Harzmagie. Jürgen H. Moch

Harzmagie - Jürgen H. Moch


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von der Fakultät bekommen hatte, ließ sich auf die Couch fallen und nahm mehrere tiefe Schlucke. Dann brach sie in stummes Weinen aus, dass die Tränen nur so herabliefen.

      Elisabeth stand immer noch hilflos keine drei Meter neben ihr und wusste nicht, was sie tun sollte. Ihre Mutter hatte einen riesigen Schock und sie hatte vor etwas Angst. Der Wolf konnte es sicher nicht gewesen sein, grübelte Elisabeth, der lag vermutlich halbtot unten am Hang und starb gerade. Doch die Reaktion ihrer Mutter ließ sie vermuten, dass diese nicht davon ausging. Der Wolf war wirklich richtig groß gewesen, aber da Elisabeth noch nie Wölfe in freier Wildbahn gesehen hatte, hatte sie keinen Vergleich. Vermutlich hatte der Nebel ihnen auch einen gewaltigen Streich gespielt, in dem er die Umrisse vage und größer gezeichnet hatte. Vielleicht war jetzt die Gelegenheit, etwas mehr aus ihrer Mutter herauszubekommen. Auf jeden Fall wollte Elisabeth sie trösten. Sie ging zu ihr und berührte sie sacht am Arm.

      Emilia fuhr zusammen und wischte sich die Tränen weg. »Ach, du bist ja noch da, ich … ich bin nur so fertig, weißt du. Ich habe noch nie ein Tier angefahren. Das ist schrecklich!«

      »Mama, du konntest nichts dafür! Der Wolf ist uns quasi direkt vor die Motorhaube gesprungen!«

      Beim Wort Wolf zuckte Frau Wollner erneut zusammen. Das kam Elisabeth komisch vor. Irgendetwas verbarg ihre Mutter vor ihr. Sie setzte sich neben sie und schlang ihre Arme um sie.

      »Mama, das wird schon wieder. Ich bin ja bei dir.«

      Emilia Wollner hing wie ein Häufchen Elend in ihren Armen. »Ja, du bist bei mir und ich bin an allem schuld, nur ich allein! Ich zahle jetzt für alles, was ich getan habe.« Erneut schüttelte ein heftiger Schluchzer sie durch, dann nahm sie noch einen Schluck. Die Flasche war bereits halb leer.

      »Woran bist du schuld?«, bohrte Elisabeth vorsichtig nach.

      Da stellte ihre Mutter endlich die Flasche weg und nahm das Gesicht ihrer Tochter liebevoll in beide Hände.

      »Du musst nur so viel wissen: Ich liebe dich über alles und ich werde dich immer beschützen. Ich habe meine Entscheidung getroffen und jetzt gibt es kein Zurück mehr. Du musst mir einfach nur vertrauen.«

      Elisabeth runzelte die Stirn, nickte aber, um zu verstehen zu geben, dass sie gehört und verstanden hatte, obwohl das gerade eben mehr Fragen aufwarf, als es beantwortete. Sie bekam noch einen Kuss auf die Stirn, der ihr sagte, dass sie heute nicht mehr erfahren würde.

      Verwirrt ging sie ins Bett. Sie träumte von dem Unfall in dieser Nacht, nur diesmal hielt der Wolf einen Zettel in die Scheinwerfer mit der Aufschrift: Du wirst bezahlen! Die Rache kommt!

      Schweißgebadet wachte Elisabeth auf und verspürte wieder das Kribbeln in ihrem Körper. Ein neuer Anfall drohte. Vorsichtig schlich sie in die Küche und nahm einen kräftigen Schluck aus der letzten Flasche. Die Zutaten für den neuen Trank hatten sie ja erst frisch gekauft. Ein leichtes Klirren aus dem Wohnzimmer ließ sie aufschrecken. War jemand eingedrungen? Sie griff sich das Nudelholz und schlich vorsichtig ins Wohnzimmer, in dem noch Licht brannte. Ihre Mutter lag auf der Couch. Die leere Flasche war wohl gerade zu Boden gefallen und hatte das Geräusch verursacht. Besorgt nahm Elisabeth eine Decke und deckte ihre Mutter zu.

      In diesem Moment fasste sie einen Entschluss. Sie würde nachsehen, ob der Wolf wirklich tot war. Wenn nicht, würde sich vielleicht ihre Mutter wieder beruhigen. Und sie hatte auch schon eine Idee, wie sie es anstellen würde. Zu fragen hatte keinen Zweck. Gleich morgen würde sie Sabrina zu einem Trainingslauf einladen.

      Elisabeth stöhnte auf, als nicht Sabrina, sondern Theobald ihr die Tür öffnete. Irgendwie kam sie sich übergangen vor, denn auch er trug bereits Laufklamotten.

      »Hi, Sabrina hat mir Bescheid gesagt, dass wir heute Laufen üben. Finde ich cool, dass du es so ernst nimmst. Ich komme mit, da kann ich bestimmt auch was von dir lernen.«

      Elisabeth erwiderte den Gruß nur mit einem Nicken und schlüpfte an ihm vorbei. Doch sie konnte Sabrina nicht allein erwischen. Ihre Freundin saß auf der Treppe und kämpfte sich in alte Turnschuhe.

      »Hallo Elisabeth, ich dachte mir, dass wir am besten noch jemanden mitnehmen, falls ihr mich zurücktragen müsst.« Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande, beugte sich dann aber gleich wieder zu ihren Schuhen hinunter und fluchte. »Verdammt, die haben doch mal gepasst!«

      Ihre Mutter schaute aus der Küche und feixte: »Und das ist noch gar nicht so lange her, etwa vor zehn Kilo.«

      »Mama!«, gab Sabrina zurück und warf einen Schuh nach ihr, verfehlte diese aber weit. Elisabeth machte einen Satz und fing ihn auf. Als sie ihn ihr zurückgab, wirkte Sabrina sehr geknickt. »Sie hat ja recht, aber es zu hören, tut weh.«

      Endlich waren die Turnschuhe geschnürt und es ging vor die Haustür, Elisabeth hüpfte vorweg und machte ein paar Dehnübungen. Erst nach einigen Momenten wunderte sie sich, wo die anderen beiden blieben. Sie kamen nach kurzen Augenblicken zwischen den Häusern aus einer Nische heraus. Elisabeth hob eine Augenbraue. Da stimmte etwas nicht. Und richtig, sie sah noch im letzten Moment, wie Theobald eine kleine Flasche wegsteckte. Fast so eine, wie sie in ihrer Notfalltasche hatte, die sie immer bei sich trug.

      »Was habt ihr da gemacht?«, wollte sie wissen.

      Sabrina schwieg betreten, doch Theobald strahlte sie an.

      »Egal, du kannst es ruhig wissen. Ich kenne mich doch mit Kräutern und so aus und meine Mutter arbeitet in der Apotheke. Da habe ich ein paar kräftigende Sachen zusammengerührt – als Stärkung, damit wir mit dir mithalten können.«

      »Ihr habt euch gedopt?« Elisabeth konnte es nicht fassen. »Ich meine, ihr habt doch noch nicht mal angefangen.«

      »Lass gut sein, Elle!«, wehrte Sabrina ab. »Ich bin mir völlig im Klaren, dass ich hier schummle, aber ohne trau ich mich einfach nicht. Theo hat das Zeug auf dem Weg hierher schon ausprobiert. Wenn jemand zuerst blau anläuft und umkippt, dann er. Lass uns loslaufen, sonst verpufft die Wirkung wieder.« Und damit trabte sie den Zellbach hoch an einer immer noch erstaunten Elisabeth vorbei, Theobald folgte ihr und grinste dabei siegessicher.

      Das legte in Elisabeth einen Schalter um. Sie joggte hinterher, musste jedoch schnell feststellen, dass die beiden trotz ihrer Unsportlichkeit ein hohes Tempo vorlegten, doch sie holte locker zu ihnen auf. Sabrina und Theobald liefen nicht über den Kronenplatz, sondern runter zur Robert-Koch-Straße und von dort über die Erzstraße durch das Unigelände, wo sich Elisabeth nach vorne setzte und die Führung übernahm.

      Einige Studenten gingen gerade mit Heftern unter dem Arm zu einem Hörsaalgebäude, unter ihnen auch zwei Typen mit Bergstiefeln, einer davon mit einem Lederhut. Als die drei vorbeiliefen, pfiff ihnen der andere hinterher.

      »Das galt dir«, schnaufte Sabrina sie an und sah sich kurz um. Elisabeth schnaubte nur und steigerte das Tempo, dass die anderen beiden kaum noch folgen konnten. Erst oben am Schlagbaum, als sie auf den Weg entlang der Bundesstraße einschwenkten, wurde sie etwas langsamer.

      Sabrina schloss auf und versuchte zu erklären: »Ich habe Theo gesagt, dass du die Stelle untersuchen willst, wo ihr den Wolf gerammt habt. Ich hoffe, du verzeihst mir das.«

      »Na ja, irgendwie schon. Ich finde gut, dass ihr mitkommt, obwohl ich das Dopen immer noch unfair finde.«

      Nun meldete sich Theobald zu Wort. »Unfair? Ich bin an meiner Leistungsgrenze und das mit dem Booster. Und du keuchst noch nicht mal. Bist du so ein Laufwunderkind?«

      Unwillkürlich musste Elisabeth lachen. »Nein, ich bin schon immer gerne gelaufen. Ich brauche das einfach, dann geht es mir gut.«

      »Ich frage mich, wie schnell du wärst, wenn ich dir auch was von meinem Kräuterbooster gäbe?« Auf ihren scharfen Blick hin setzte er schnell hinzu: »Der ist rein bio! Nur beste Zutaten.«

      Er machte dazu ein zwar etwas gerötetes aber unschuldiges


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