Return, Viktoria. Gerhard Wolff

Return, Viktoria - Gerhard Wolff


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drohte der Vater.

      Da trottete auch sie verzweifelt auf das Trainingsfeld.

      „Ihr Aufschlag ist noch nicht stark genug!“, rief Frank den Beiden zu. „Ich habe genau aufgepasst. Das Messgerät zeigte einen viel zu schwachen Wert.“

      „Aber sie ist eine Grundlinienspielerin!“, warf Tom ein. „Dafür ist er ganz gut! Sie wissen doch selbst, dass Grundlinienspielerinnen nicht so einen harten und schnellen Aufschlag haben.“

      „Eben deshalb müssen wir ihn trainieren!“, bellte Frank die Beiden an.

      Sie sahen ihn noch kurz hilflos an, dann begannen sie mit der Fortsetzung des Trainings.

      5

      „Geh doch ans Netz, verdammt noch mal!“, rief Jim Brower, Vickys neuer Trainer, der auf ihrer Bank saß und fuchtelte wie wild mit den Armen.

      Die Tafts hatten Tom gegen Brower ausgetauscht, weil dieser ihnen zu lasch gewesen war und nachdem sie viele Leute von dem Talent ihrer Tochter überzeugt hatten, aber gemeint hatten, dass sie mehr gefordert und gefördert werden sollte.

      „Brower macht aus jeder eine Spitzenspielerin!“, wurde behauptet.

      Brower war auch einer der Clubtrainer. Er galt als harter Hund und so musste Vicky viel trainieren. Allerdings hatte ihr das Training mit ihm von Anfang an keinen Spaß gemacht. Nun coachte er sie das erste Mal bei einem Nachwuchsturnier.

      „Du musst Gas geben! Du musst dich schon voll reinhauen!“ Er sah seinem Schützling skeptisch zu, schüttelte den Kopf und raufte sich die Haare. „Na, los! Ran ans Netz, verdammt noch mal! Aber schneller! Man schläft ja ein, wenn man dir zusieht. Wenn du noch langsamer läufst, dann denkt man, du rennst rückwärts!“ Er brach in Gelächter über seinen Witz aus.

      Viktoria war den Tränen nahe. Sie gab alles, schlug ihren Aufschlag so hart sie konnte, aber für ihren Trainer und für jeden, der objektiv urteilte und auch für sie gefühlt, kam er nicht hart genug. Sie stürmte so schnell sie konnte zum Netz, aber für ihren Trainer und für jeden, der objektiv urteilte und auch für sie selbst, war sie zu langsam. So kam es, dass sie stets zu spät kam und ihre Gegnerin sie gnadenlos und mit spielerischer Leichtigkeit auskonterte. Dann stand sie mit gespreizten Beinen hilflos am Netz, der Ball hatte sie längst passiert, sie blickte in das hämisch grinsende Gesicht ihrer Gegnerin, hörte den Spott und das Gelächter des Publikums und die wütenden Schreie ihres Trainers.

      Dann gingen sie auch noch ihre Eltern an. „Was ist denn los mit dir, Vicky?“, schrie sie ihr Vater an. „Zeig doch mal, was du kannst!“

      Die Bemerkung des Vaters spornte Vicky an, denn sie wollte ihm gefallen. Aber alles wiederholte sich, der zu schwache Aufschlag, das Zu-langsam-ans-Netz-Vorrücken-, das Locker-ausgespielt-Werden, das Entgeistert-am-Netz-Stehen und die Häme der Zuschauer.

      Brower tobte. Er beschimpfte sie, rannte wie ein wild gewordener Stier auf seinem Platz hin und her und rief ihr Kommandos zu.

      Da brach Viktoria tatsächlich in Tränen aus. Langsam schlich sie zur Grundlinie zurück und versuchte, sich zu fangen.

      „Was, was ist denn nur mit unserer Kleinen los?“, murmelte Sofia fassungslos. „Ich dachte, sie sei so ein Talent!“

      „Sie ist einfach keine „Serve-und-Volley-Spielerin“!“, meinte plötzlich jemand neben ihr. „Sie ist eine Grundlinienspielerin!“

      Vickys Eltern drehten sich um. Neben ihnen saß ein braungebrannter Sonnyboy und lächelte sie an.

      Er bemerkte ihre Blicke. „Marc Tanner“, stellte er sich vor und reichte den Beiden die Hand. „Ich bin ebenfalls Trainer im Club.“ Er zeigte auf Brower. „Er hat ihre Kleine völlig falsch eingestellt! Und jetzt will er nicht zugeben, dass er einen Fehler gemacht hat. Das ist immer so bei ihm. Wahrscheinlich kann er auch nicht anders.“ Er dachte nach. „Ein hervorragender Trainer für „Serve-und-Volley-Spielerinnen“, keine Frage. Vielleicht der Beste des Clubs. Aber ihre Tochter ist keine „Serve-und-Volley-Spielerin“. Für sie ist er der Falsche, eigentlich eine Katastrophe.“

      Die Tafts sahen ihn überrascht an.

      „Und man muss mit seiner harten Art auskommen. Ich fürchte, ihre Tochter ist dafür zu sensibel!“

      Vickys Eltern sahen den Mann schweigend an und versuchten zu verarbeiten, was er ihnen erklärt hatte. Dann drehten sie ihre Köpfe fast gleichzeitig hinunter auf das Spielfeld, wo Brower mit Vicky schimpfte.

      „Was müsste Vicky machen, um zu gewinnen?“, wollte Frank wissen.

      „Einfach von der Grundlinie spielen und die Gegnerin ausspielen. Die kann doch nichts außer Aufschlag!“

      Frank sah Tanner kurz an. „Würden Sie meine Tochter trainieren?“, fragte er dann.

      „Liebend gern!“, meinte dieser. „So ein Talent hatte ich schon lange nicht mehr unter meinen Fittichen!“

      „Abgemacht!“ Frank reichte ihm die Hand und Marc schlug ein.

      Dann erhob sich Frank, ging langsam die Stufen der Tribüne hinunter aufs Spielfeld, ungeachtet der Tatsache, dass das Spiel in vollem Gange war und stiefelte hinüber zu Brower.

      Der Schiedsrichter traute seinen Augen nicht, dann ermahnte er Frank, der sich jedoch nicht darum scherte. Vielmehr baute er sich vor dem erstaunten Brower auf.

      „Verschwinden Sie und lassen Sie meine Tochter in Ruhe!“, meinte Frank. „Sie sind gefeuert. Sie sind nicht der Richtige für meine Tochter. Und sehen Sie zu, dass Sie mir aus dem Weg gehen, sonst kann es sein, dass ich mich vergesse!“

      Brower war für einen Augenblick sprachlos, da ihm so etwas noch nie passiert war. „Sind Sie verrückt?“, brüllte er Frank an. „Noch nie hat mich irgendjemand gefeuert. Man feuert einen Tom Brower nicht!“ Er sah Frank mit blitzenden Augen und geballten Fäusten an. „Ich bin der beste Trainer des Clubs!“

      Der Schiedsrichter tobte auf seinem Stuhl und das Publikum raste. Die einen schrien Frank verärgert an, die anderen genossen jauchzend das Spektakel.

      Da packte Frank Brower am Kragen und zog ihn zu sich hoch. „Wenn du nicht sofort verschwindest, verprügele ich dich hier vor dem ganzen Publikum.“

      Brower begriff, dass es ernst war und taumelte rückwärts aus der Arena. „Das, das vergesse ich Ihnen nicht!“, schrie er außer sich. „Niemand behandelt mich so. Sie haben sich einen Feind erworben, einen Todfeind!“ Gleich darauf war er draußen.

      Nun kehrte plötzlich Stille ein. Alle harrten der Dinge, die nun geschehen würden.

      „Sie müssen das Spielfeld verlassen!“, rief der Schiedsrichter Frank zu.

      „Ich habe nicht vor, hier zu blieben!“, konterte dieser.

      „Und ihre Tochter bekommt einen Punkt Abzug! Es steht dann 5:0 im zweiten Satz.“

      „Ist in Ordnung! Ich bin gleich weg.“

      Dann wandte er sich an Vicky. „Hör zu! Geh jetzt nicht mehr ans Netz! Spiel nur noch von der Grundlinie, hörst du? Spiel das Mädchen einfach aus!“ Er nickte Vicky lächelnd zu.

      Vicky nickte zurück.

      Frank ging zurück auf seinen Platz und sah mit zunehmender Freude, wie Vicky ihre Gegnerin nach Belieben ausspielte. Am Ende stürmte eine überglückliche Tochter hinauf zu ihrem Vater und fiel ihm vor Freude weinend in die Arme. Das Publikum, das zunächst ungläubig die Wende des Spieles wahrgenommen hatte, empfand mit zunehmendem Spielverlauf Sympathie für Vicky und dankte ihr nun mit stehenden Ovationen für dieses Spektakel, ja zeigte Begeisterung und Rührung für die Szenen, die sich nun zwischen Eltern und Tochter abspielten.

      Als sich alles ein bisschen beruhigt hatte, zeigte Frank auf Marc Tanner. „Sag „Hallo“ zu deinem neuen Trainer!“

      Vicky sah in das strahlende Gesicht des Sonnyboys. „Hallo!“, sagte sie, ohne


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