Entwicklungslinien des Dolmetschens im soziokulturellen Kontext. Группа авторов

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Einführung steigt die Zahl der VideokonferenzschaltungenFerndolmetschenVideokonferenzdolmetschen in Österreich kontinuierlich. Während im Jahr 2008 gerade einmal 47 länderübergreifende und 166 inländische Zuschaltungen vermerkt wurden, waren es im Jahr 2019 bereits 501 länderübergreifende und 4016 inländische Zuschaltungen. Da keine Dokumentation zu den Dolmetscheinsätzen im Rahmen der Videokonferenzschaltungen vorhanden ist, wird der Anteil mit Dolmetscher:innen auf 10–20 % aller Videokonferenzen geschätzt (vgl. Havelka 2018b: 41). Das Videodolmetschen wird hingegen überwiegend in Justizanstalten eingesetzt.

      Eine Online-Umfrage (vgl. Havelka 2019a) zum Einsatz österreichischer Gerichtsdolmetscher:innen in Videokonferenzdolmetschungen (n=199) ergab, dass Schwierigkeiten in Bezug auf technische, organisatorische und psychosoziale Aspekte bestehenFerndolmetschenRealisierungsbedingungen (vgl. Johannsen 2002:200). Belastungen durch das videovermittelte Dolmetschen wurden mehrheitlich mit technischen Aspekten wie Akustik und mangelnder Tonqualität verbunden. Weitere Belastungen sind auf soziopsychologische Aspekte aufgrund des fehlenden persönlichen Kontakts zurückzuführen. Der Einsatz erfolgt überwiegend im Rahmen der internationalen Strafrechtverfolgung sowie in strafrechtlichen Verhandlungen bei Haftprüfungen, Verhängung der Untersuchungshaft sowie bei Anhörungen zu bedingten Entlassungen, aber auch während kontradiktorischer Vernehmungen. Auch wenn die videovermittelte Dolmetschung viele Erschwernisse und Belastungen mit sich bringt, überwog insgesamt eine positive Haltung gegenüber der technikgestützten Dolmetschung. Die kleine Stichprobe ist nicht repräsentativ, trotzdem ist aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchung die hohe Anpassungsfähigkeit von Dolmetscher:innen zu erkennen (Havelka 2019a).

      Die Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 wDolmetschbedarfpandemiebedingturden im DACH-Raum Anfang März 2020 in nur wenigen Wochen eingeführt. Gerichtsverhandlungen wurden auf ein Minimum reduziert und nur noch für Haft- und unaufschiebbare Verhandlungen zugelassen. Vor diesem Hintergrund kann videovermitteltes Dolmetschen Gerichtsverfahren und damit auch den Zugang zum Recht nicht nur unterstützen, sondern überhaupt erst ermöglichen.

      4 Fazit

      Angetrieben durch die rasante technologische Entwicklung und begünstigt durch die allgemeine Zugänglichkeit, rückt die technikgestützte Kommunikation immer mehr in den Vordergrund. Die Einbettung der technikgestützten translatorischen ArbeitsprozesseDigitalisierungArbeitsplatz unterliegt den jeweiligen gesellschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten und bildet damit die jeweilige technikgestützte Translationskultur eines Landes.

      IKT haben in den letzten Jahrzehnten nicht nur das Kommunikationsverhalten, sondern auch die TranslationskulturTranslationskulturtechnikgestützt nachhaltig verändert. Einerseits haben die IKT das technikgestützte Dolmetschen ermöglicht und andererseits bewirken gesellschaftliche Ereignisse einen dynamischen Dolmetschbedarf. Ein Zusammenhang zwischen Migration und Translation (vgl. Inghilleri 2017) ist daher zu erkennen. Je nach Grund für die Migration, ob EU-Freizügigkeit, Anwerbung von Mangelarbeitskräften, Bildungs- und Ausbildungsmigration oder Fluchtzuwanderung (vgl. Hanewinkel & Oltmer 2017:16ff.), sind unterschiedliche Auswirkung auf den translatorischen Markt im DACH-Raum zu erwarten. Personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen können durch TechnikeinsatzTechnologieEinsatz schonend eingesetzt und die Kommunikation allgemein effizienter gestaltet werden. Der TechnikeinsatzTechnologieEffizienzsteigerung ermöglicht auch den Zugang zu professionellen Dolmetscher:innen und kann damit die Dolmetschqualität steigern. Bei dynamischem Bedarf können die translatorischen Arbeitsprozesse mit Ferndolmetschtechnik überbrückt werden. Der Einsatz von Technik bedingt jedoch auch, dass alle Gesprächsbeteiligten verstehen müssen, wie technologische Hilfsmittel für die jeweilige Kommunikationssituation eingesetzt werden können. Allgemeine digitale Kompetenzen sind daher bei allen Gesprächsbeteiligten erforderlich.

      Literatur

      BAG, Bundesamt für Gesundheit (2020). Telefondolmetschen. Abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien/gesundheitliche-chancengleichheit/interkulturelles-dolmetschen/nationaler-telefondolmetschdienst.html (Stand: 10/12/2020)

      Bischoff, Alexander/Grossmann, Florian (2007). Telefondolmetschen – eine Chance zur Überwindung von Sprachbarrieren? Schweiz Ärzteztg 88:3, 102–5.

      Borde, Theda (2018). Kommunikation und Sprache. Gynäkologische Endokrinologie 16:1, 3–9.

      Braun, Sabine (2004). Kommunikation unter widrigen Umständen? Fallstudien zu einsprachigen und gedolmetschten Videokonferenzen. Tübinger Beiträge zur Linguistik 475. Tübingen: Narr.

      Braun, Sabine/Taylor, Judith (2012). Video-Mediated Interpreting: An Overview of Current Practice and Research. In: Braun, Sabine/Taylor, Judith L. (Hrsg.), 27–57.

      Braun, Sabine/Taylor, Judith L. (Hrsg.) (2012). Videoconference and Remote Interpreting in Criminal Proceedings. Cambridge: Intersentia.

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      Europäische Union (2018). DigComp: The European Digital Competence Framework. Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/jrc/en/digcomp/digital-competence-framework (Stand: 10/12/2020)

      Fantinuoli, Claudio (2018a). Computer-Assisted Interpreting: Challenges and Future Perspectives. In: Corpas Pastor, Gloria/ Dúran-Muñoz, Isabel (Hrsg.) Trends in E-Tools and Resources for Translators and Interpreters. Approaches to translation studies Volume 45. Leiden u.a.: Brill Rodopi, 153–174.

      Fantinuoli, Claudio (2018b). Interpreting and technology: The upcoming technological turn. In: Fantinuoli, Claudio (Hrsg.) Interpreting and technology. Berlin: Language Science Press, 1–12.

      Friebel, Martin/Loenhoff, Jens /Schmitz, H. Walter/Schulte, Olaf A. (2003). „Siehst Du mich?“ – „Hörst Du mich?“ – Videokonferenzen als Gegenstand kommunikationswissenschaftlicher Forschung. kommunikation@gesellschaft (Online Journal) 4.

      Hanewinkel, Vera/Oltmer, Jochen (2017). Länderprofil Deutschland 2017. Abrufbar unter: www.bpb.de/gesellschaft/migration (Stand: 10/12/2020)

      Harrer, Gerhard/Kupfer, Carola (2017). „Wir schaffen das!“ – Eine Kinderklinik stellt sich der Flüchtlingskrise. Heilberufe 69:12, 42–43. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/s00058-017-3155–2 (Stand: 02/12/2020)

      Havelka, Ivana (2018a). Handbuch für den Einsatz des Videodolmetschens. Für den internen Gebrauch des SprInt Netzwerkes. Unveröffentlichtes Manuskript.

      Havelka, Ivana (2018b). Videodolmetschen im Gesundheitswesen: Dolmetschwissenschaftliche Untersuchung eines österreichischen Pilotprojektes. TRANSÜD. Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens 96. Berlin: Frank & Timme.

      Havelka, Ivana (2019a). Umfrage zum Dolmetschen mittels Videokonferenzanlagen in der Justiz. Mitteilungsblatt der Gerichtsdolmetscher 2, 18–22.

      Havelka, Ivana (2019b). Video- und Telefondolmetschen. In: Kadrić, Mira (Hrsg.), 151–177.

      Havelka, Ivana (2020). Videobasiertes Dialogdolmetschen – Grundsätze des Ferndolmetschens. Mitteilungsblatt der Gerichtsdolmetscher 20:1, 10–13.

      Heer, Ivo M. (2016). Integrierende Versorgung von Flüchtlingen. Notfall Rettungsmed


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