Handbuch Gender und Religion. Группа авторов

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Dissidenz innerhalb des Feminismus zu betonen, wäre es umgekehrt ein lohnenswertes Unterfangen, über Traditionslinien und Kontinuitäten nachzudenken.30 Zweitens hat Bührig im Studentinnenhaus und in der Beziehung zu Else Kähler und Elsi Arnold alternative Wohn- und Lebensformen gelebt. Diese Beispiele sind anschlussfähig für die historische Erforschung von Frauenräumen und von frauenbezogenen Lebensentwürfen. Dem Namen nach hätte das Studentinnenhaus ein konventionelles Heim für Studentinnen sein können, so wie dies für Studenten in der damaligen Zeit üblich war. Doch das Heim für Studentinnen war das erste seiner Art und darum ein Experiment. Mit der Beziehung zu Kähler und später auch zu Arnold lebte Bührig in einer Frauenformation, deren genaue Definition sie bis zum Lebensende offenließ. Für feministische Theorien, die sich vermehrt den Themen Identität und Differenz widmen, ist dies ein spannendes Beispiel. Und schließlich ist Marga Bührigs Engagement für die Lesben- und Schwulenbewegung in der Schweiz, als diese noch ganz in ihren Anfängen steckte, von großer Bedeutung. Auch hier wäre es weiterführend, aus feministischer Perspektive einmal einen Blick in die Religionsgeschichte zu werfen. Insgesamt trug Bührig mit ihrem beinahe lebenslangen Engagement entscheidend zur Frauenbewegung in der Schweiz bei.

      Das Leben und Wirken religiös motivierter Frauen wie Marga Bührig in der feministischen Theoriebildung nicht zu berücksichtigen, bedeutet, auf wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse gesellschaftlich engagierter Frauen zu verzichten. Die breite Palette an Themen in Bührigs Leben – die Rolle der Laiinnen und Laien in den Kirchen, die weltweite Ökumene, die Sichtbarkeit und Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder die Friedensförderung –, lässt bereits anklingen, wie komplex das kaleidoskopische Bild des Feminismus wird, wenn die feministische Theorie und Geschichtsschreibung ihren Anspruch erfüllen will, die Frauenbewegung kritisch zu begleiten und voranzutreiben. Denn das ist ihre Aufgabe: das kaleidoskopische Bild »Feminismus« in seinen vielschichtigen Aspekten immer wieder aufs Neue zu erfassen. Dazu gehören auch die komplexen Wechselwirkungen von Feminismus und Religion.

       Literatur

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      Bertschinger, Dolores Zoé (2020), Die Tradition der Vermittlung, oder: Angewiesen sein auf Frauen, die schon da sind, in: Bertschinger, Dolores Zoé/Zinsstag, Evelyne, »Aufbruch ist eines, und Weitergehen etwas anderes«. Ein Buch über Frauenräume, von der Saffa 58 über das Tagunsgzentrum Boldern zum Frauen*Zentrum Zürich, Bern: eFeF, 109–203.

      Borutta, Michael (2014), Kulturkampf als Geschlechterkampf? Grenzen der Säkularisierung im 19. Jahrhundert, in: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.), »Als Mann und Frau schuf er sie«. Religion und Geschlecht, Würzburg: Ergon, 109–138.

      Brodbeck, Doris (1998), Erfüllung im Beruf? Reformierte Theologinnen und das ökumenische SAFFA-Kirchlein 1958, in: Brodbeck, Doris/Domhardt, Yvonne/Stofer, Judith (Hg.), Siehe, ich schaffe Neues. Aufbrüche von Frauen in Protestantismus, Katholizismus, Christkatholizismus und Judentum, Bern: eFeF-Verlag, 49–68.

      Bührig, Marga (1987), Spät habe ich gelernt, gerne Frau zu sein, Stuttgart: Kreuz Verlag.

      Caprez, Christina/Nay, Eveline (2008), Frauenfreundschaften und lesbische Beziehungen. Zur Geschichte frauenliebender Frauen in Graubünden, in: Redolfi, Silke/Hofmann, Silvia/Jecklin, Ursula, fremdeFrau. Frauen- und Geschlechtergeschichte Graubünden, Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 232–316.

      Daly, Mary (1980), Jenseits von Gottvater, Sohn & Co. Aufbruch zu einer Philosophie der Frauenbefreiung, München: Frauenoffensive.

      Deo, Nandini (2018), Postsecular Feminisms. Religion and Gender in Transnational Context, in: Deo, Nandini (Hg.), Postsecular Feminisms. Religion and Gender in Transnational Context, London: Bloomsbury, 1–14.

      Gerhard, Ute (2002), Feminismus, in: Gössmann, Elisabeth/Kuhlmann, Helga/Moltmann-Wendel, Elisabeth/Praetorius, Ina/Schottroff, Luise/Schüngel-Straumann, Helen/Strahm, Doris/Wuckelt, Agnes (Hg.), Wörterbuch der feministischen Theologie, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 134–138.

      Griffin, Gabriele (2017), Feminism, in: A Dictionary of Gender Studies, https://www.oxford-reference.com/view/10.1093/acref/9780191834837.001.0001/acref-9780191834837-e-133 (aufgerufen am 03.02.2020).

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      Henry, Astrid (2004), Not My Mother’s Sister. Generational Conflict and Third-Wave Feminism, Bloomington: Indiana University Press.

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      Juschka, Darlene (2017), Feminist Approaches to the Study of Religion, in: King, Richard (Hg.): Religion, Theory, Critique, New York: Columbia University Press, 509–521.

      Kelly, Natasha (Hg.) (2019), Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte, Münster: Unrast.

      Llewellyn, Dawn (2015), Reading, Feminism, and Spirituality. Troubling the Waves, Basingstoke: Palgrave Macmillan.

      Mann, Susan Archer (2012), Doing Feminist Theory. From Modernity to Postmodernity, Oxford: Oxford University Press.

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      Schüngel-Straumann, Helen (2002), Anfänge feministischer Exegese, Münster: Lit.

      Schüssler Fiorenza, Elisabeth (2004) Grenzen überschreiten. Der theoretische Anspruch feministischer Theologie, Münster: LIT.

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      Sölle, Dorothee (2014), Mystik und Widerstand. »Du stilles Geschrei«, Freiburg im Breisgau: Kreuz.

      Strahm, Doris (1987), Aufbruch zu neuen Räumen. Eine Einführung in feministische Theologie, Freiburg: Exodus.

      Woodhead, Linda (2001), Feminism and the Sociology of Religion. From Gender-blindness to Gendered Difference, in: Fenn, Richard K. (Hg.), The Blackwell Companion to Sociology of Religion, Oxford: Blackwell Publishers, 67–84.

      — (2008),


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