Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne. Regina Mathy

Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne - Regina Mathy


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nur sehr spärlich vorhanden. Loritz geht in einem Beitrag davon aus, dass beim gemeinsamen Betrieb verschiedener kirchlicher Träger oder auch unter weltlicher Beteiligung eine Zuordnung zum kirchlichen System möglich wäre.310 Er vertritt die Ansicht, dass bei hinreichendem Einfluss einer Kirche allein oder beider Kirchen zusammen das BetrVG wegen der den Kirchen zustehenden verfassungsrechtlich garantierten Kirchenautonomie und der davon beeinflussten Auslegung des § 118 Abs. 2 BetrVG zurücktreten müsse und nicht zur Anwendung käme.311

       (ii) Planwidrige Regelungslücke

      Bei der Konzeption der Mitarbeitervertretungsordnungen wurde offensichtlich die Konstellation einer gemeinsamen Einrichtung nicht bedacht. Sowohl die MAVO als auch das MVG-EKD bezwecken – im Sinne der Dienstgemeinschaft – eine umfassende Interessenvertretung der Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen.312 Insofern liegt eine planwidrige Regelungslücke vor.313 Um eine sachgerechte Lösung für die planwidrige Regelungslücke der nicht vorgesehenen gemeinsamen Interessenvertretung in einer gemeinsamen Einrichtung zu finden, wäre eine Analogie denkbar. Naheliegend wäre in diesem Falle ein Rückgriff auf § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG und die hierzu vom BAG entwickelte Rechtsprechung zum gemeinsamen Betrieb. Auf das BetrVG abzustellen verbietet sich jedoch mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht: Der Ausschluss vom Geltungsbereich des BetrVG in § 118 Abs. 2 BetrVG für Religionsgemeinschaften sowie deren karitative und erzieherische Einrichtungen hat keine konstitutive Wirkung.314 Vielmehr entspricht der Ausschluss den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV.315 Es steht den Religionsgemeinschaften nach Ansicht des BVerfG frei, ob und in welcher Weise die Mitarbeiter und ihre Vertretungsorgane in Angelegenheiten des Betriebs, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen.316 Insofern ist eine analoge Anwendung der Vorschriften des BetrVG zum gemeinsamen Betrieb mit dem Selbstbestimmungsrecht unvereinbar.

      Im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts haben die katholische Kirche und die evangelischen Kirchen von ihrem Recht Gebrauch gemacht, eigene Mitarbeitervertretungsordnungen zu schaffen. Insofern muss für eine mögliche Analogie auf eine Norm der kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnungen zurückgegriffen werden. Ein möglicher Anknüpfungspunkt sind die Vorschriften der Mitarbeitervertretungsordnungen zur Bildung einer Mitarbeitervertretung. Konzeptionell sind sich diese mit Blick auf die Voraussetzungen der Bildung einer Mitarbeitervertretung relativ ähnlich. In Betracht kommt eine Anknüpfung an § 1a MAVO bzw. § 5 Abs. 1 MVG-EKD. In kirchlichen Einrichtungen (nach MAVO) bzw. Dienststellen (nach MVG-EKD) mit mindestens fünf wahlberechtigten Mitarbeitern sind Mitarbeitervertretungen zu bilden. Insofern stellt sich die Frage, ob man den Begriff „Einrichtung“ i.S.d. § 1a Abs. 1 MAVO, der auf die in § 1 MAVO genannten Rechtsträger abstellt, nicht auf gemeinsame ökumenische Einrichtungen ausweiten könnte. § 5 Abs. 1 MVG-EKD stellt auf den Begriff der „Dienststelle“ ab. Gemäß § 3 MVG-EKD zählen hierzu die „rechtlich selbstständigen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen und Werke sowie die rechtlich selbstständigen Einrichtungen der Diakonie innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland“. Allerdings fehlt es hier gerade an der erforderlichen Rechtsträgerschaft. Die beteiligten konfessionellen Rechtsträger entsenden Mitarbeiter in die gemeinsame Einrichtung, die ihrerseits jedoch nicht über eine Rechtsträgerschaft verfügt. Insoweit erscheint eine hierauf gestützte Analogie systematisch schwierig zu begründen.

      Sowohl die MAVO als auch das MVG-EKD kennen zudem die „gemeinsame Mitarbeitervertretung“ (§ 1b MAVO; § 5 Abs. 2 ff. MVG-EKD). Sie kann für mehrere Einrichtungen – auch verschiedener Rechtsträger – eingerichtet werden. Die Normen dienen dazu, auch für mehrere Einrichtungen mit wenigen Mitarbeitern eine Mitarbeitervertretung sicherzustellen.317 Die Beteiligung mehrerer Rechtsträger steht demnach der Errichtung einer Mitarbeitervertretung nicht prinzipiell entgegen, allerdings wird im Falle der gemeinsamen Mitarbeitervertretung an das Vorhandensein mehrerer Einrichtungen – und nicht wie in der gemeinsamen Einrichtung – an das Vorhandensein einer einzigen Einrichtung mehrerer Rechtsträger angeknüpft. Dies betrifft auch eine gemeinsame Einrichtung: Zwar bestehen möglicherweise bereits Mitarbeitervertretungen bei den beteiligten Rechtsträgern, diese können jedoch nicht adäquat die Interessen der Mitarbeiter der gemeinsamen Einrichtung vertreten. Im Sinne der Dienstgemeinschaft setzen sich die Kirchen jedoch gerade dafür ein, eine umfassende Vertretung möglichst aller Mitarbeiter sicherzustellen. Es liegt also eine vergleichbare Interessenlage vor. Insofern sprechen gute Argumente für eine analoge Anwendung der Vorschriften der gemeinsamen Mitarbeitervertretung (§ 1b MAVO; § 5 Abs. 2 ff. MVG-EKD) auf eine Mitarbeitervertretung in gemeinsamen Einrichtungen.

      Allerdings stellt sich noch die Frage, welche der beiden Mitarbeitervertretungsordnungen im Falle einer gemeinsamen ökumenischen Einrichtung anwendbar ist. Eine parallele Anwendung der MAVO und des MVG-EKD ist nicht praktikabel.318 Hilfreich für eine Entscheidung, welche Ordnung anzuwenden ist, kann eine Indizienbetrachtung sein: Maßgeblich kann die mehrheitliche Beteiligung eines der kirchlichen Träger sein, die (mehrheitliche) Führungsverantwortung eines Trägers, die Anzahl der Mitarbeiter der jeweiligen Träger etc. Eine gemeinsame Mitarbeitervertretung würde jedenfalls bei Anwendung der MAVO eine entsprechende Anerkennung des kirchlichen Arbeitsrechts voraussetzen. Erforderlich wäre, dass auch der evangelische Träger eine Erklärung entsprechend Art. 2 Abs. 2 S. 1 GrO abgibt. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch noch ein weiteres Problem: Eine Beschränkung der Übernahme kirchlichen Arbeitsrechts auf das Mitarbeitervertretungsrecht wäre kirchenrechtlich – jedenfalls ohne Dispens des zuständigen Diözesanbischofs – nicht möglich. Kirchenrechtlich geht die Anwendung der MAVO zwingend mit der der GrO einher. Fehlt es an einer entsprechenden Freistellung, empfiehlt sich die Anwendung des MVG-EKD für die gesamte Einrichtung.

       (iii) Gleichlautende Beschlüsse beider Gremien

      Wie bereits festgestellt, bestehen die Mitarbeitervertretungen bei den jeweiligen Rechtsträgern fort. Die Errichtung eines gemeinsamen Gremiums ist nach hier vertretener Auffassung möglich, aber nicht zwingend. Für eine Zusammenarbeit verschiedener Rechtsträger in einer gemeinsamen Einrichtung ist es jedoch von Interesse, dass von den jeweiligen Mitarbeitervertretungen einheitliche Beschlüsse getroffen werden. Hierfür besteht die Möglichkeit, die jeweils anderen Gremienmitglieder als sachkundige Personen zu den Sitzungen einzuladen (aus Kostentragungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 MAVO; § 25 Abs. 2 MVG-EKD). Hierbei sind jedoch strenge Voraussetzungen zu beachten: Die Sitzung der Mitarbeitervertretung mit Hinzuziehung der Gäste muss förmlich unterbrochen werden. Nach gemeinsamer Beratung ist die Sitzung ohne die Gäste fortzuführen. Bei Nichtbeachtung der formalen Grundsätze droht die Unwirksamkeit der Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung.319 Die Regelung soll sicherstellen, dass eine Beschlussfassung durch nicht berechtigte Teilnehmer nicht beeinflusst werden kann.320 Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz auf das jeweils andere Gremium ist nicht möglich. Ebenso wenig können die Gremien sich gegenseitig ermächtigen, füreinander zu handeln.

      Die Trennung zwischen Betriebs- und Anstellungsträgerschaft bietet viele Vorteile: Die Anstellungsträgerschaft entscheidet über die Anwendung der jeweiligen kirchlichen Loyalitätsanforderungen sowie über die geltenden Arbeitsvertragsrichtlinien. Nachteilig ist jedoch die hiermit begründete Ungleichbehandlung der Mitarbeiter. Für die betroffenen Gruppen würden nicht nur unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Loyalitätsanforderungen gelten, vielmehr bestünden auch voneinander getrennte Mitarbeitervertretungen. Es würde eine reine „Schein-Ökumene“ geschaffen. Eine echte ökumenische Dienstgemeinschaft wird bei einer Trennung von Anstellungs- und Betriebsträgerschaft nicht gebildet.321 Entscheiden sich kirchliche Träger dennoch für eine gemeinsame ökumenische Einrichtung, sollten sie jedenfalls eine gemeinsame Mitarbeitervertretung für die ökumenische Einrichtung zulassen.

      1.Ökumenische Trägerschaft im weiteren Sinne meint Formen der Kooperation/strategischen Allianz. Sie ist von der ökumenischen Rechtsträgerschaft als ökumenische Trägerschaft im engeren


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