. Insofern gelten die GrO und die AVR (bspw. Caritas) für diejenigen Mitarbeiter, die bei einer katholischen Einrichtung angestellt sind. Demgegenüber gelten die LoyalitätsRL-EKD und die AVR-Diakonie für Mitarbeiter, die bei einer evangelischen Einrichtung angestellt sind. Das gilt selbst dann, wenn bei der katholischen Einrichtung evangelische Mitarbeiter und bei der evangelischen Einrichtung katholische Mitarbeiter beschäftigt werden. Allerdings führt dies auch zu einer Ungleichbehandlung – die Mitarbeiter werden gemeinschaftlich in einer Einrichtung tätig, unterliegen jedoch unterschiedlichen Loyalitätsanforderungen und aufgrund der divergierenden Arbeitsvertragsrichtlinien auch darüber hinaus abweichenden Regelungen.
Weder die MAVO noch das MVG-EKD kennen eine § 1 Abs. 2 BetrVG entsprechende Regelung zu einer gemeinsamen Einrichtung verschiedener Rechtsträger. Mangels anderweitiger Regelung ist zunächst die Mitarbeitervertretung des jeweiligen entsendenden Trägers auch für die in die gemeinsame Einrichtung entsandten Mitarbeiter zuständig. Für die MAVO gilt das lex loci laboris, d.h. die MAVO der Diözese, in der sich der gemeinsame Betrieb befindet (kein Fall des § 1 Abs. 3 MAVO).306 Ebenso verhält es sich für das MVG der jeweiligen Landeskirche. Beim katholischen Träger gilt demnach die MAVO, bei dem evangelischen Träger das jeweilige MVG. Es bestünden weiterhin getrennte Dienstgemeinschaften.307 Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass bei einer getrennten Anstellungsträgerschaft die Mindestzahl der für die Bildung einer Mitarbeitervertretung erforderlichen Mitarbeiter von den verschiedenen kirchlichen Rechtsträgern jeweils einzeln nicht erreicht werden könnten, wodurch es schlussendlich zu gar keiner Bildung einer Mitarbeitervertretung kommen könnte.308
c) Gemeinsame Mitarbeitervertretung
Für personelle Maßnahmen – wie beispielsweise Entlassungen – mag ein Rückgriff auf die beim jeweiligen Rechtsträger bestehende Mitarbeitervertretung noch sachgerecht sein. Insbesondere für soziale Maßnahmen entstehen jedoch Lücken hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Vertretung der Mitarbeiterinteressen. Die Mitarbeitervertretungen würden jede für sich mit dem einheitlichen Leitungsapparat der gemeinsamen Einrichtung verhandeln und kämen möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dies ist weder für die Mitarbeiter noch für die Dienstgeber sachgerecht. Insoweit ist fraglich, ob in einer gemeinsamen ökumenischen Einrichtung zweier oder mehrerer konfessionsverschiedener Träger – ähnlich § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG – eine gemeinsame Mitarbeitervertretung geschaffen werden könnte. Bisher findet sich weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine eindeutige Stellungnahme zu dieser Konstellation.
(i) Stellungnahme von Rechtsprechung und Literatur
Auch für den vergleichbaren Fall einer gemeinsamen Interessenvertretung in einem Betrieb eines weltlichen und eines kirchlichen Trägers sowie einer öffentlichrechtlichen