Das Osmanische Reich. Douglas Dozier Howard
besteht und ihn freimütig preist“. Außerdem traf Palamas Christen in wichtigen Positionen an, darunter Orhans Leibarzt, ein griechischer Mediziner namens Taronites.40
Ein weiteres Problem für die Kirche war der Übertritt zum Islam. Zwei Patriarchenbriefe an die Christen in Nikaia, geschrieben in den Jahren 1338–40, luden Konvertiten zur Rückkehr ein und versprachen Vergebung. Die Briefe setzten voraus, dass einige unter Zwang Muslime geworden seien, und stellten in Aussicht, sobald der Druck wegfalle, würden jene, die sich wieder der Kirche anschließen wollten, Aufnahme finden. Doch wiederholt verurteilten die Schreiben Konvertiten, weil sie ihrem christlichen Glauben nicht treu blieben. Sie behandelten die Konversion als Sünde, die Reue und Vergebung erfordere – womit sie indirekt einräumten, dass es sich in Wirklichkeit nicht um Zwangsbekehrungen gehandelt hatte.41
Es überrascht nicht, dass zu den Faktoren, die einen Glaubenswechsel begünstigten, Mischehen zählten. Herrscherliche Vorbilder für Eheschließungen zwischen Christen und Muslimen, die aus Gründen der dynastischen Politik erfolgten, waren zur Hand, wenn man wollte, doch handelte es sich nicht allein um eine Praxis im Adel. Die Kinder dieser wahrscheinlich in die Hunderte gehenden Verbindungen waren es, von denen Kantakuzenos als von mixobarbaroi sprach.42 Alle Ehefrauen Sultan Orhans waren Griechinnen – außer Theodora (der Tochter von Kantakuzenos) hatte Orhan zuvor bereits Nilüfer geheiratet, die Tochter des byzantinischen Statthalters von Yarhisar.43 Theodora blieb Christin, Nil üfer wurde Muslima.44 Aber das war nichts Neues. Seit 200 Jahren hatten die byzantinischen Kaiser Eheverbindungen mit den seldschukischen Türken geschlossen.45 Dutzendweise hatten Prinzessinnen aus den Königsfamilien des christlichen Konstantinopel, Trapezunt und Serbien mongolische und türkische Herrscher geheiratet.46 Orhans Nachfolger Murad und Bayezid heirateten muslimische wie christliche Frauen. Murad war mit Töchtern des christlichen Fürsten von Tarnovo und der muslimischen Fürsten von Kastamonu und Sinop vermählt. Murads Sohn Bayezid heiratete die römisch-katholische Tochter der Herzogin von Salona, die orthodoxe Schwester des serbischen Fürsten Stefan Lazarević und die muslimische Tochter des Fürsten von Germiyan.
Wechselseitige Abhängigkeit
Die türkische Eroberung band die Küstengebiete beiderseits der Meerengen stärker in die afroeurasische Welt ein.47 In Situationen, da die Sicherheit zusammengebrochen war, entwickelte sich aus der anfänglichen räuberischen Beziehung zwischen Plünderern und Opfern eine Wechselbeziehung, sobald die türkischen Emire die Ordnung wiederhergestellt hatten. Ibn Battuta kam sich manchmal so vor, als lebte er am Rande der zivilisierten Welt – diese Leute sprachen gar kein Arabisch! Doch dank enger Kontakte mit der seldschukischen Kultur auf der Hochebene setzte rasch ein kultureller Reifungsprozess ein. Ibn Battuta war beeindruckt von der Atmosphäre der Karawansereien – der Herbergen, die gleichzeitig als Märkte dienten. Dort begegnete er Pilgern und anderen hauptberuflichen Reisenden seines Schlages, einem Muslim aus Ägypten, einem Juden aus Spanien und anderen.48 Ausführlich schrieb er über die Männer, die in den Herbergen arbeiteten und sich um die Bedürfnisse von Reisenden und Händlern kümmerten. Sie waren Angehörige geistlicher Bruderschaften und praktizierten eine pietistische Ethik des Dienens. Ibn Battutas Bericht vermittelt auch einen Eindruck vom regen Wettbewerb zwischen den türkischen Emiren, die muslimische Gelehrte, Koranrezitatoren und andere auswärtige Künstler und Unterhalter an ihre Höfe zu locken suchten. Diese Rivalität in puncto Philanthropie und Förderung der religiösen Wissenschaften und Künste erstreckte sich auch auf große Bauvorhaben wie Moscheen, Medresen und Bäder, von den Herbergen abgesehen. Die Architekten der frühen Moscheekomplexe und anderer Bauten, welche die türkischen Eroberer errichteten, stammten oft aus Ägypten, Syrien und anderen Ländern, doch die Techniken der Werkstätten verraten, dass das kunsthandwerkliche Dekor und die Arbeitskräfte einheimisch-christlich waren.49 Die kosmopolitische Wertschätzung der Türken für Arbeit und Handel erwuchs offensichtlich aus den Werten ihrer islamischen Religion und war mit ihnen vereinbar.
Erst die Eroberungen der Mongolen ermöglichten es, dass verschiedene Landwege ins südliche und östliche Eurasien mit den traditionellen kombinierten Land- und Seewegen über Ägypten oder die Levante konkurrieren konnten. Murad schloss Handelsverträge mit Venedig und Genua, die den italienischen Kaufleuten Zugang zu den türkischen Märkten gewährten.50 Vorangetrieben wurde das kommerzielle Zusammenwachsen der Region durch die Bezahlung von Waren mit europäischen Silberbarren, die in ilchanidischen Prägestätten zu Münzen geprägt wurden und von denen manche aus frisch erschlossenen Bergwerken in südslawischen Ländern stammten.51 Die Ilchaniden betrieben über 200 Münzstätten, die Dirhems oder Asper genannte Silbermünzen prägten, wodurch die Monetarisierung des Handels und Investitionen in erweiterte lokale Handelsnetze möglich wurden.52 Zwar stand das alleinige Münzrecht den herrschenden Ilchaniden zu (es war ein wichtiger Ausweis von Souveränität), aber den türkischen Emiren in Kleinasien war es gestattet, anonym und einmalig geprägte Silbermünzen in Umlauf zu bringen; vielleicht zählte dies zu den Bestrebungen, die Loyalität dieser Vasallen zu erhalten, indem man ihnen erlaubte, von einer für beide Seiten vorteilhaften Finanzgemeinschaft zu profitieren.53 Der Sturz der Ilchaniden um die Mitte des 14. Jahrhunderts fiel mit einer Silberknappheit zusammen, die sich aus dem Unvermögen der europäischen Monarchen ergab, eine ausgeglichene Handelsbilanz aufrechtzuerhalten. Die türkischen Emire griffen zu den unterschiedlichsten Taktiken, um damit zurechtzukommen. Eine bestand in einem Wechsel zum Gold, besonders zum venezianischen Dukatenstandard oder zu heimischen Nachprägungen davon.54 Zusätzlich begannen die Fürsten ihre eigenen Münzen zu prägen, einige davon aus lokalen Silbervorkommen. Mehrere türkische Emire gaben in Machart und Aussehen ähnliche Münzen aus, kleine Silberprägungen nach dem Muster des byzantinischen Hyperperon, die in eingeschränktem lokalen Umlauf blieben.55 Die osmanische Variante dieser Münze nannte man akçe.
Zu den gehandelten Gütern zählten Getreide, Obst, Baumwolle und Wein, allesamt für den lokalen Verbrauch, außerdem Waren wie Alaun und Seide, die für die weiträumigere transatlantische Handelswirtschaft bedeutsam waren. Wichtiger als alle diese Handelsgüter aber waren Sklaven – Kriegsbeute, die bis zum Eintreffen von Lösegeld festgehalten wurde oder aber für den Markt bestimmt war.56 Die Bandbreite und Komplexität der verschiedenen Kategorien menschlicher Gefangener in dieser Welt entziehen sich dem schlichten deutschen Begriff „Sklave“.57 Griechische Quellen beklagten häufig, dass es das Schicksal christlicher Gefangener sei, von den Türken in die Sklaverei verkauft zu werden, doch die Versklavung war keineswegs eine ausschließlich türkische Angelegenheit. In der gesamten Region existierte bereits ein ausgedehnter mittelalterlicher Sklavenhandel, in dessen Verlauf versklavte tatarische Türken aus dem nördlichen Schwarzmeergebiet, die für Westeuropa und Ägypten bestimmt waren, auf den Märkten von Kreta, Naxos, Rhodos und Chios verkauft wurden.58 Venezianer, Ungarn und Slawen versklavten in ihren Kriegen auch weiterhin die türkischen Soldaten, die ihnen in die Hände fielen, und verkauften die Bevölkerung eroberter Städte in die Sklaverei.59
Was die türkischen Raubzüge bewirkten, war, dass auf den bestehenden wie auf neuen Märkten ein ergänzender Handel mit lokalen griechischen Sklaven aus den Küstenregionen Kleinasiens und der Ägäis entstand. Ibn Battuta kaufte an zwei Orten in Kleinasien Sklaven, wurde vom Emir von Aydın mit einem Sklaven – einem griechischen Zwerg – beschenkt, und zwei seiner Sklaven entliefen ihm in Magnesia. Ihm fiel die Verbindung zwischen Sklaverei und Prostitution auf.60 Und auch ein Lösegeld bedeutete nicht zwangsläufig die Freiheit. So befreite Palamas einen früheren Sklaven, einen Christen, der zwar losgekauft worden war, sich nun aber in Schuldknechtschaft bei seinem Freikäufer, einem christlichen Händler, befand.61 Die griechisch-orthodoxen Legaten, die mit dem Aushandeln eines antitürkischen Bündnisses befasst waren, machten die Freilassung jener griechischen Sklaven, die lateinischen Christen gehörten, sowie einen Stopp des Sklavenhandels zur Vorbedingung jeder byzantinisch-römischen Kirchenunion.62 Die Hinweise auf den Verkauf versklavter Gefangener sind so zahlreich, dass die Schlussfolgerung nicht ganz abwegig wäre, das Hauptmotiv sämtlicher Kriege sei für alle Seiten der Erwerb von Sklaven zu Lösegeldzwecken gewesen.
Die türkische Sprachfamilie
Die