Apostasie. Marie Albes

Apostasie - Marie Albes


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Pero ist ein Baum.“

      Er stöhnte. „Chiara, estás wirst du unsympatisch.“

      Zum Glück fing Chiara langsam an, den Josés Humor zu verstehen. Sie betrachtete ihn mit einem Lächeln, das einem Sonnenstrahl glich, in dessen Leuchten er sich verlor.

      Es war herrlich zu lachen, dachte Chiara und verstand nicht, warum manche Geistlichen ausgesprochen ernst waren, als wenn sie heitere Gesichtszüge verabscheuten, welche die Fröhlichkeit ins Gesicht malten.

      

      

      Unter verschiedenen Pausen und Korrekturen erzählte José weiter von seinem Leben, vom märchenhaften Granada und seiner vergangenen Arbeit auf den Schiffen. Er vertraute Chiara an, wie sehr er das Meer liebte und dass er sich auf ihnen frei fühle.

      „ Yo quiero el olor del mare, ich liebe den Geruch des Meeres ...“, vertraute er ihr an. „Ich fühle mich auf ihm lebendig und libre.“

       Freiheit. Fröhlichkeit und Freiheit.

      

      

      Chiara sann im Geiste über diese Worte und wunderte sich über ihre Kraft.

      Priesterschule

       In der Tat erwiesen sich die Befürchtungen von Elena als begründet.

       Es verging geraume Zeit, bis sich Michele und Elena sahen. Elenas Besuche an der Priesterschule waren durch die religiöse sowie väterliche Strenge begrenzt.

       Michele war in eine Priesterschule gezogen, die wenige Stunden vom Zuhause entfernt war. Die kurze räumliche Distanz musste mit der Theologie wetteifern, welche die religiöse Welt von der gewöhnlichen trennte.

       Das erste Mal als Elena in einen Zug stieg, der in Richtung des Dorfes fuhr, in das Michele gezogen war, war an einem regnerischen Sonntag im Oktober, mehrere Wochen nach dem Aufbruch ihres Bruders.

       Elena wusste, dass ihre Eltern ihr nicht erlaubten, ihren Bruder zu besuchen. Sie schlich sich somit bei Sonnenaufgang heimlich aus dem Haus, wobei sie einen Zettel, den sie aus einem Schulheft gerissen hatte, auf der Konsole neben der Tür hinterließ. Er enthielt folgende Notiz:

      

      

      Ich bin mit Maria an den See gegangen, bis heute Abend.

      Elena

      

      

       Ehrlich gesagt bezweifelte sie, ob ihre Eltern das glauben würden, aber um ihren Bruder zu besuchen, war sie bereit, das Risiko einzugehen.

       Sie stieg somit in den gleichen Zug, den Michele vor ein paar Wochen genommen hatte. An einem Fenster sitzend, genoss sie die Bilder, die draußen an ihr vorbei schnellten.

       Distanz bedeutete Freiheit.

       Elena glaubte zu fliegen. Endlich ging sie fort, auch wenn nur für einen Tag, fort von diesem Käfig, der ihre Flügel zwang, geschlossen zu bleiben.

       Aber dieser Tag gehört nur mir und Lele. Endlich! Wie als wir Kinder waren und zum See gingen, um Steine ins Wasser zu schmeißen, wetteifernd, wer am weitesten wirft.

       Elena musste in diesem Moment an eine Anekdote in ihrem Leben denken: Als Kinder war sie mit Michele an einem Fluss entlang gelaufen, um auf einen kleinen Wasserfall zu stoßen, von dem ein kleines Rinnsal Wasser bergab floss. Zuerst sind sie ihm bergab gefolgt, der wenig geneigt war. Schließlich erreichten sie den See, der dem heißen August unbeeindruckt widerstand.

       Schritt für Schritt, teilweise mit der Hilfe des anderen und teilweise allein kamen sie am Fuße des Wasserfalls an und sprangen in den flachen See. Als sie auftauchten, wollte Elena für sie beide eine Hütte bauen, in der sie sich zurückziehen würden, wenn sie der Vater ausschimpfte.

      „ Auf, setzen wir den ersten Stein!“, rief die kleine Nymphe und zeigte auf ein paar Felsen in der Nähe.

       Sie verbrachten die nächsten paar Stunden, indem sie Steine aufeinander setzten und versuchten vergeblich, die Struktur eines Hauses nachzubauen. Schließlich betrachteten die Geschwister erschöpft ihr ausgesprochen enttäuschendes Ergebnis.

      „ Und wenn wir uns hier ohne Hütte zurückziehen?“, hatte Michele belustigt gefragt und betrachtete das Stonehenge in Miniatur.

       Elena lachte von ganzem Herzen.

      

      

       Der Zug war am Ziel angekommen und die Passagiere stiegen mit ihrem Gepäck, Mänteln und Hüten aus. Die Edelmänner trugen Spazierstöcke mit Silberknauf bei sich, die Damen bestickte Sonnenschirme.

       Elena trug weder Gepäck noch Sonnenschirm, sondern ihre kleine Ledertasche und eine Tüte mit Süßwaren für Michele.

       Sie verließ den Bahnhof und durchlief zu Fuß das Dorf. An der Stadtmauer angelangt, die den Ort umgrenzte, fragte sie einen Mann auf einem Fahrrad, wo sich die Priesterschule befände.

      „ Die liegt zu Fuß 20 Minuten entfernt, Fräulein. Folgen Sie der Hauptstraße und biegen Sie in die Abzweigung auf der linken Seite. Von dort ist sie beschildert.“

      „ Vielen Dank!“

      „ Schönen Tag!“, antwortete der Mann, betrachtete Elena und dachte sich, dass eine solche Schönheit besser der Priesterschule fern bleiben sollte.

      

      

       * * *

      

      

       Große, hellwache Augen in den Farben einer Haselnuss. Helles Haar, in der Farbe nicht vollkommen reifer Kastanien. Ein dünner, schlanker Körper in einem roten Mantel, der sie wie eine Puppe aussehen ließ.

       Nein, der Rektor wäre nicht erfreut, sie herein zu lassen, dachte Carlo. Andererseits konnte er Geschwistern einen Kurzbesuch nicht verbieten, es handelte sich immerhin um ein Familienmitglied. Widerwillig ließ er sie eintreten und führte sie zum Innenhof.

      „ Warten Sie hier, Michele wird in Kürze erscheinen.“

       Elena wartete unter den Arkaden des Gartens auf ihn.

       Michele musste seine Schwester nicht beim Namen nennen. Sobald er den Innenhof betrat, spürte Elena seine Anwesenheit. Sie wandte sich um und beschaute für ein paar Sekunden den jungen Mann, der ihr gegenüber stand. Er war ihrem Bruder, den sie innig liebte, ähnlich und doch anders. Im langen schwarzen Gewand stand Michele vor ihr, hielt das obligatorische Buch in der Hand und betrachtete sie mit sanftem Blick.

      „ Lele!“ Ungestüm lief sie ihm entgegen, um ihn zu umarmen. Dieser zog sie an sich und ließ sie wie zu Kindeszeiten einem Karussell gleichend um sich kreisen. „Gott, was hast du mir gefehlt!“

      „ Du hast mir ebenfalls gefehlt, Elena. Aber bitte erwähne nicht zwecklos den Herrn. Zumindest nicht hier, sonst holen dich meine Brüder.“ Er versetzte ihr einen Klaps auf die Wange, aber Elena stellte sich mürrisch.

      „ Wer hat den Hochmut und nennt dich Bruder ?“

      „ Na tu nicht so! Du weißt, dass wir uns alle Brüder nennen, da wir die Söhne Gottes sind.“

      „ Ich weiß, ich weiß!“, erwiderte sie die Augen verdrehend. „Aber ich habe weiterhin den Vorrang.“

      „ Sohn Gottes zu sein ist auf jeden Fall besser


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